Ex-OMV-Boss: "Die Taktik dahinter ist leicht erkennbar"

Gerhard Roiss
Gerhard RoissAkos Burg
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Der frühere OMV-Boss Gerhard Roiss nimmt erstmals nach seinem Ausscheiden zur Kritik an seiner Unternehmensführung Stellung.

Die Presse: Im Juni 2015 schieden Sie aus der OMV aus und waren seitdem zu keinem Interview bereit. Selbst als Sie Ihr Nachfolger, Rainer Seele, für Ihre unternehmerischen Entscheidungen kritisierte, schwiegen Sie. Warum sprechen Sie gerade jetzt?

Gerhard Roiss: Ich wollte eigentlich schon vorm Sommer ein Interview geben und einige Dinge klarstellen. Der Finanzskandal rund um den ehemaligen Vizepräsidenten des OMV-Aufsichtsrats Khadem al-Qubaisi hat mich wieder daran erinnert.

Anstehende Gespräche der Gazprom mit Kanzler Christian Kern haben damit gar nichts zu tun?

Ich wüsste nicht was.

Die Geschicke der OMV haben Sie sicher auch im vergangenen Jahr weiterhin genau verfolgt.

Natürlich habe ich das, schließlich halte ich noch immer ein beträchtliches Aktienpaket an der OMV.

Ihr Nachfolger hält den Konzern, so wie Sie ihn übergeben haben, für kein Erfolgsmodell.

Ich habe das Unternehmen Mitte 2015 mit einem Halbjahresergebnis von 450 Mio. Euro Gewinn bei einem Ölpreis von 52 Dollar verlassen. Zudem hatte ich bereits damals auf den niedrigen Ölpreis mit der Implementierung des Kostensenkungsprogramms Fit for Fifty reagiert, um das Unternehmen unter solch schwierigen Bedingungen konkurrenzfähig zu halten. Auffällig war für mich, dass die Kritik erst begann, als das Russland-Engagement hier auf heftigen Widerstand stieß, also ein halbes Jahr nach meinem Ausscheiden aus der OMV. Die Taktik dahinter ist leicht erkennbar: Zuerst redet man das Unternehmen kaputt, um dann den Russland-Swap als Rettung für die OMV zu verkaufen.

Wie finden Sie die neue OMV- Strategie, sich künftig enger an Russland binden zu wollen?

Ich setze mich nicht mit den Aktivitäten meines Nachfolgers auseinander – dazu gibt es einen Aufsichtsrat.

Allein die Beteiligung am Gasfeld Urengoj soll dem Konzern 600 Millionen Fass Reserven bringen, ein überzeugendes Argument für dieses Projekt.

Das ist eine faszinierend hohe Zahl – man sollte hier aber dazusagen, dass 400 Mio. Fass dem russischen Inlandsgas zuzurechnen sind und lediglich 200 Mio. eine Werthaltigkeit haben, die vergleichbar mit anderen Reserven des Unternehmens ist. Aber noch einmal: das Projekt in seiner gesamtwirtschaftlichen Bedeutung zu beurteilen ist nicht meine Aufgabe. Allerdings, den Ansatz, ohne einen Plan B oder Alternativen zu agieren, halte ich nicht für sehr verantwortungsbewusst.

Wieso glauben Sie, dass nur 200 Mio. Fass werthaltig sind? Sind diese Zahlen auch dem Aufsichtsrat bekannt?

Weil zwei Drittel von den 600 Mio. Fass zum russischen Inlandspreis verkauft werden müssen und daher nicht der Weltmarktpreis relevant ist. Zur zweiten Frage: Das nehme ich wohl an.

Zu Ihrer Verantwortung: Die OMV leidet heute an einer hohen Konzernverschuldung und an schwindenden Reserven. Diesen Fakten müssen Sie sich stellen.

Damit habe ich kein Problem. Ich bin im April 2011 OMV-Chef geworden. All meine Entscheidungen basierten immer auf Zahlen und Fakten. Zunächst zu den Schulden: 2011 betrug der Verschuldungsgrad 34 Prozent und 2014, dem letzten vollen Geschäftsjahr meiner Verantwortung als CEO, belief er sich ebenfalls auf 34 Prozent, und das, obwohl wir Investitionen von vielen Milliarden Euro getätigt haben.

Aber die Reserven gingen zurück.

Zu den Öl- und Gasreserven, die angeblich wie Schnee in der Sonne schmelzen: Auch diese Behauptung hätte man in den Geschäftsberichten überprüfen können. Im Jahr 2012 betrugen die sicheren Reserven 1,11 Mrd. Fass und im Jahr 2014 1,09 Mrd. Das ist ein Minus von gerade einmal 1,8 Prozent.

Der OMV-Vorstand kündigte an, künftig keine fremdfinanzierten Dividenden mehr auszuzahlen – anders als das unter Ihrer Leitung der Fall war.

Aber 2015 wurde trotz Verlust eine Dividende ausgeschüttet. Diese Vorgangsweise kommentiert sich selbst. Zur Klarstellung: In den drei Jahren, in denen ich ganzjährig als OMV-Vorstandsvorsitzender tätig war, haben wir - trotz Rekordinvestitionen - in Summe keine ‚Dividende auf Pump’ gezahlt, sondern vielmehr ein positiven Free Cash flow von in Summe von 45 Mio. Euro erwirtschaftet, und zwar nach Dividendenausschüttung. In diesen drei Jahren wurde ein Gewinn von durchschnittlich von 2,25 Mrd. Euro pro Jahr erzielt.

Zu Norwegen: Die Felder dort haben Sie viel zu teuer gekauft, wie auch die milliardenschweren Abschreibungen der OMV im vergangen Jahr zeigen.

Alle Ölgesellschaften waren bei einem Ölpreis von 35 Dollar gezwungen, ihre Portfolios erheblich wertzuberichtigen. Jene der OMV im Bereich Upstream betrugen 2015 2,45 Mrd. Euro. Dabei handelt es sich um solche von Investitionen, die großteils fünf bis zehn Jahre zurückliegen. Die Wertberichtigung an der heftig kritisierten Investition in Norwegen betrug hingegen 205 Mio. Euro. Das heißt, lediglich 8,4 Prozent der Wertberichtigung stammen aus norwegischen Feldern, die 21 Prozent der OMV-Gesamtproduktion darstellen. Das sind 65.000 Fass pro Tag. Norwegen ist eben doch ein werthaltiges Asset.

Aber die Förderkosten sind enorm.

Dennoch: Die Entscheidung, dort zu investieren, halte ich auch heute noch für richtig. Es war und ist wichtig, in politisch stabile Regionen zu investieren, um dem Versorgungsauftrag für Öl und Gas in Europa nachzukommen. Sollte die OMV beim bevorstehenden Asset Swap keine Anteile abgeben, könnte Norwegen mit einem Viertel der Gesamtproduktion ein stabiles Rückgrat der OMV bilden. Schon heute ist die Förderung in Norwegen wohl der mit Abstand größte Cashflow- Bringer im Produktionsportfolio der OMV. 

Sie kommen nicht darum herum: Die Produktionskosten der OMV bei der Förderung von Öl und Gas liegen wesentlich über jenen der Mitbewerber.

Das stimmt, vor allem seit der Übernahme der rumänischen Petrom im Jahr 2004. Zwei Drittel fördert die OMV aus sehr alten Feldern, die wesentlich teurer in der Produktion sind. Trotzdem erzielten wir dort in den vergangenen Jahren einen Gewinn von einer Mrd. Euro, weil wir zwar hohe Produktionskosten, aber eine entsprechend geringe Steuerbelastung haben. In Ländern wie in Abu Dhabi oder Pakistan ist das genau umgekehrt. Unterm Strich kommt es aber nur auf die Marge an.

Hätten Sie nicht schon 2014 allein aufgrund der Ölpreisschwäche höhere Wertberichtigungen vornehmen müssen?

Wertberichtigungen im Upstream-Bereich orientieren sich international an den kurz- und langfristigen Ölpreisprognosen. Berichtigungen wurden in der Vergangenheit bei Bedarf auch vorgenommen.

Welche Ihrer Entscheidungen waren rückblickend ein Fehler?

Ein Ölpreis von 50 Dollar erfordert andere Investitionsentcheidungen als einer von 100 Dollar. Das gilt aber für die gesamte Ölindustrie.

ZUR PERSON

Gerhard Roiss wurde 1952 geboren. Er war von 1997 an Mitglied des Vorstands des Mineralölkonzerns OMV. Im April 2011 übernahm er den Vorsitz und folgte damit Wolfgang Ruttenstorfer. Im Juni 2015 schied er nach konzerninternen Auseinandersetzungen aus seiner Funktion aus, nachdem noch im Herbst 2013 sein Vertrag bis 2017 verlängert worden war.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)

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