Moskau schloss 300 Banken

Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina räumt im männerdominierten Sektor auf.
Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina räumt im männerdominierten Sektor auf. (c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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Russlands Zentralbank räumt in der Branche auf. Die gesunden Geldinstitute machen nach einem Katastrophenjahr wieder Gewinne.

Wien. Eine der Methoden von Kremlchef Wladimir Putin, sein hohes Rating im Volk zu halten, sind regelmäßige Verbalohrfeigen für Topbeamte. Auch Zentralbankchefin Elvira Nabiullina entgeht ihnen nicht. Eigentlich mache die Zentralbank, seit Nabiullina 2013 das Ruder übernahm, ja alles richtig, so Putin im Oktober: Doch hätte sie alle Schritte früher setzen müssen. „Aber besser später als nie.“

Putin spielte auf die Konsolidierung des zersplitterten russischen Bankenmarktes an. Diese sei ein allgemeiner Trend. „Russland ist in diesem Sinn keine Ausnahme.“
Das stimmt so nicht. Allein vom Ausmaß her steht Russland hier einzigartig da. Seit 2013 hat die Zentralbank 294 Banken die Lizenz entzogen, davon heuer 80. Die Gründe: Das Kapital war zu gering, Kredite wurden zu unvorsichtig vergeben oder gar Geld gewaschen. Damit ist die Bankenanzahl um etwa ein Drittel auf nun gut 600 geschrumpft.

Elvira Nabiullina räumt auf. Sie „leistete eine fantastische Arbeit“, sagte Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds, am Wochenende zu Putin. Nabiullina selbst spricht von einer „Befreiung von schwachen Spielern“.

In der Tat hat es nicht systemrelevante Geldhäuser getroffen. Den Ton im Sektor geben ohnehin nur wenige Banken an: So vereinen die fünf größten Banken 56,6 Prozent und die ersten 20 Banken drei Viertel der gesamten Bilanzsumme auf sich, so die Nationale Ratingagentur NRA in einer Analyse.

Anzeichen der Stabilisierung

Dennoch steigt Nabiullina bei der Durchforstung vorerst weiter aufs Gas und will die Hauptarbeit bis Mitte 2017 abschließen. Außerdem baut sie im Moment auch die Bankenaufsicht fundamental um.Was das Bankgeschäft selbst betrifft, so trägt es – gleich wie die Gesamtwirtschaft – nach dem Katastrophenjahr 2015 Anzeichen einer Stabilisierung. Gerade die Konsumenten greifen wieder vermehrt zu Krediten, obwohl sie sie teuer zu stehen kommen, weil vorerst keiner unter elf Prozent zu haben ist.Dennoch ist Putin unzufrieden: „Das Banksystem ist irgendwie sehr passiv und kreditiert die Wirtschaft nicht angemessen“, klagte er gegenüber Lagarde und fragte sie um Rat, den sie ihm freilich nicht erteilen konnte.
2015, als das BIP um 3,7 Prozent schrumpfte, war der Gewinn auf dem gesamten Sektor um zwei Drittel eingebrochen, nachdem im Dezember 2014 ein großflächiger Bankrun und ein Zusammenbruch der Branche in letzter Minute abgewendet werden konnte.

Inzwischen ist für 2017 ein leichtes BIP-Wachstum prognostiziert, der Rubel konnte sich leicht erholen. Die Zentralbank hat den Leitzins im September auf nunmehr immerhin 10,0 Prozent gesenkt.

Gebete an Götter

Sie hätte viel Spielraum für weitere Zinssenkungen, sei aber übervorsichtig, da sie das für 2017 gesteckte Inflationsziel (vier Prozent) schnell erreichen wolle, sagte Alexej Uljukajew vorvorige Woche – wenige Tage vor seiner Festnahme und Entlassung als Wirtschaftsminister – zur „Presse“: „Das kommt uns teuer zu stehen.“ Auch die Banker können eine weitere Senkung nicht erwarten. Er unterstütze die Zentralbank in fast allem, so Andrej Kostin, Chef der zweitgrößten Bank VTB, im Sommer: „Aber jedes Mal vor dem Aufsichtsrat (der Zentralbank) blicke ich zum Himmel und sage zu den Mitgliedern des Aufsichtsrates wie zu griechischen Göttern ,Bitte senkt den Leitzins!‘ Die Götter erhören es, aber nicht sehr.“

Kostins Gebete sind verständlich. Die Senkung des Leitzinses um nur einen Prozentpunkt würde der Bank ein Zusatzplus von 30 Mrd. Rubel (436 Mio. Euro) bringen, so VTB-Finanzchef Herbert Moos.

Aber auch so machen die Banken wieder mehr Gewinne als von Analysten erwartet. So liegt die VTB – nach einem Verlust 2015 – nun in den ersten neun Monaten mit 34,1 Mrd. Rubel im Plus.

Der staatliche Branchenprimus Sberbank, der die Hälfte aller Spareinlagen auf sich vereint, hat seinen vorjährigen Überschuss in den ersten neun Monaten 2016 auf 400 Mrd. Rubel fast verdreifacht. Auch bei der Raiffeisen Bank International hat Russland mehrals 50 Prozent zum Gewinn beigetragen.

Dabei war 2016 noch von höheren Rücklagen geprägt, so Sberbank-Chef Herman Gref: 2017 könne die Branche mit 20 Prozent mehr Gewinn rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.11.2016)

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