Der Staat als Spekulant: Milliarden aufs Spiel gesetzt

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Die Bundesfinanzierungs-Agentur hat zeitweise bis zu zehn Milliarden Euro in hochriskante Papiere investiert. Nun droht ein Verlust von über 600 Millionen Euro. Der Rechnungshof ortet schwere Mängel.

Als die Finanzkrise vergangenen Herbst den Höhepunkt erreichte, ließen in Österreich Nationalbank und Finanzaufsicht aufhorchen: Ihren Angaben zufolge wurden in Österreich zeitweise bis zu 20 Mrd. Euro in riskanten Wertpapieren gehalten. Wochenlang recherchierten Journalisten, welche Banken davon besonders stark betroffen seien. Ohne Erfolg. Mit Ausnahme der Kommunalkredit und der Bawag halten die heimischen Institute kaum giftige Wertpapiere. Nun hat der Rechnungshof enthüllt, dass sich ausgerechnet der Staat verspekuliert hat. Insbesondere über die Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA), die für das Schuldenmanagement der Republik verantwortlich ist. Laut Rechnungshof-Bericht hatte die Staatsagentur im August2007 exakt 10,78 Milliarden Euro an Spekulationspapieren in ihren Büchern – und damit nahezu die Hälfte des Kassabestandes. Bei sehr risikoreichen Veranlagungen – sogenannten „SIV“ (Structured Investment Vehicles) – hielt die Agentur 1,8 Prozent der auf dem Weltmarkt vorhandenen Papiere.

Die Wiener Gesellschaft holte sich über Anleihen billiges Geld von den Kapitalmärkten. Ein Teil davon wurde veranlagt. Als 2007 die Lage an den Finanzmärkten brenzlig wurde, begann die Agentur, aus den Risikopapieren auszusteigen. Dennoch musste der Bund laut Rechnungshof 691,2 Millionen Euro als „notleidend“ einstufen. Das ÖBFA-Management trat daher mit vier von der US-Immobilienkrise (Subprime) betroffenen SIV-Firmen in Verhandlungen ein. Im Dezember 2008 bekam der Staat 74,3 Millionen Euro zurück, sodass laut Rechnungshof noch immer ein Verlust von 616,9 Millionen Euro droht.

Wie konnte das passieren? Der Rechnungshof ortet bei der Finanzagentur schwere Mängel. Die Gesellschaft habe „sowohl im Verhältnis zu ihren Kassamitteln als auch zum Weltmarkt sehr hohe Beträge in intransparente Wertpapiere, die von der US-Subprime-Krise besonders gefährdet waren,“ veranlagt.Die Agentur habe es unterlassen, die gekauften Finanzprodukte vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden US-Subprime-Krise im Sinne eines Krisentests auf ihre möglichen Risken zu analysieren.

Daher habe der Staat noch in einer Zeit, als die Krise bereits in voller Ausbreitung begriffen war, „in unvertretbar hohem Ausmaß“ besonders gefährdete Papiere gehalten. Das Finanzministerium und die Agentur rechtfertigen sich damit, dass die Finanzprodukte zum Zeitpunkt des Kaufs über ein ausgezeichnetes Rating verfügten.

Der Rechnungshof verweist jedoch auf eine Empfehlung des Internationalen Währungsfonds, wonach sich institutionelle Investoren „niemals zur Gänze auf die Aussagen von Ratingagenturen verlassen“ dürfen. Der Rechnungshof kritisiert weiters, dass „ein aus dem Veranlagungsbedarf und dem für den Bund tragbaren Risiko hergeleitetes Gesamtlimit für die Summe aller Veranlagungen“ gefehlt habe. Mittlerweile hat die Agentur ein derartiges Limit eingezogen.

SPÖ, Grüne, BZÖ und FPÖ schießen sich deswegen auf die Volkspartei (ÖVP) ein, weil diese im Jahr 2007 mit Wilhelm Molterer den Finanzminister gestellt hat. „Es ist unfassbar, wie unter Molterer in Casinomanier munter drauflosspekuliert worden ist“, empört sich SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer. Er forderte Molterers Nachfolger Josef Pröll (ÖVP) auf, „in seinem Haus für Ordnung zu sorgen und ein Konzept vorzulegen, wie dieser Schaden wiedergutgemacht werden kann“. Krainer will wissen, wie viele „Leichen“ es noch im Finanzministerium gebe.

Grüne attackieren Pröll

Der Finanzsprecher der Grünen, Werner Kogler, wirft Pröll sogar vor, im Parlament nicht die Wahrheit gesagt zu haben. Auf eine Anfrage der Grünen habe Pröll vor Kurzem erklärt: „Die Bundesfinanzierungsagentur betreibt eine sehr konservative Veranlagungspolitik, um die Risken für den Bund möglichst gering zu halten.“ Laut Kogler müssten Pröll zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung die drohenden Verluste klar gewesen sein, „das vorläufige Prüfergebnis des Rechnungshofs lag ihm bereits vor“.

Pröll weist die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück. „Die Verluste sind nicht realisiert.“ Er hofft, dass die Kurse der umstrittenen Papiere wieder steigen. Zudem habe die Finanzierungsagentur mit ihren Veranlagungen im Schnitt der letzten zehn Jahre einen jährlichen Gewinn von 28 Millionen Euro erzielt.

Angesichts der vom Rechnungshof besonders kritisierten Veranlagungen aus dem Jahr 2007 dürfte auch die damalige Führung der Staatsagentur Thema werden. Im Oktober 2006 hatte Finanzminister Karl-Heinz Grasser Kurt Sumper zum Ko-Geschäftsführer bestellt. Sumper ist der Cousin von Beate Sumper, der Exfreundin von Grasser. Sumper hatte im Jahr 2007 die Geschäfte mit Helmut Eder geführt. Eder ging im Vorjahr mit allen Ansprüchen in Pension.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.07.2009)

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