Ohne Flüchtlinge würde Arbeitslosigkeit sinken

Johannes Kopf
Johannes KopfClemens Fabry
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Der Arbeitsmarkt hätte die Flüchtlinge nicht gebraucht, sagt AMS-Chef Johannes Kopf. Er versteht, warum sie Jobs statt Schulungen fordern. Aber ohne Qualifikation bringe er keine Syrer und Afghanen unter.

Firmen klagen über Personalnot und wollen Flüchtlinge beschäftigen. Warum gelingt es Ihnen nicht, hier mehr Jobs zu vermitteln?

Johannes Kopf: Das ist schwierig, weil sie unsere Sprache nicht sprechen, die Kultur nicht kennen, ihre Ausbildungen nicht anerkannt sind und – besonders wichtig – sie über kein persönliches Netzwerk verfügen. So liegt die Arbeitslosenquote auch bei gut gebildeten Syrern in Österreich über 70 Prozent. Die Integration der Flüchtlinge ist eine Herkulesaufgabe, aber ohne Alternative. Integration ist billiger als Nichtintegration – ein Deutschkurs kostet weniger als ein Monat Mindestsicherung.

Viele Asylberechtigte beschweren sich darüber, dass sie beim AMS eben nur Kurse und keine Arbeitsplätze erhalten.

Diese Ungeduld ist verständlich. Was die Flüchtlinge wollen, ist arbeiten. Umgekehrt gibt es viele Unternehmen, die prinzipiell Flüchtlinge aufnehmen würden. Manche aus sozialen Überlegungen heraus. Andere, weil sie hoffen, so ihre Personalnot zu lindern. Aber wenn wir die Anforderungslisten bekommen, muss ich sagen: So jemanden finde ich unter meinen Arbeitslosen leider nicht.

Woran scheitert es?

Viele sind im Handwerk gut, haben aber zu wenige Maschinenkenntnisse. Die meisten sind aber in Schulung, weil es ohne Deutschkenntnisse einfach nicht geht. In Zukunft soll das besser werden, wenn schon Asylwerber in Deutschkurse geschickt werden. Bisher waren wir in der absurden Situation, dass manche Menschen nach zwei Jahren Asylverfahren im Land noch immer kein Wort Deutsch gesprochen haben. Ohne Qualifikation bringen wir Syrer und Afghanen nicht unter. Außer in ganz niederschwelligen Jobs, als Abwäscher, in der Landwirtschaft und in der Reinigung. Die Menschen machen das auch, weil sie einen hohen emotionalen Druck haben, Geld nach Hause zu schicken. Für uns ist es dann eben schwer zu erklären, warum es vielleicht besser wäre, eine Lehre zu machen.

Weil sie in der Lehre weniger verdienen.

Wir kennen Fälle, in denen Menschen während des Asylverfahrens eine Lehre begonnen haben. Sobald sie asylberechtigt waren, haben sie sofort als Hilfsarbeiter begonnen. Ihre Rechnung ist einfach: Lehre bringt 400 Euro, der Hilfsarbeiterjob 1000 Euro. Man kann niemandem einen Vorwurf machen, aber wir müssen gegensteuern, denn wir brauchen qualifizierte Arbeitskräfte. Vor allem die Syrer haben gute Qualifikationen mitgebracht. Wenn wir die brachliegen lassen und sie nur schnell in miese Jobs bringen, wird die Integration nicht funktionieren. Aber es stimmt: Die Leute wollen arbeiten und wir bieten ihnen Ausbildungen an.

Die Arbeitswilligkeit der Flüchtlinge ist hoch, sind damit auch ihre Chancen im Vergleich zu anderen Problemgruppen höher, mittelfristig auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen?

Da kann man sehr viel falsch machen. Am schlechtesten ist langes Nichtstun. Und das entsteht durch lange Asylverfahren. Wir fordern daher, dass Jugendliche mit Chance auf Asyl während der Verfahren mit einer Lehre beginnen können. Eine deutsche Schätzung sagt, dass nach fünf Jahren 50 Prozent der Asylberechtigten voll in den Arbeitsmarkt integriert sein können. Aber das kostet ein Geld.

Und klingt immer noch nicht nach viel.

Auch bei Österreichern haben wir nur eine Beschäftigungsquote von 75 Prozent. Zu glauben, dass Flüchtlinge unser demografisches Problem lösen, ist Unsinn. Der Arbeitsmarkt hätte keine Flüchtlinge gebraucht. Der normale Zuzug aus dem EU-Ausland genügt hier. Die kommen nur, wenn sie schon einen Job haben. Flüchtlinge kommen und sind arbeitslos. Aber es ist teurer, sie im Sozialsystem hängen zu lassen.

Welchen Einfluss haben die Flüchtlinge auf die stark gestiegenen Arbeitslosenzahlen?

Die Arbeitslosigkeit steigt heuer langsamer als prognostiziert. In einem Monat hatten wir weniger neue Arbeitslose als Flüchtlinge auf Jobsuche. Man könnte sagen, die Arbeitslosigkeit wäre ohne Flüchtlinge nicht gestiegen. Die relativ gute Entwicklung hat aber zwei Gründe: Erstens glaube ich, dass das Wirtschaftswachstum höher ist, als die Ökonomen sagen. Zweitens sind die Flüchtlinge aufgrund der langen Asylverfahren noch nicht voll im Arbeitsmarkt angekommen. Wir stehen bei 14.000 Flüchtlingen aus den vergangenen zwei Jahren. Erwartet wurden nur heuer 30.000. Das geht sich nicht mehr aus.

Steckbrief

Johannes Kopf
ist – gemeinsam mit Herbert Buchinger – seit 2006 Vorstand des Arbeitsmarktservice (AMS). Davor war der Jurist im Kabinett von Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP).

Clemens Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2016)

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