Um die neue Annäherung an die russische Gazprom der Öffentlichkeit zu vermitteln, holte die OMV Gerhard Schröder am Montag nach Wien. Der sagte unmissverständlich, wer richtigliegt.
Wien. Wenn die OMV „Energiegespräche“ mit Gerhard Schröder veranstaltet, müssen diese noch lange nicht im Vordergrund stehen. Weniger als ein Viertel seines Vortrages hat der deutsche Altkanzler Montagmittag im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg dem Thema gewidmet. Deshalb von einer Mogelpackung zu sprechen, ist trotzdem nicht zulässig. Eher von einer guten Verpackung. Das Energiethema der OMV ist nämlich heiß, geht es in der neuen Strategie von Konzernchef Rainer Seele doch um eine enge Bindung des Unternehmens und letztlich Europas an Russland. Und so hat Schröder sich in konzentrischen Kreisen angenähert.
Flexible Sanktionen
Zuerst über die europäische Flüchtlingskrise, in der Schröder einen Blick in die USA empfahl, die sich im Unterschied zu Deutschland schon sehr früh auf gesteuerte Zuwanderung verständigt hätten und diese daher auch als Chance sehen. Schröders Gedankenansatz blieb am Ende unausgegoren, erteilte er doch Wirtschaftsflüchtlingen eine klare Absage, obwohl die US-Einwanderungspolitik gerade auf den Elan derer baut, die sich ökonomisch verbessern wollen.
Den zweiten Kreis Richtung Zentrum zog Schröder um das europäisch-russische Verhältnis – „die zweite Herausforderung für Europa“. Gerade was die Sanktionen betrifft, schaltete sich Schröder damit in einen Diskurs ein, der zuletzt in Deutschland an Fahrt gewonnen hat, in Österreich aber noch nicht angekommen ist. Keine Geringeren als Vizekanzler Sigmar Gabriel und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hatten deutlich ihre Zweifel an der Sinnhaftigkeit der westlichen Sanktionen geäußert. Die Wirtschaft ohnehin.
Für Schröder besteht der Fehler der EU in der starren Haltung. Es brauche flexiblere Reaktionen, meinte er am Montag, sprich: Jegliche Fortschritte bei der Entspannung in der Ostukraine auch mit sukzessiven Lockerungen der Sanktionen zu quittieren. Europa sei Nachbar und habe deshalb schließlich andere Interessen an Russland als die USA.
„Die anderen liegen falsch“
An diesem Punkt wurden die gestrigen „Energiegespräche“ auch zu solchen über die Energie. Die OMV spürt offenbar ein Kommunikationsproblem, was ihre Neuorientierung Richtung Russland betrifft. Ja, er könne die Kritik daran nachvollziehen, „weil wir ja [. . .] in der Öffentlichkeit nicht unsere Beweggründe diskutieren“, bekannte OMV-Chef Rainer Seele. Umso bedeutender die öffentliche Unterstützung Schröders, der dem Aktionärsausschuss der russischen Ostseepipeline Nord Stream 1 vorsitzt und eine ähnliche Position dem Vernehmen nach auch bei der geplanten Nord Stream 2 einnehmen soll. Dass die OMV daran teilnehme und auch einen milliardenschweren Tausch von Vermögenswerten mit der Gazprom vorbereite, sei als Strategie „richtig“, so Schröder prägnant: „Diese Pipeline ist gegen niemanden gerichtet“.
Die EU sieht das anders. Und auch Russland hat festgehalten, dass neue Direktpipelines den Transit durch die Ukraine ab 2019 ersetzen sollen. „Wenn Nord Stream 2 läuft, ist die Ukraine als Transitland für russisches Gas tot“, sagte am Montag Andrij Kobolew, Chef des ukrainischen Gaskonzerns Naftogaz zum „Handelsblatt“.
Die EU hat auch Bedenken, weil Nord Stream 2 die EU-Strategie hintertreibt, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren.
Am Ende wurde am Montag die Front gezeichnet, an der in den kommenden Monaten gekämpft wird: Das Nord-Stream-2-Konsortium gegen die EU. Im Detail geht es nämlich auch um die Frage, ob die EU das Projekt rechtlich verhindern oder zumindest behindern kann.
Gerhard Schröder stellte klar, dass nicht das neue EU-Recht zur Anwendung komme, sondern die gesetzliche Grundlage, auf der auch die Pipeline Nummer eins gebaut worden sei. „Im Prinzip sind wir sicher, dass diejenigen, die eine gegenteilige Auffassung haben, falschliegen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.11.2015)