Alles, nur kein Schönwetter

Regenschirme en masse: Gordana und Robert Suchanek in ihrem Schirmfachgeschäft Brigitte im ersten Bezirk.
Regenschirme en masse: Gordana und Robert Suchanek in ihrem Schirmfachgeschäft Brigitte im ersten Bezirk.(c) Die Presse/Clemens Fabry
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Robert und Gordana Suchanek führen das letzte Regenschirm-Fachgeschäft in der Stadt. Hier kann man seine Schirme aber auch neu bespannen und reparieren lassen.

Am allerliebsten ist es Robert Suchanek, wenn es morgens trocken und schön ist und im Laufe des Vormittags der Regen einsetzt. Was für alle, die – ohne Regenschirm – unterwegs sind, eher mühsam ist, ist für Suchanek gut fürs Geschäft, sehr gut sogar: Dann kommt es nämlich zu vielen Spontankäufen, weil man den eigenen Regenschirm zu Hause vergessen hat.

„Verlegenheitsschirme“ nennt er diese Käufe, und noch während er davon berichtet, stürmt ein älterer Herr in Suchaneks Schirmfachgeschäft namens Brigitte, um sich – draußen hat es eben begonnen zu nieseln – auf die Schnelle einen Schirm zu kaufen. Groß soll er sein, dunkel die Farbe und mit Automatik, bitte. Ein solcher ist schnell gefunden, mit einem Preis von 26,80 Euro hat sich der Mann für ein eher günstiges Modell entschieden.

Das sei typisch für die ungeplanten Käufe, erzählt Suchanek. Wer auf Qualität setzt und einen langlebigeren Schirm möchte, muss deutlich mehr dafür bezahlen als für die, wie Suchanek sagt, „billige Fernostware“. Die hat er zwar in seinem Schirmfachgeschäft Brigitte, das er gemeinsam mit seiner Frau Gordana vor zwölf Jahren übernommen hat, auch im Sortiment, der Fokus liegt aber klar auf den teureren und qualitativ hochwertigen Regenschirmen. Die bekommt man in Wien sonst auch gar nicht mehr so leicht: Suchaneks Brigitte ist das letzte reine Schirmfachgeschäft in Wien, wenn auch die Zahl der Schirmverkäufer – von Supermarkt bis Taschengeschäft – insgesamt nicht niedrig ist.

Die Geschichte von Suchaneks Laden ist eine lange: 1917 hat am heutigen Standort gleich beim Wiener Schwedenplatz die Firma Benesch mit der Herstellung von Regenschirmen begonnen, gleichzeitig wurde auch ein Geschäft eröffnet. Bald wuchs das Unternehmen, zeitweise gab es vier weitere Filialen, die heute längst geschlossen haben. Der Standort am Franz-Josefs-Kai wurde zuletzt von Suchaneks Tante und Onkel geführt. Als sie in Pension gingen, entschloss sich Suchanek, das Geschäft zu übernehmen.

Längst gibt es auch den Lehrberuf des Schirmherstellers nicht mehr, „das Wissen wird mündlich von Generation zu Generation weitergegeben“, erzählt Suchanek. Bevor er das Geschäft übernommen hat, hat er aber bei der Firma Doppler in Oberösterreich – dem wohl bekanntesten heimischen Hersteller von Regenschirmen mit Sitz in Braunau – das nötige Know-how gelernt. Wie bespannt man einen Schirm? Welche Materialien gibt es? (Weit mehr, als man als Laie vermuten würde!) Wie repariert man Schäden?

Denn auch, wenn die meisten Menschen ihre (Billig-)Schirme, „die beim Wiener Wind schnell kaputtgehen“, entsorgen: Im Fachgeschäft „Brigitte“ kann man Schirme auch reparieren lassen, was sich freilich nur bei teureren Modellen auszahlt. Eine neue Bespannung kostet 50 Euro oder mehr, kleinere Reparaturarbeiten sind wesentlich günstiger, oft sind sie auch in der Garantie inkludiert, oder Suchanek nimmt sie kostenlos vor, „als Kundenservice, das ist die beste Werbung, und dafür ist ein Fachgeschäft ja auch da“.

Falsche Handhabung. Und auch dafür, die richtige Handhabung der Schirme zu erklären, denn, sagt Suchanek, „an 60 Prozent der Schäden an Schirmen sind die Leute selbst schuld“. Weil sie den Schirm zu rasant öffnen etwa. Egal ob mit Automatik oder per Hand – Suchanek empfiehlt, den Schirm zuerst ein Stück weit herauszuziehen, ihn „aufzulockern“ (leicht hin- und herzuschütteln), bevor man ihn (sachte) aufspannt. So bleiben etwa die Stahlschienen länger intakt.

Grob unterscheidet man zwischen Stockschirmen (also den großen) und Taschenschirmen, die im Volksmund gerne als „Knirps“ bezeichnet werden, auch wenn Knirps nur der Markenname des bekanntesten Herstellers ist. Das „Tixo“-Phänomen sozusagen. Knirps ist, nebenbei bemerkt, ein österreichisches Produkt, die Marke gehört seit 2006 zum Doppler-Konzern. Der Großteil der Ware im Brigitte-Laden stammt von Doppler, die Auswahl ist erstaunlich groß. Da gibt es die Ecke mit den Herrenschirmen, die farblich dezenter sind als die Modelle für Frauen. Allein die Varianten beim Griff – Rundhaken oder Knauf – sind fast unüberschaubar: Griff (und Stock) gibt es in diversen Holzarten, von Haselnuss bis Kastanie. Am häufigsten sind Stahlstöcke, Holz wirkt freilich wesentlich edler. Auch bei den Damenmodellen gibt es diverse Modelle, darunter sehr, sehr kleine, die sogar in schmale Handtaschen passen. Bei den Stoffen gibt es die Polyester-Varianten, aber auch solche mit Baumwolle, Letztere trocknen schneller.

Neben Regenschirmen – es gibt sogar Spazierstöcke mit integriertem Schirm – führen die Suchaneks auch zahlreiche Regenjacken, spezielle für Radfahrer (mit Sichtfenster) oder Wanderer etwa. Ein weiteres Standbein sind Handschuhe, da geht das Geschäft aber zurück, „weil die jungen Leute viel seltener Handschuhe tragen“.

Sonst könne er nicht klagen, solange es regelmäßig regnet, läuft das Geschäft. Trockene Phasen wirken sich sofort negativ auf den Umsatz aus. Hoffen auf Schlechtwetter also.

Info

Schirmfachgeschäft Brigitte. 1., Franz-Josefs-Kai 27. Geöffnet Mo bis Fr: 9–13 und 14–18 Uhr, Sa: 9–13 Uhr. schirmebrigitte.at

1917 eröffnete der Schirmhersteller Benesch an diesem Standort seine Werkstatt samt Geschäft, später gab es in Wien vier weitere Filialen.

Heute gibt es nur noch den Standort am Franz-Josefs-Kai, der von Robert und Gordana Suchanek seit zwölf Jahren geführt wird. Neben dem Verkauf von Schirmen, Regengewand und Handschuhen können hier auch alte Schirme repariert werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2016)

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