Pensionisten: Vom Parkbankerl auf das Kreuzfahrtschiff?

Helmut Kramer
Helmut KramerDie Presse (Michaela Seidler)
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Das Bild älterer Menschen in der Gesellschaft hat sich deutlich geändert. Sie sind aktiver geworden, es gibt aber auch mehr Potenzial für soziale Tätigkeiten. Helmut Kramer über Chancen und Phänomene des Alterns.

Früher dominierte das Bild der Pensionisten, die auf der Parkbank sitzen und Tauben füttern. Heute sonnen sie sich auf Kreuzfahrtschiffen. Sind die Senioren tatsächlich um so vieles aktiver als früher?

Helmut Kramer: Ich glaube nicht, dass die Aktivitäten der Älteren derart signifikant zugenommen haben. Aber natürlich, die Lebenserwartung ist deutlich gestiegen, der Gesundheitszustand hat sich verbessert. Wenn Sie die Pensionisten fragen, sind sie von ihrem Leben gar nicht enttäuscht. Das Pensionistendasein gibt ihnen aus ihrer subjektiven Sicht ein besseres Leben, in dem man auch mehr Reisen machen kann. Es besteht aber auch das Potenzial, dass sie gemeinschaftlich nützliche Dinge tun.

Wird das stark angenommen? Gibt es einen Trend dazu, dass sich Ältere zunehmend in der Freiwilligenarbeit engagieren?

Man muss sich das genauer ansehen, wo und in welchem Ausmaß sich ältere Menschen aktiv an Gemeinschaftsaktivitäten beteiligen. Das ist auch bundesländerweise verschieden. In Oberösterreich gibt es etwa viele kleinere Gemeinden, in denen es viele Möglichkeiten gibt, sich an lokalen Aktivitäten zu beteiligen, zum Beispiel freiwillige Feuerwehr oder Musikkapelle; das liegt ein bisschen an der Grenze zwischen Freizeitvergnügen und gesellschaftlich nützlich.

Wenn man über Pensionisten redet, kommt man auch am Thema Pensionsreform nicht vorbei. Wie stehen Sie dazu?

Sicher muss man diskutieren, wie wir den Altersruhestand finanzieren können. Aus Sicht der Sozialversicherung entlastet ein längeres Arbeitsleben die kommenden Engpässe. Tatsächlich ist das ein volkswirtschaftlich ernst zu nehmender Wunsch. Ja, wir müssen uns das Länger-aktiv-Sein überlegen, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Wichtig ist aber auch die persönliche Sicht, dass sich ältere Menschen nämlich Aufgaben suchen. Ich weiß von einer Studie, die in Zürich erstellt wurde, aber auf österreichischen Daten beruhte. Menschen, die in Frühpension gegangen sind, sterben demnach früher. Jetzt kann man dagegen argumentieren und sagen: Wenn sie in Frühpension gegangen sind, so waren sie möglicherweise schon gesundheitlich angeschlagen. Doch damit sind die Ergebnisse der Studie noch nicht erklärt. Man kann auch sagen, das Leben als Frühpensionist ist nicht so gesund. Vielleicht sind Geist und Körper nicht genug gefordert, und so kommt der Verfallsprozess rascher.

Das hängt aber vom Einzelnen ab.

Natürlich. Der Punkt ist wichtig, dass es individuell sehr unterschiedliche Umstände gibt. Gern länger zu arbeiten gilt sicher nicht für jeden. Wenn man etwa einen Beruf wie ich gehabt hat, dann macht man das gern. Aber wenn man keine innere Beziehung zu der Tätigkeit hat, sieht das schon anders aus. Dann möchte man vielleicht so bald als möglich aus dem Arbeitsleben aussteigen. Grundsätzlich meine ich, dass es mehr individuelle Flexibilität geben muss beim Übergang von voller Berufstätigkeit zu Teilzeit oder zu informellen Aktivitäten.

Gerade angesichts der Flüchtlingskrise wird auch argumentiert, dass Pensionisten für soziale Tätigkeiten und Freiwilligenarbeit verpflichtet werden sollen.

So etwas darf man nicht verpflichtend machen. Aber was man tun kann und sollte, ist, solche Tätigkeiten attraktiver zu machen. Man muss den Menschen verstärkt klarmachen, dass es positiv ist, wenn man etwas für das Gemeinwohl tut. Das bezieht sich nicht nur auf das Flüchtlingsproblem. Es kann den Selbstwert heben und das Leben reicher machen, wenn man anderen Unterstützung bieten kann. Oft genügt schon, für Gespräche zur Verfügung zu stehen oder Kinder vom Kindergarten abzuholen. Das bedeutet oft Änderungen des gewohnten Tagesablaufs. Sich dazu zu entschließen, kann man mit Anreizen erleichtern. Bei manchen Programmen können etwa die Gemeinden dafür sorgen, Räumlichkeiten und Material zur Verfügung zu stellen, aber auch bescheidene finanzielle Anreize bieten, ein wenig Taschengeld als Anerkennung. Grundsätzlich meine ich: Wer länger arbeitet, sollte einen Bonus bekommen. Die individuelle Situation unterscheidet sich allerdings sehr erheblich. Zwang und Druck sind dabei verfehlt.

Kehren wir noch einmal zum äußeren Bild der Senioren zurück. Es gibt auch Kritiker, die sagen, die heutigen Pensionisten sind zu einer Ego-Generation geworden.

Ich weiß nicht, wie seriös solche Beobachtungen sind. Wenn man sich im Alter Wünsche erfüllt, die man während des Arbeitslebens mangels Zeit oder Geldes nicht erfüllen konnte, dann halte ich das für richtig. Aber das Problem besteht natürlich, dass die Schere auseinanderklafft. Wegen der schlechten Wirtschaftslage ist es für Junge immer schwieriger, im Berufsleben Fuß zu fassen. Auf der anderen Seite gibt es viele Pensionisten, die keinerlei Sorgen haben. Die Öpia (Österreichische Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen, Anm.) veranstaltete vor zwei Jahren ein Symposion im Parlament, wo wir darauf hinwiesen, wie wichtig der Konnex mit den Jungen ist. Alle haben die Idee gut gefunden, aber letztlich war es nur eine Absichtserklärung. Es gab einen Bundespensionsplan, in dem steht, was zu den Rechten alter Menschen gehört. Ich glaube, wir brauchen parallel auch ein Bundesjugendkonzept.

Steckbrief

Wirtschaft.
Professor Helmut Kramer (76) war 24 Jahre lang Chef des Wifo, des Wirtschafts-forschungsinstituts. Von 2005 bis 2007 war er Rektor der Donau-Uni Krems.

Fragen des Alterns. Kramer ist auch Gründungsmitglied und Vorstand der Öpia, der Österreichischen Plattform für Interdisziplinäre Alternsfragen. APA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2016)

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