"So werden Elektroautos endlich wirtschaftlich"

Johann und Philipp Kreisel schrauben am Stimbo.
Johann und Philipp Kreisel schrauben am Stimbo. (c) http://mariokienberger.at
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Drei Brüder aus Oberösterreich verhelfen der Elektromobilität quasi im Vorbeigehen zum Durchbruch. Ihre Batteriesysteme sind leistungsstärker, leichter und langlebiger als alles, was bisher auf dem Markt war.

Zehn Milliarden Euro. Diese stattliche Summe will der deutsche Volkswagen-Konzern angeblich in den Bau einer eigenen Batteriefabrik für Elektromobilität stecken. Dieselskandal hin oder her – die Zukunft gehöre den Stromautos, ist man in der Wolfsburger Zentrale überzeugt. Und nicht nur dort: Rund um den Globus arbeiten die großen Fahrzeughersteller seit Jahren an einer eigenen E-Flotte. Das große Problem: Viel weiter als hundert Kilometer kommen die meisten ihrer Elektroautos noch immer nicht, bevor sie wieder an die Steckdose müssen.

Das könnte sich bald ändern. Dank dreier Brüder aus dem Mühlviertel, die etwas mehr Zeit und Geld in ihr Hobby steckten als die meisten Menschen. Die Rede ist von Johann, Markus und Philipp Kreisel und ihrem angeblichen Wunderakku für Elektroautos. Seit Wochen und Monaten pilgern Branchenkenner und Fachjournalisten ins nördliche Mühlviertel, um sich anzusehen, ob dort wirklich gerade die Elektromobilität revolutioniert wird. „Der bessere Tesla kommt aus Österreich“, schreiben manche Automagazine dann verzückt. Und tatsächlich, glaubt man den Kreisels, ist keine Batterie auf dem Markt so leicht, leistungsstark und langlebig wie ihre. Mit einem Schlag wären Elektroautos auch für größere Distanzen einsetzbar und die E-Mobilität ihrem Durchbruch einen gewaltigen Schritt näher. Aber hält das Unternehmen Kreisel Electric, was es verspricht? Oder ist auch diese Revolution schon in einem Jahr wieder Geschichte?

Vom Porsche bis zum Lastwagen. „Die Presse am Sonntag“ hat den „Tesla-Killern“ einen Besuch abgestattet. Wer die Jungunternehmer in Freistadt besucht, findet zunächst wenig, was nach ernster Konkurrenz für den Elektropionier Tesla aussieht. Die 800 Quadratmeter große Garage wirkt eher wie ein Hobbyraum für ambitionierte Autobastler. Zusammen mit 30 „alten Freunden“ bauen die Brüder hier vom Sportwagen bis zum Kleinlaster so ziemlich alles zum Elektroauto um, was vier Räder hat. Oben auf der Hebebühne baumelt ein mattgrauer Stimbo, ein Aluminiumwagen aus der Schweiz, und wartet auf seine Kreiselbatterien. Unten schiebt Philipp Kreisel, Maschinenbauer und mit 26 der jüngste Kreisel-Bruder, unter dem Beifall der Belegschaft das „schnellste Elektro-Gokart der Welt“ durch die Halle. In 3,1 Sekunden katapultierte Formel-1-Testpilot Robin Frijns den Boliden vor knapp zwei Jahren auf hundert Kilometer pro Stunde.

Geld verdienen die Oberösterreicher mit solchen Spielereien keines. Unterschätzen sollte man sie aber dennoch nicht. Denn das größte Interesse am E-Gokart zeigen an diesem Tag zwei chinesische Geschäftsmänner, die extra angereist sind, um bei einer Elektro-Rallye in Tschechien mitzufahren und die Jungunternehmer aus Österreich besser kennenzulernen. „Ein Lieferant und Kunde, der gern mehr mit uns machen möchte“, erklärt Markus Kreisel. „Und der reichste Chinese, den ich kenne.“ Der Nachsatz bleibt nicht ungehört. „What? Me?“, fragt der asiatische Partner und lacht. „Ten billions? This is nothing!“

Vor vier Jahren hätten Sätze wie diese in Freistadt noch etwas fehl am Platz gewirkt. Die Kreisel-Brüder waren damals noch Landwirte, Maschinenbauer oder Verkäufer im familieneigenen Elektrohandel. An E-Mobilität zeigte lediglich Vater Kreisel Interesse. Als örtlicher Elektrohändler wollte er den Trend nicht verpassen und legte sich einen elektrischen Renault Fluence zu. Nach der ersten eigenen Ausfahrt waren auch die Söhne überzeugt – und die jungen Kreisels bestellten das damals Beste auf dem Markt, einen Tesla. Bis nach Freistadt hat er es aber nie geschafft. „Als wir gemerkt haben, dass das ganze Geld nach Amerika geht, haben wir ihn wieder storniert“, erzählt Markus Kreisel.

Voll in 28 Minuten. Also legten die drei Brüder selbst Hand an und bauten in nur einer Woche einen Audi A4 in ein Elektroauto um. Beim Erstlingswerk war die Reichweite noch bescheiden. Doch schon für Nummer zwei entwickelten die Tüftler ein Batteriemodul, das alles Bekannte übertraf.

Aber warum schaffen drei Hobbybastler, woran die Entwicklungsabteilungen der großen Autokonzerne seit Jahren scheitern? Die Großen seien gescheitert, weil sie auf Nummer sicher gehen mussten, ist Markus Kreisel überzeugt. Sie konzentrierten sich ausschließlich auf flache Zellen, die einfach zu verbauen sind. Kreisel Electric experimentierte stattdessen mit runden Zellen, die auch Tesla-Gründer Elon Musk verwendet. Sie speichern deutlich mehr Energie als Flachzellen, sind dafür aber deutlich schwieriger zu verbauen.

Genau darin liegt die große Stärke der patentierten Kreisel-Technologie. Statt die Zellen zu verschweißen, verwenden die Mühlviertler Laser. Das verringert die Widerstände zwischen den Zellen, und mehr Energie kann genutzt werden. Und zur besseren Temperierung schwimmen die Zellen in einer speziellen Kühlflüssigkeit. Viel mehr verraten die Gründer nicht, ist es doch genau das, was „uns bei den Batteriesystemen besser macht als Tesla“, sagt Markus Kreisel. „Mit der Verbindungstechnik holen wir bis zu 15 Prozent mehr Energie aus den Batterien als Tesla.“ Herausragend sei auch die kurze Ladezeit von 28 Minuten (Vollladung) und die lange Lebensdauer von 400.000 Kilometern.

Schritt nach vorn.
Nicht nur die Gründer selbst sind überzeugt von ihrem Produkt. „Ich halte die Burschen für hoch innovativ und zielstrebig. Woran sie glauben, setzen sie um“, bestätigt Manfred Schrödl, Leiter des Instituts für Energiesysteme und elektrische Antriebe an der Wiener Technischen Universität im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Die Kühlungs- und Verbindungstechnik sei „ein klarer Schritt nach vorn für die Elektromobilität“. Werde das Kreisel-System auch auf größere Rundzellen angepasst, hält er eine Steigerung der Energiedichte von 50 Prozent für möglich. „Dann sollte die E-Mobilität endlich wirtschaftlich werden“, sagt Schrödl.

Allein wird dieses Kunststück Kreisel Electric wohl nicht gelingen. Doch an potenten Kooperationspartnern mangelt es dem Unternehmen nicht. Die engsten Kontakte werden den Oberösterreichern zum deutschen VW-Konzern nachgesagt. Immerhin zählt Škoda-Aufsichtsrat und VW-Aktionär Daniell Porsche zu den Kunden der ersten Stunde. Gut möglich also, dass VW seine eigenen Zellen in Zukunft mit der Technologie von Kreisel Electric verbinden wird.

Angesprochen auf das kolportierte Naheverhältnis mit VW werden die Unternehmer wortkarg. Fast alle Großen würden Prototypen bestellen oder in der einen oder anderen Art und Weise zusammenarbeiten wollen, sagen sie. Aber kaum ein Konzern wolle das in der Zeitung lesen. An der Euphorie der Kreisels ändert das aber nichts: Zusammen mit der Industrie werde man schon bald Elektroautos mit 300 Kilometern Reichweite um weniger als 25.000 Euro anbieten können.

Vom Start weg Gewinne. Eines ist trotz all der Heimlichtuerei klar: Für die Garage ist Kreisel Electric eine Nummer zu groß. 2017 soll die Mitarbeiterzahl vervierfacht werden. Im Nachbarort wird gerade an einem Werk für Kleinserien gebaut. Die zwölf Millionen Euro dafür hätte Kreisel Electric auch ohne Bankkredit bezahlen können. Das Unternehmen war vom Start weg in den schwarzen Zahlen. „Und das, obwohl wir die ersten Batteriesysteme viel zu billig nach Asien verkauft haben“, sagt Markus Kreisel. Dieser rasche Erfolg verstörte sogar die staatlichen Förderstellen. Es sei unglaublich mühsam gewesen, die versprochenen Subventionen für Jungunternehmer auch zu bekommen, erzählt der Betriebswirt. „Die konnten unsere Zahlen einfach nicht glauben.“

Das Unternehmen liefert neben Batterien auch komplette Fertigungslinien aus, mit denen Lizenznehmer selbst Kreisel-Akkus bauen können. Vor allem im boomenden asiatischen Markt habe man damit Erfolg. 2017 sollen dort mehr Kreisel-Autos auf der Straße sein, als Tesla bisher verkauft hat, erzählen die Gründer.

Der Zweikampf mit dem kalifornischen Konzern sei „eine Erfindung der Medien“. Dennoch können sich die Brüder manchen Seitenhieb einfach nicht verkneifen: Mitte Juni stellten sie in Berlin etwa eine Hausbatterie vor. Tesla verspricht so ein Produkt seit über einem Jahr – und brachte es erst kürzlich mit großer Verspätung auf den Markt. „Wir nennen unseren Hausakku Mavero“, sagt Markus Kreisel. „Das ist Italienisch für ,aber wahr‘. Wir gaukeln nämlich niemandem etwas vor.“

In Zahlen

20 Prozent mehr Energie als Tesla holen die Kreisel-Brüder aus ihren Akkus.

28 Minuten an der Ladestation genügen, bis ihre Batterien wieder „vollgetankt“ sind.

400 Tausend Kilometer lang soll der Akku in Summe einsatzfähig bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2016)

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