Was wäre wenn? Die fatalen Folgen eines Öxit

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Ein Austritt Österreichs aus der EU und eine Rückkehr zum Schilling wären ein gewaltiges Verlustgeschäft, rechnet Ex-IHS-Chef Keuschnigg vor.

Wien. Die FPÖ-Granden liebäugeln immer wieder damit: einem Austritt Österreichs aus der Europäischen Union. Er würde zwangsläufig auch den Ausstieg aus dem Euro bedeuten. Der frühere IHS-Chef Christian Keuschnigg, heute Professor in St. Gallen und Leiter des WPZ (Wirtschaftspolitisches Zentrum), hat mit dem nüchternen Blick des Ökonomen die Folgen einer solchen Entscheidung durchgespielt. Was gar nicht so schwer ist. Denn wie sich der EU-Beitritt Österreichs von 1995 bis heute ausgewirkt hat, ist in vielen Studien gut belegt. Diese Effekte würden bei einem harten Öxit, bei dem der Aussteiger den Zugang zum Binnenmarkt verliert, vollständig rückabgewickelt.

Zwar könnte sich der Staat die Nettobeitragszahlungen nach Brüssel sparen. Sie machen mit 1,24 Mrd. Euro jährlich knapp 0,4 Prozent des BIPs aus. Dem steht aber gegenüber, wie die Mitgliedschaft die wirtschaftliche Entwicklung befeuert hat: In den Jahren nach dem Beitritt fiel das Wachstum im Schnitt um 0,5 Prozenpunkte höher aus (am Anfang mehr, später weniger). Damit hat das Land heute ein Wohlstandsniveau, das dauerhaft um 7,2 Prozent des BIPs höher ausfällt, als hätte es auf den Beitritt verzichtet. Das ist das 19-Fache des Nettobeitrags. Anders gesagt: Die Investition verzinst sich mit 1900 Prozent – eine phänomenale Rendite, wie Keuschnigg betont. Das würde sich bei einem Öxit in einem langsamen Anpassungsprozess umkehren – bis Österreich am Ende deutlich ärmer, weniger produktiv und mit weit mehr Arbeitslosen dastünde.

Weniger Autonomie bei Efta-Variante

Wie kommt es aber zur hohen Rendite? Durch den Binnenmarkt fallen Zölle und Handelsbarrieren weg, wie gesonderte Genehmigungen, Sicherheitsvorschriften und Kennzeichnungspflichten. So haben auch kleinere Unternehmen die Chance, neue Märkte zu betreten. Bei Importwaren sinken die Preise (das Preisniveau wäre heute ohne EU-Mitgliedschaft nach Modellrechnungen um bis zu zwei Prozent höher). Das stärkt die Kaufkraft und löst zusätzliche Nachfrage aus.

Viel wichtiger sind aber dynamische Effekte: Der Schwerpunkt verlagert sich zu den Exporteuren, für deren hoch spezialisiertes Angebot der Heimmarkt viel zu klein wäre. Ihre Unternehmen sind im Vergleich zur Binnenwirtschaft um zwei Drittel produktiver, sie investieren um 77 Prozent mehr und zahlen um 23 Prozent höhere Löhne. Dazu kommen Töchter multinationaler Konzerne, die besonders forschungsintensiv sind. Der kleine Inlandsmarkt ist für sie kaum interessant. Sie kommen aus anderen Gründen – und gehen, wenn der Zugang zum Binnenmarkt wegfällt.

Geringer wäre der Schaden, wenn Österreich ersatzweise der Efta beitritt und sich so den Zugang zum Binnenmarkt bewahrt. Aber auch dann wäre mit einem Verlust von ein bis zwei Prozentpunkten des BIPs zu rechnen. Wie im Fall Großbritanniens gilt: Beiträge wären trotzdem weiter zu zahlen. Der Abtrünnige verliert jedes Mitspracherecht, muss in dieser Variante aber alte und neue Regeln befolgen. Wie den freien Personenverkehr: Auf ihn kann zumindest die Eurozone nicht verzichten – die Währungsgemeinschaft braucht ihn, um sich an unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen ihrer Mitglieder anzupassen. Ähnlich stünde es um die Geldpolitik: Österreich wäre gezwungen, den Euro aufzugeben und zum Schilling zurückzukehren. Zu großen Verwerfungen durch Auf- oder Abwertungen müsste das gar nicht führen, weil die Ungleichgewichte gegenüber dem Schnitt der Eurozone aktuell gering sind. Aber wie sähe eine autonome Geldpolitik aus? Die Nationalbank könnte sich nur am bei Weitem größten Handelspartner Eurozone orientieren. Wie früher bei der Bindung an die D-Mark müsste sie jedes Inflationsziel und jede Leitzinsänderung übernehmen, ohne sie mitbestimmen zu können. Und solange die Investoren der Stabilität der neuen Währung nicht voll vertrauen, wären auch die Risikoaufschläge für Schulden höher.

Der einzige Vorteil eines harten Öxit: Österreich könnte einen Teil der Zuwanderung wieder eigenständig steuern. Aber wäre mit einem Stopp der Personenfreizügigkeit etwas gewonnen? Im Gegenteil, argumentiert Keuschnigg. Denn wer aus anderen EU-Staaten kommt, ist im Schnitt besser ausgebildet als die Österreicher selbst – bei Bürgern aus den alten EU-Staaten deutlich, bei solchen aus Osteuropa leicht (siehe Grafik). Was zwangsläufig bedeute, dass sie in Summe positiv für den Arbeitsmarkt sind. Wenn es im Niedriglohnbereich Verdrängung gibt, sind davon meist schlechter Qualifizierte aus Drittstaaten betroffen. Sicher gehören auch einige Einheimische zu den Verlieren. Aber dem steht – schwer quantifizierbar – gegenüber, was die vielen hoch Qualifizieren aus allen EU-Staaten der heimischen Volkswirtschaft bringen. Auch mehr Jobs. Die dann auf dem Spiel stehen, wenn Österreich die Grenzbalken wieder hochzieht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2016)

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