Wie die Wirtschaftskammer ihren Mitgliedern Konkurrenz macht

Wirtschaftskammer
Wirtschaftskammer(c) Teresa Zötl
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Meine Kammer, meine Konkurrentin: Als Berater, Friseurtrainer oder Caterer macht die WKÖ Unternehmen Konkurrenz – und lässt sich dafür auch noch bezahlen.

Lutz Leufen ist sauer. Ein wenig auf das System Österreich an sich, vor allem aber auf die Wirtschaftskammer. Der gebürtige Deutsche ist seit 35 Jahren in ganz Österreich als Trainer für Friseure tätig. Das Wifi, die Ausbildungsstätte der Wirtschaftskammer (WKO), allerdings auch. Das Problem: Das Wifi wird durch Beiträge von WKO-Zwangsmitgliedern wie Lutz Leufen zum Teil mitfinanziert und kann seine Leistungen daher deutlich billiger anbieten als die privaten Mitbewerber. „Das Wifi soll Firmen ruhig Ausbildungen anbieten“, sagt der Unternehmer. „Aber nicht mit dem Geld, das ich ihnen geben muss.“

Der Wahl-Linzer ist kein Einzelfall. Die Wirtschaftskammer hat als Unternehmerin einen erstaunlich großen Bauchladen: Sie druckt Broschüren, macht Werbung, bietet Schulungen an, betreibt Cafés und Hotels, macht Beratung und Catering. Allein die Wirtschaftskammer Wien hat mit solchen Nebengeschäften im Jahr 2013 rund 38 Millionen Euro eingenommen.

Nicht immer ist das problematisch: Dass die Tourismusschule Modul ihren Hotelfachschülern etwa die Möglichkeit geben muss, in einem „echten Betrieb“ zu arbeiten, wird kaum kritisiert. Dass die Kammer über das Modul aber etwa auch das Catering für große ORF-Galas macht, schon eher.

Wirtschatskammer-Wahlen

Termin. Von 23. bis 26. Februar können Unternehmen ihre Interessenvertreter in der Wirtschaftskammer wählen.

Kandidaten. Gewählt werden die Mitglieder der Fachgruppenausschüsse und die Fachvertreter direkt. Flächendeckend antreten wird wohl nur der ÖVP-Wirtschaftsbund. Ins Rennen gehen auch der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband, der Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender, die Grüne Wirtschaft und erstmals die Liste Unternehmerisches Österreich, die den Neos zuzurechnen ist.

Grenzen überschritten. Den heftigsten Widerstand gegen die Konkurrenz der Kammer leisten jedoch die Trainer und Berater. Sie klagen über Wettbewerbsverzerrung und „ungleiche Waffen“, mit denen das Wifi ihnen Konkurrenz mache. „Konkret geht es dabei um jenen Teil des Wifi, der Firmentrainings macht“, sagt der Unternehmensberater und Wiener Unos-Kandidat bei der WKO-Wahl, Gerhard Vater. Rund 4250 firmeninterne Trainings mit 47.000 Teilnehmern hat das Ausbildungsinstitut der Kammer im Vorjahr abgewickelt und damit 8,2 Millionen Euro Umsatz gemacht. Ein schöner Schnitt, den sich das Wifi zumindest teilweise von der eigenen Konkurrenz finanzieren lässt. „Hier werden Grenzen überschritten“, sagt Alfred Harl, Interessenvertreter der Unternehmensberater und Trainer in der Wirtschaftskammer (Ubit). „Beratung in den Unternehmen geht nicht. Das Wifi darf nicht im Markt der Trainer fischen.“

Das Wifi selbst sieht die Lage naturgemäß etwas entspannter. „Wir sind nicht dazu da, um den Unternehmen Konkurrenz zu machen“, sagt Wifi-Institutsleiter Michael Landertshammer. Das Wifi habe einen gesetzlichen Ausbildungsauftrag, klassische Unternehmensberatung biete das Wifi ohnedies nicht an. „Aber natürlich gibt es einen gewissen Graubereich“, räumt der Kammerfunktionär ein.

Genau dieser „Graubereich“ stört viele Berater. Die Kammerorganisation betreibe bei den Unternehmen massiv Werbung und biete klassische Beratungsprodukte wie Prozessbegleitung an, kritisieren sie. Ein gutes Dutzend konkreter Fälle hat Alfred Harl gesammelt und vergangene Woche an den Wifi-Chef übergeben. Dabei zeigt sich: Es ist höchste Zeit, die Grenzen dessen, was das Wifi gesetzlich machen darf, wieder nachzuschärfen. Wenn das Wifi etwa „Personalentwicklung und Beratung für Unternehmen“ anbietet, fühlen sich Kammermitglieder in ihren Geschäften gestört. Diese Fälle würden nun einzeln überprüft, verspricht Landertshammer. Allerdings sieht er im Wifi auch einen großen Unterstützer der freien Trainer. Das Institut beschäftige prinzipiell nur Externe und sei damit so etwas wie ein „Broker der Berater“. Viele von ihnen würden auf diesen Vermittler allerdings gern verzichten. Erschwerend sei nämlich der Umstand, dass das Wifi seinen Trainern ein „extrem geringes Entgelt“ bezahle, betont Ubit-Obmann Alfred Harl.


Vorfahrt für freie Unternehmer. Der Linzer Friseurtrainer Lutz Leufen geht noch einen Schritt weiter: „Überall, wo ein freier Unternehmer eine Leistung anbietet, soll dieser auch zum Zug kommen – und nicht seine gesetzliche Interessenvertretung“, fordert er. „Wir werden nicht aggressiv auf den Markt gehen, um andere zu verdrängen, wenn es ausreichend gute Angebote auf dem Markt gibt“, beruhigt Wifi-Institutsleiter Landertshammer. Ganz verzichten will und kann er auf die lukrativen Firmenaufträge aber freilich nicht. Schließlich würde das Institut – anders als Private – auch in abgelegenen Gegenden des Landes Schulungen anbieten und könne damit österreichweit ein gewisses Qualitätsniveau garantieren, so die Argumentation. 90 Prozent seiner Kosten erwirtschaftet das Wifi in ganz Österreich selbst. Den Rest muss die Wirtschaftskammer aus den Beiträgen ihrer Zwangsmitglieder beischießen.

In Zahlen

4250

Firmentrainings
hat das Wifi im Vorjahr angeboten – und damit offenbar im Teich der freien Berater gefischt.

8,2

Millionen Euro Umsatz hat das kammereigene Institut damit 2014 erwirtschaftet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2015)

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