Felderer: „Die Steuerschraube ist jetzt schon deutlich überdreht“

President of the Austrian Fiscal Advisory Council Felderer addresses a news conference in Vienna
President of the Austrian Fiscal Advisory Council Felderer addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Der Politikliebling. Das Steuersystem in Österreich gehöre dringend reformiert, sagt Bernhard Felderer: „Wir haben eine verrückte Besteuerung.“

Wien. Bernhard Felderer ist der Elder Statesman unter den österreichischen Ökonomen. Er bekleidet sogar das entsprechende Amt: Als Präsident des Fiskalrats wird er gern „oberster Schuldenwächter“ genannt. In der Realität ist seine Macht aber gering: Der Schuldenstand befindet sich auf einem Rekordhoch, trotz der mahnenden Worte des Professors.
Der ehemalige IHS-Chef war im vergangenen Jahr trotzdem der politisch einflussreichste Ökonom – auch wenn er es gar nicht so recht glauben mag: „Die Politiker hören selten auf mich. Die Ideen, denen ich anhänge, sind in den letzten zehn Jahren häufig verletzt worden“, sagt Felderer.
Das Ranking von „Presse“, „Frankfurter Allgemeinen“ und „Neuen Zürcher Zeitung“ hat dennoch Wirkung gezeigt. Heuer liegt bereits die dritte Auflage dieser Hitparade der einflussreichsten Ökonomen vor. „Die wirtschaftspolitische Debatte in Österreich wird heute mit mehr wissenschaftlichem Sachverstand geführt als noch vor Einführung des Rankings“, sagt Tobias Thomas, Forschungsdirektor bei Media Tenor International.
Seit dem ersten Ranking im Jahr 2014 hat sich auch die Anzahl der Ökonomen, die sich qualifizieren konnten, mehr als verdoppelt. Hatten 2014 nur 17 Wirtschaftswissenschaftler die Kriterien erfüllt, so waren es heuer schon 36. Felderer landet zum ersten Mal auf einem Spitzenplatz: „Er hat sich von Jahr zu Jahr in der Politikumfrage verbessert und Stephan Schulmeister auf Rang eins abgelöst“, sagt Thomas.

„Zinsen können steigen“

Eigentlich ein Wunder. Der 75-jährige gebürtige Kärntner gehört in der Republik sozusagen zum Inventar. Als junger Mann hatte er in Wien Jus studiert, bevor er sich in Paris der Ökonomie widmete. Es folgten lehrreiche Jahre unter dem damals bereits berühmten Österreicher Fritz Machlup an der Uni Princeton.
Nach einigen Stationen in Deutschland und einem Zwischenstopp in der damaligen Sowjetunion (Novosibirsk und Moskau), führte es Felderer 1991 wieder zurück nach Wien. Bis 2012 war er dann 21 Jahre lang Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS). In Sachen Politikeinfluss hat er schon bessere Zeiten gesehen: „Ich kann mich gut an den Bundeskanzler Franz Vranitzky erinnern. Ich war oft bei ihm. Das war eine andere Atmosphäre.“ Heute seien die Politiker oft der Meinung, Geld sei uneingeschränkt vorhanden. Da helfen die extrem niedrigen Zinsen natürlich nicht, die Österreich berechnet werden. „Aber Zinsen können eben auch wieder steigen“, sagt Felderer: „Wir denken heute zu viel über Verteilungsgerechtigkeit nach – und zu wenig darüber, wo das Geld eigentlich herkommen soll.“
Die Steuern könnten keineswegs weiter steigen. Im Gegenteil: „Wir haben eine verrückte Besteuerung, die Steuerschraube ist jetzt schon deutlich überdreht.“ Dem Land stellt er deswegen kein perfektes Zeugnis aus: „Wir sind nicht dort, wo wir eigentlich sein sollten, angesichts der guten Unternehmer und Manager im Land.“ Anders als etwa Italien oder Frankreich müsste man in Österreich auch nicht sofort den Arbeitsmarkt reformieren – wohl aber das Steuersystem.

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