Der Pensionstrick der Krankenkassen

Sozialminister Alois Stöger.
Sozialminister Alois Stöger.(c) Stanislav Jenis
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Damit kleine Krankenkassen überleben können, bekommen diese immer mehr Geld vom Staat. Laut Sozialminister Stöger geht es um Zuschüsse in Milliardenhöhe.

Wien. Der Steuerzahler steckt immer mehr Geld in das österreichische Gesundheitssystem, damit zersplitterte Strukturen aufrechterhalten werden können. Das geht aus einer Anfragebeantwortung von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hervor. Die Zuschüsse werden teilweise willkürlich über sogenannte Hebesätze festgelegt. Zuletzt lag der Gesamtbetrag, der so aus dem Budget zu den Krankenkassen geflossen ist, bei 1,6 Milliarden Euro, zeigen die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger stammenden Daten.

Hintergrund ist die Krankenversicherung von Pensionisten. Derzeit liegt ihr Krankenversicherungsbeitrag bei 5,1 Prozent. Die Beiträge werden von den Pensionsversicherungsträgern an die Krankenkassen überwiesen. Da Pensionisten keinen Dienstgeber haben, zahlt der Bund über die Pensionsversicherung auch einen fiktiven Dienstgeberanteil an die Krankenversicherung, den erwähnten Hebesatz. Jedes Jahr fließt aus diesem Titel mehr Geld in die Aufrechterhaltung des Systems. Mit der Überalterung der Bevölkerung wird sich die Situation weiter zuspitzen.

Massive Ungleichbehandlung

„Wenn es einer Krankenkasse finanziell schlecht geht, werden einfach per Gesetz die Hebesätze geändert. Und schon bekommt die Kasse vom Staat mehr Geld“, kritisiert Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer im „Presse“-Gespräch. Kleinere Krankenkassen mit besonders vielen Pensionisten und im Verhältnis wenigen Aktiven wie die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wären laut Pichlbauer ohne die Hebesätze nicht überlebenfähig.

So lag 2015 der Hebesatz für ASVG-Pensionisten bei 180 Prozent. Das bedeutet, dass Pensionisten selbst 100 Prozent zahlen und der Staat 80 Prozent zuschießt. Die Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau (VAEB) kam auf einen Hebesatz von 310 Prozent, und in der Sozialversicherungsanstalt der Bauern (SVB) waren es 397 Prozent. Ein Sonderfall sind die Beamten, bei denen es andere Finanzierungsströme und daher keine vergleichbaren Daten gibt.

Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker wollte von Sozialminister Stöger wissen, warum die Hebesätze so unterschiedlich ausfallen. „Stöger hat in einer Anfragebeantwortung zugegeben, dass dahinter keine Logik steckt“, sagt Loacker.

Die willkürlich festgelegten Zuschüsse lassen für ihn nur eine Schlussfolgerung zu. Manche Krankenkassen würden sich auf Kosten der Steuerzahler bereichern, so Loacker. Zu den privilegierten Krankenkassen mit hohen Hebesätzen gehören laut Loacker neben der Sozialversicherungsanstalt der Bauern die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, die Versicherungsanstalt für Eisenbahn und Bergbau sowie die Betriebskrankenkassen.

Unterschiede bei Leistungen

Die Gebietskrankenkassen erhalten für jeden Pensionisten deutlich geringere Zuschüsse vom Staat, was eine massive Ungleichbehandlung darstellt. Problematisch ist für Loacker außerdem, dass jene Krankenkassen, die höhere Hebesätze haben und sich somit auf Kosten des Steuerzahlers besserstellen können, den Versicherten teilweise auch bessere Leistungen bieten.

Ob bei Kontaktlinsen, Schutzimpfungen, Zahnersatz, Hörgeräten oder Elektrorollstühlen: Derzeit gibt es bei den Leistungen der Krankenkassen Unterschiede von bis zu 100 Prozent, wie „Die Presse“ im August berichtete. Schon seit Jahren wird in Österreich über eine Zusammenlegung der vielen Sozialversicherungsträger diskutiert. Auch die jetzige Regierung hat dazu eine Effizienzstudie in Auftrag gegeben. Dazu wird das System gerade von Experten der renommierten London School of Economis durchleuchtet. Als Ziel gab Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) vor, die Anzahl der Sozialversicherungsträger zu reduzieren. Zudem soll die Organisation der Gebietskrankenkassen hinsichtlich möglicher Einsparungen durchleuchtet werden.

„Doch große Reformen werden vermutlich ausbleiben“, meint Gesundheitsökonom Pichlbauer. Seiner Ansicht nach sei beispielsweise nicht zu erwarten, dass die ÖVP einer Reduktion der Staatszuschüsse für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern zustimmen wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2016)

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