Gewerbeordnung: Wie man es Firmen schwer macht

Frau beim Buegeln
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Die österreichische Gewerbeordnung ist voller Tücken. Die Kammer begründet die strenge Regulierung auch mit dem Schutz von Leib und Leben. Ein wackeliges Argument.

Ein paar Pflegegräber, die jedes Jahr weniger werden – allein dafür braucht die Gärtnerin, die einen Blumenhandel auf einem Kärntner Friedhof betreibt, zwei Gewerbescheine: einen, damit sie die Gräber bepflanzen darf. Und einen, um sie zu gießen und zu düngen. Einen dritten benötigt sie, um in ihrem Blumengeschäft auch Dünger zu verkaufen. Für diesen Schein berappt sie etwa 70 Euro im Jahr. „Eine Flasche Dünger kostet 10,90 Euro, davon bleiben mir zwei, drei Euro, von denen ich noch Steuern zahlen muss. Sie können sich vorstellen, wie viel ich davon verkaufen muss, damit sich das rechnet.“

In Summe zahlt sie pro Jahr rund 900 Euro Grundumlage an die Wirtschaftskammer. „Ich brauche vier Gewerbescheine, nur damit ich anfangen darf zu arbeiten. Das ist schon heftig.“ Ihren Namen möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Sie will es sich nicht mit der Kammer verscherzen.

Die österreichische Gewerbeordnung ist kompliziert, streng und voller Tücken, die zu allerlei Kuriositäten führen: Reinigungskräfte, die Privatwohnungen putzen, dürfen keine Büros säubern. Nageldesigner, die Fingernägel lackieren, dürfen dies nicht bei Fußnägeln, ohne vorher teure Kurse zu machen. Eine Absolventin einer Modeschule darf sich trotz jahrelanger Berufserfahrung in Unternehmen nicht als Schneiderin selbstständig machen, weil sie keine Meisterprüfung hat.

Kritiker fordern schon lange eine große Reform. Die letzte liegt 14 Jahre zurück. Damals wurde der Handel ein freies Gewerbe. Nun braucht man keinen Befähigungsnachweis mehr, um ein Geschäft aufzumachen. Seither hat niemand mehr Anstalten zu einer Liberalisierung gemacht. Und das, obwohl die „Anpassung der Gewerbeordnung an veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen“ im Regierungsprogramm steht.

Einen kleinen Teil des Jobs erledigte 2014 der Verfassungsgerichtshof, der das Fotografengewerbe freigab: Der Berufsschutz sei nicht gerechtfertigt, weil vom Gewerbe keine Gefahren mehr ausgingen. Jetzt darf jeder Fotograf sein. Der Markt entscheidet über den Erfolg – und nicht die Wirtschaftskammer.


„Absurde Bestimmungen“. Ein lauter Kritiker der strengen Reglementierung ist der grüne Abgeordnete Matthias Köchl. Er fordert eine großflächige Entrümpelung der Gewerbeordnung. „Die Liste der absurden Bestimmungen ist endlos“, sagt er. Vor allem die Begründung der Wirtschaftskammer für den strengen Berufsschutz stößt ihm sauer auf: dass er der Gesundheit und Sicherheit der Kunden diene und dem Schutz von Leib und Leben.

Das möge für Berufe wie Augenoptiker oder Elektrotechniker gerechtfertigt sein. „Aber wozu braucht man einen Befähigungsnachweis für das Bügeln von Wäsche oder um als Änderungsschneider zu arbeiten? Das ist doch völlig absurd!“

Um das mit Daten zu untermauern, hat Köchl eine parlamentarische Anfrage an Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) gestellt. Er möge klären, wie viele Arbeitsunfälle und Verletzungen es in den vergangenen Jahren im Teilgewerbe Änderungsschneiderei gegeben habe, wie oft Konsumenten einen finanziellen Schaden erlitten hätten, wie hoch dieser gewesen sei und ob es gar Schadenersatzprozesse gegeben habe. Die Änderungsschneiderei nimmt Köchl stellvertretend für viele andere Bereiche, bei denen die Zugangsbeschränkungen fehl am Platz seien. „Auch das Bedrohungspotenzial durch Instrumentenerzeuger, Fremdenführer und Dekorateure ist wohl recht überschaubar“, sagt Köchl.

Die Antwort des Sozialministeriums, kurz zusammengefasst: Zu den Arbeitsunfällen lassen sich keine exakten Angaben machen, Fälle von verletzten Konsumenten sind keine bekannt und auch keine, in denen jemandem ein finanzieller Schaden entstanden wäre. Gerichtsverfahren: null.

„Das zeigt, dass die Zugangsbeschränkungen gerechtfertigt sind“, sagt Leo Gottschamel aus der Abteilung Rechtspolitik der Wirtschaftskammer. „Ich finde die Regulierungen der Gewerbeordnung in Ordnung und angemessen.“ Ganz anders sehen das die Grünen. Für sie zeigt das Ergebnis ihrer Anfrage, dass die Regulierungen teilweise völlig willkürlich seien und jeder Grundlage entbehrten.

Denn wie auch aus der Anfrage hervorgeht, gibt es vor allem deshalb keine entsprechenden Daten, weil es viel zu kompliziert wäre, sie zentral zu erheben: „Der Detaillierungsgrad der Auswertung [...] geht auch generell nicht so weit, dass eine Beantwortung dieser Fragen möglich wäre“, heißt es im Wortlaut.


Reform vertagt. 82 Gewerbe sind in Österreich reglementiert, daneben gibt es eine Liste von 21 Teilgewerben. Auch für sie braucht man einen Qualifikationsnachweis, aber einen weniger umfassenden. Elf davon könnte man auf der Stelle freigeben, ohne dass jemand davon Schaden nähme, findet Köchl. Darunter wären: Wäschebügeln, Änderungsschneiderei, Friedhofsgärtnerei und Nähmaschinentechnik. Einen entsprechenden Antrag wird er am kommenden Mittwoch im Wirtschaftsausschuss einbringen. Nicht zum ersten Mal: Zuletzt versuchte er es im Dezember. Aber der Antrag wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Höchst unwahrscheinlich, dass es dieses Mal anders wird.

In Zahlen

1859Auf dieses Jahr geht die Gewerbeordnung zurück. Sie stand damals im Zeichen der Freiheit: Der Habsburgermonarchie drohte der Bankrott, Unternehmertum sollte für den Aufschwung sorgen.

82Gewerbe sind reglementiert. Um sie ausüben zu dürfen, muss man einen Befähigungsnachweis erbringen, etwa die Meisterprüfung. Beispiele: Bäcker, Baumeister, Drogisten und Fremdenführer.

21Gewerbe fallen unter die Teilgewerbeverordnung. Für sie reicht ein einfacher Befähigungsnachweis, z.B. ein Wifi-Kurs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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