Wifo-Experte: So sollen Wohnkosten gesenkt werden

APA/HELMUT FOHRINGER
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Wohnkosten durch breiteres Angebot senken, dafür plädiert Wifo-Experte Michael Klien.

Wien. Für eine Wohnkostensenkung durch ein erweitertes Angebot plädiert Wifo-Experte Michael Klien. Dabei sollte neben dem etablierten gemeinnützigen Sektor der freifinanzierte Wohnbau stärker einbezogen werden. Statt reine Miet- oder Errichtungskosten sollten beim Gesamtaufwand eher "Lebenszykluskosten" betrachtet werden. Und: Geringere Stellplatz-Limits könnten in doppelter Hinsicht dämpfend wirken.

Neben der reinen Angebotsausweitung wäre auch eine Dämpfung der aktuellen Wohnungskosten zielführend, meint der Experte des Wirtschaftsforschungsinstituts im jüngsten Wifo-Monatsbericht. Dabei seien aber die reinen Miet- oder Errichtungskosten je Quadratmeter Wohnfläche "ein irreführender Maßstab", so Klien. In den letzten 30 Jahren seien viele kleine Wohnungen unter 60 m2 vom Markt verschwunden, primär durch Zusammenlegungen - dem stehe aber eine weiter sinkende Haushaltsgröße bzw. der ungebrochene Trend zu Einpersonenhaushalten gegenüber. Es fehle offensichtlich an kleineren und mittleren, also "insgesamt leistbaren Einheiten".

Die Betrachtung von "Lebenszykluskosten" bzw. des Gesamtmietaufwands einschließlich Betriebskosten für die gesamte Nutzungsdauer sei sinnvoller, denn es sinke der Anteil der Betriebskosten mit steigender Wohnungsgröße - und zwar von über 30 Prozent für kleine Mietwohnungen auf unter 20 Prozent für Mietwohnungen über 120 m2 Größe. Lediglich die kurzfristigen Errichtungskosten als Faktor ins Kalkül zu ziehen, erscheine "nicht zielführend". Daher sei die aktuelle Novelle des Vergaberechts zu unterstützen, die öffentlichen Auftraggebern zusätzlichen Spielraum zur Berücksichtigung von Kosten der Betriebsphase schon bei der Ausschreibung einräume. Auch die Wohnbauförderung könnte dahingehend angepasst werden, so Klien.

Stellplatz-Verpflichtungen

Geringere Stellplatz-Verpflichtungen seien ein weiterer sehr konkreter Kostendämpfungsfaktor, verweist der Experte auf etliche Bundesländer, die hier schon Änderungen eingeleitet und die Zahl der vorgeschriebenen Auto-Abstellplätze je Wohneinheit bzw. Wohnfläche gesenkt haben. Diese Maßnahme wirke doppelt: Sie verringere durch gedämpfte Baukosten die Wohnkosten, und sie mache den motorisierten Individualverkehr weniger attraktiv. Klien: "Da speziell Personen mit niedrigem Einkommen oftmals keinen Pkw besitzen, ist eine Senkung der verpflichtenden Stellplätze auch ein Beitrag zu leistbarem Wohnen." Allerdings bleibe Pendeln mit dem Auto - trotz der Umwelt- und Verkehrsproblematik einer intensiven Pkw-Nutzung - voraussichtlich ein wesentliches Element zum Ausgleich regionaler Unterschiede zwischen Job-Angebot und -Nachfrage.

Skeptisch zeigt sich der Wifo-Experte zu ausufernden Mietsubventionen, also Subjektförderungen, insofern diese "zusätzlich preistreibende Effekte auslösen und damit ihr grundsätzliches Ziel konterkarieren könnten". Trotz der bestätigten hohen sozialen Treffsicherheit der Wohnbeihilfe sollten solche individuellen Mietsubventionen weiterhin nur komplementär zu angebotsseitigen Maßnahmen (Objektförderung) eingesetzt werden. Es zeichne sich nämlich durch die kräftige Steigerung der Ausgaben für die Mindestsicherung zusätzlicher Finanzierungsbedarf im Bereich Wohnen ab. "Vor diesem Hintergrund wäre eine bessere Abstimmung der beiden Fördersysteme dringend notwendig", sagt Klien. Da die Wohnbeihilfe ausschließlich vom betreffenden Bundesland finanziert werde, die Mindestsicherung jedoch in einer Kostenteilung zwischen Bund und Ländern, "ist unklar, ob derzeit eine konsistente und zielgerichtete Förderung erfolgt", so der Experte.

Die stärksten Zuwächse

Im städtischen Raum hätten sich vor allem in den letzten zehn Jahren die Wohnkosten deutlich erhöht - und aufgrund des dynamischen Bevölkerungswachstums, das sich auf die Kernstädte konzentriere, dürfte dieser Trend auch in den kommenden Jahren vorherrschen, meint Klien. Durch eine Verbesserung der Erreichbarkeit könnten aber suburbane und periphere Regionen attraktiver gemacht werden, um dem Wohnkostendruck in den Kernstädten zu begegnen.

Haushalte mit höherem Einkommen seien überdurchschnittlich in Kernzonen und unterdurchschnittlich in Außenzonen sowie dem ländlichen Raum vertreten, signifikant seien die Ergebnisse aber nur im 5. Quintil, also dem obersten Einkommensfünftel. Auch Paare ohne Kinder sowie Mehrpersonenhaushalte wohnen laut Klien seltener in Außenzonen und im ländlichen Raum als in Kernzonen. Die Effekte differieren aber teils stark zwischen den Wahlmöglichkeiten: So sind Haushalte mit ausländischen Staatsangehören als "Haushaltsrepräsentant" zwar überdurchschnittlich häufig in Kernzonen als in Außenzonen anzutreffen, aber nur knapp unterdurchschnittlich oft im ländlichen Raum.

Einkommensschwache Haushalte und Haushalte mit ausländischem Haushaltsrepräsentanten reagieren dem Wifo-Experten zufolge eher unelastisch auf Änderungen der Wohnkosten. Angesichts der hohen Relevanz von Migrantennetzwerken für die Wohnortsentscheidung ausländischer Staatsangehöriger erscheine dies auch plausibel, so Klien. Auf eine Veränderung der Erreichbarkeit würden Haushalte dagegen ohne nennenswerten Unterschied zwischen Haushaltstypen oder Nationalitäten entscheiden.

Bundesweit befinden sich mehr als 1,9 Millionen Haushalte in Kernzonen, gut 500.000 in Außenzonen und über 1,2 Millionen im ländlichen Raum. Die stärksten Zuwächse gab es dabei in den letzten Jahren und Jahrzehnten in den Außenzonen.

Die Betroffenheit von "Leistbarkeitsproblemen" hänge in Österreich stark davon ab, wo jemand wohnt: Neumieten seien zwar generell deutlich höher als Bestandsmieten. Am höchsten seien die Neumieten laut Daten von 2014 aber in Salzburg, Vorarlberg und Wien mit rund 9,0 Euro/m2 gewesen, während sie etwa in OÖ bei 7,5 Euro und im Burgenland nur bei 5,8 Euro/m2 gelegen seien, so Klien Ende November laut seinen Unterlagen für einen Vortrag beim Forum Wohn-Bau-Politik. Im Österreich-Schnitt lag die monatliche Neu-Miete 2014 bei 7,3 Euro/m2.

Je länger eine Mietdauer sei, umso geringer seien die Wohnkosten. Deshalb seien von "Leistbarkeitsproblemen" Haushalte die umziehen bzw. umziehen müssen besonders stark betroffen - laut Statistik seien das vorwiegend junge Menschen, Bezieher niedriger Einkommen sowie Ausländer. Ein Zusatzproblem dabei sei, dass dieser Lock-in-Effekt die Mobilität der Haushalte verringere, also zum Beispiel eine Arbeit an Orten außerhalb der Pendeldistanz aufzunehmen. Junge Haushalte seien doppelt so oft von Leistbarkeitsproblemen betroffen wie ein Durchschnittshaushalt, besonders virulent sei die Lage seit 2010. Als Reaktion gebe es einen Trend zu kleineren Wohnungen bzw. den Versuch, einen Umzug zu vermeiden - immer mehr Junge bleiben länger als früher als "Nesthocker" daheim bei den Eltern. Ein Wechsel in eine kleinere Wohnung bringe freilich keine oder eine zu geringe Ersparnis, warnt Klien, da Neumieten ja deutlich über der aktuellen Miete lägen - die Folge: Verbleib in einer zu großen Wohnung. Vor allem bei älteren Menschen gingen "Leistbarkeitsprobleme" oft einher mit Unterbelag bzw. "Überkonsum" von Wohnen.

Länderwohnbauprogramme

Zentral zur Bekämpfung der Wohnungs- und Leistbarkeitsprobleme seien die Bundesländer und ihre Wohnbauförderprogramme. Eine große Chance komme dabei den im Zuge des Finanzausgleichs neu gefassten Länderwohnbauprogrammen zu. Letztlich gehe es um eine bedarfsorientierte Steuerung der Wohnbauförderung, die über die Zahl der produzierten Einheiten hinausgehe.

In den letzten 25 Jahren sei mit der WBF-Objektförderung die Errichtung von über 900.000 Wohneinheiten gefördert worden, im Schnitt rund 36.000 Einheiten pro Jahr, erinnert Klien im Wifo-Bericht. Da dieses System aber nur bedingt auf kurzfristige Änderungen der Wohnungsnachfrage reagieren könne, seien zusätzliche Maßnahmen sinnvoll. Schon in die Wege geleitet worden sei ja die "Wohnbauinitiative", die über die neue Wohnbauinvestitionsbank (WBIB) bis 2022 rund 30.000 zusätzliche Einheiten schaffen soll.

(APA)

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