Die Brutkästen und Beschleuniger

Eveline Steinberger-Kern von Blue Minds.
Eveline Steinberger-Kern von Blue Minds.Die Presse
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Inkubatoren und Accelerators sind die Orte, an denen Start-ups professionelle Unterstützung finden. Das Start-up Bitmovin schaffte es in den legendären Y Combinator im Silicon Valley.

Y Combinator ist quasi die Mutter aller Accelerators. Das im Silicon Valley angesiedelte Programm hat Überflieger wie Airbnb oder Dropbox hervorgebracht und gehört heute zu den weltweit renommiertesten seiner Art. Als erstes österreichisches Start-up hat Bitmovin darin einen Platz ergattert. Stefan Lederer und sein Mitgründer Christoph Müller haben das dreimonatige Programm im Sommer absolviert und sind gerade dabei, im Silicon Valley eine Niederlassung aufzubauen. Derzeit pendeln sie zwischen Wien und dem Valley hin und her.

Bitmovin bietet einen Codierungsservice an, der die Videostreamingqualität im Internet verbessert, in Kombination mit einem Player zum Abspielen der Inhalte, und zählt unter anderem Flimmit und Kronehit Radio zu seinen Kunden. Beeindruckend am Y Combinator sei vor allem, dass man dort laufend von Mentoren betreut werde, die „als Gründer wahnsinnige Erfolge gefeiert haben. Denen glaubt man natürlich Sachen eher, auch wenn man sie vielleicht schon einmal gehört hat“, sagt Lederer und lacht.


Kunde ist König. Zum Beispiel, dass man kontinuierlich Kundenfeedback einholen soll. „Im Unterschied zu Europa kommen die guten Ratschläge in den USA aber nicht in Schlagworten, sondern es wird einem wirklich gezeigt, wie man das macht“, sagt Lederer. Einmal in der Woche gebe es im Y Combinator „office hours“ zu verschiedenen Themen. Die Beratungseinheiten seien bewusst kurz und knackig gehalten. „What's your biggest problem?“ sei eine typische Frage. Dann müsse man schnell auf den Punkt kommen. Und die daraus folgenden Vorgaben seien „ziemlich tough“.

Mit Michael Justin, CEO der Gaming-Livestreamingplattform Twitch (das 2014 um 970 Millionen Dollar an Amazon verkauft wurde) habe das Bitmovin-Duo beispielsweise an den Kundenkontakten gearbeitet. „Wir hatten zehn Kunden kontaktiert, und die Vorgabe war dann, das zu automatisieren und auf 500 Kontakte zu erhöhen“, erzählt Lederer. Dabei hätten sie schon ziemlich geschwitzt.

Bei Y Combinator ein Coaching zu durchlaufen, ist ohne Frage eine einmalige Chance. Aber wer es dort nicht hineinschafft, muss nicht verzweifeln. Auch hierzulande beginnt sich eine vielfältige Szene von Inkubatoren und Accelerators zu entwickeln. Die „Presse“ stellt drei Projekte vor.


Ein Kubus im Waldviertel. Im tiefsten Waldviertel, in Gmünd, steht der Kubator. Eine äußerst ungewöhnliche Ortswahl, befinden sich die meisten Programme für Start-ups doch in Wien und bestenfalls noch in den Landeshauptstädten. Dafür sind die Pläne des Gründers, Karl Bauer, umso ehrgeiziger: „Wir wollen ein kleines Waldviertler Silicon Valley werden“, sagt er. Die Voraussetzungen dafür seien in der Region um Gmünd gegeben, in der es rund 4000 High-Tech-Arbeitsplätze gibt. „Viele Unternehmen sind Spin-offs von großen Hightechfirmen“, sagt Bauer. „Hightechkonzerne sind vielen auf Dauer zu eng. Auch ich war so einer, vor 20 Jahren.“ Bauers eigene Firma, NBG Systems, hat sich im Bereich der Fiberoptik einen Namen gemacht.

Die Idee für den Kubator entstand gemeinsam mit seinem „alten Freund“, dem Fiberoptikexperten Hartwig Tauber, Chef des FTTH − Fibre to the Home Council Europe, der aus dem Silicon Valley mit der Idee zurückgekommen sei, so etwas auch für das Waldviertel aufzuziehen. Bauer habe dann die Chefs der bereits etablierten Spin-offs in der Region angesprochen – „das sind jetzt die Gesellschafter.“

Das Konzept des ersten Waldviertler Inkubators ist gewagt. Die zukünftigen Gründer brauchen nichts weiter als eine zündende Idee.
„Uns geht es darum, gute Ideen abzuholen und weiterzuentwickeln“, sagt Bauer. Wer das unabhängige Bord begeistern könne, der könne zwölf Monate kostenlos den Kubator benutzen und bekomme 140 Coachingstunden gratis dazu. Sollte es zu einer Gründung kommen, beansprucht der Kubator zehn Prozent der Unternehmensanteile.


Hardware statt Apps
. Seit Mai steht der Kubus, der früher ein Kompetenzzentrum für Fiberoptics beherbergt hat, für angehende Gründer offen, drei haben sich dort bereits angesiedelt. Wobei eine dauernde Anwesenheit im Waldviertel nicht erforderlich sei. Der Fokus liege im Kubator auf hardwarelastigen Start-ups, die sich mit Industrie 4.0 befassen, sagt Bauer. Apps seien weniger interessant.

Aus einer völlig anderen Ecke kommt The Blue Minds Company. Mit „Innovation im Grätzel“ hat die Gründerin, Eveline Steinberger-Kern, einen Inkubator für urbane Nachhaltigkeit ins Leben gerufen. Der Fokus liegt auf Klima- und Energieprojekten, der speziellen Expertise von Blue Minds, die neben Wien auch in Tel Aviv aktiv sind.

„Wir sind selber Gründer, aber auch Inkubator und Consultingunternehmen − wir sind daran interessiert, neue Geschäftsmodelle im Energiebereich zu entwickeln. Manchmal greifen wir Dinge auch selbst auf, bauen Spin-offs“, sagt Steinberger-Kern, die früher beim Stromkonzern Verbund gearbeitet hat.


Für Fortgeschrittene. Wie sich Blue Minds bei Start-ups einbringt, entscheide sich von Fall zu Fall. „Das kann eine Beteiligung sein oder eine Vertriebsunterstützung, der Managementaufbau oder das Begleiten von Finanzierungsrunden.“

Interessiert sei Blue Minds an Start-ups, die „aus der ersten Konzeptionsphase heraus sind und ein Pilotprojekt haben“, sagt Steinberger-Kern. Im Inkubator im siebten Bezirk (Siebensterngasse) sitzen bereits acht Start-ups, die Themen von E-Velocity (zum Beispiel Has to be) über Abfall- und Ressourcenmanagement (Zero Waste Jam) bis urbane Agrarwirtschaft (Freiluftsupermarkt) abdecken. Der Inkubator sei auf maximal zwei Jahre ausgelegt. „Für manche ist es aber schon nach sechs Monaten getan“, sagt Steinberger-Kern, die hofft, damit einen Beitrag dazu zu leisten, dass weniger Start-ups aus Österreich abwandern. „Bislang passiert das sehr schnell, wenn Start-ups einmal einen ersten Markt gefunden haben.“


Sales-Expertise. Auch die Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei LeitnerLeitner hat nun vor, ihr Start-up-Mentoring zu institutionalisieren und eröffnet einen Accelerator. „Slax“ soll er heißen und sich sehr stark auf Sales fokussieren. „Wir sehen zwei Schwerpunkte: die Schärfung des Business Case und eine sehr starke Vertriebsorientierung. Wir merken, dass technikaffine Start-ups dazu tendieren, an der Idee zu lang herumzufeilen, bevor sie den Reality Check machen“, sagt der Projektinitiator Franz Haimer. Der Mehrwert des Accelerators für das eigene Unternehmen sei klar: „Aus dem Mentoring heraus entstehen Unternehmenspartnerschaften“. In den drei Monaten solle das Start-up sich so weiterentwickeln, dass es danach für einen Investor interessant ist.

Auf eine bestimmte Entwicklungsphase wolle man sich nicht festlegen. Die drei bereits betreuten Start-ups seien aber bereits aus der Frühphase heraus. LeitnerLeitner kann auf ein Netzwerk von rund 60 Mentoren zurückgreifen, darunter Business Angel Michael Altrichter, Michaela Novak-Chaid, Geschäftsführerin von Hewlett-Packard, und Unternehmer wie Schokoladenhersteller Josef Zotter.

Die drei Beispiele zeigen unter anderem eines: Eine feste Definition und Abgrenzung der Modelle Inkubator und Accelerator gibt es nicht, die meisten Programme setzen sich aus Elementen beider Modelle zusammen und fokussieren sich je nach Expertise auf andere Schwerpunkte.

Wenn man Bitmovin fragt, was sie aus ihrer Zeit beim Y Combinator mitgenommen haben, fallen Lederer zwei Dinge ein: „Man kann sich ruhig von Unternehmen etwas abschauen, über Prozesse, Mitarbeiterführung, Vertrieb, die Unternehmenskultur.“ Und: „Als Gründer muss man sich operativ überflüssig machen.“ Nur so habe man genug Zeit, über das Produkt und die Kunden zu reflektieren.

Ein Stück weit begleiten Inkubatoren und Accelerators die Start-ups auf diesem Weg. Es kann aber nicht schaden, sich als Start-up dabei vor Augen zu halten, dass man dafür, auch wenn sie gratis sind, meistens einen Preis zahlt. Im Idealfall entsteht eine Win-Win-Situation für beide Seiten.

Fakten

Inkubatoren und Accelerators. Eine allgemeingültige Definition für Inkubatoren und Accelerators zu finden, ist schwierig. Beide Programme bieten in der Regel: einen Büroraum, ein Mentorenetzwerk, informelle Events und Termine bei Investoren und Förderstellen. Möglich sind finanzielle Beteiligungen, diese sind im Normalfall bei Accelerators üblicher als bei Inkubatoren. In der Regel setzen Accelerators in einer späteren Phase an als Inkubatoren, die Betreuung findet sehr intensiv in einem kürzeren Zeitraum statt (drei Monate), während ein Inkubationsprogramm über Jahre laufen kann.

Start-up-Schmieden

Kubator. Der Kubus im Herzen von Gmünd im Waldviertel interessiert sich für innovative Ideen aus den Bereichen IoE und Industrie 4.0 und bietet ein Jahr Arbeitsplatz und Betreuung. Bei Gründung Beteiligung mit zehn Prozent.

The Blue Minds Company ist ein Wiener Inkubator, der den Fokus auf Greentech-Start-ups legt. Betreuung wird auf den Bedarf maßgeschneidert. Beteiligung möglich, aber nicht zwingend. Arbeitsplatz und Betreuung für bis zu zwei Jahre.

LeitnerLeitner. Der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer will mit dem Accelerator „Slax“ den Fokus auf Sales legen. Die Start-ups sollen in drei Monaten „investment ready“ werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2015)

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