Warum die Fleischer aussterben

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Mit Trünkel tritt ein weiterer Traditionsbetrieb ab. Die Verbliebenen kämpfen mit minimalen Umsatzmargen, dem Preisdruck der Supermärkte und dem Trend zu fleischlosem Essen.

Wien. Bis zu 80 Stunden pro Woche ist Josef Bauer im Einsatz. Elf Stunden ist das Geschäftslokal des Waldviertler Fleischhauers am Gersthofer Markt täglich geöffnet, nur der Samstag ist kürzer. Am Sonntag erledigt er die Buchhaltung. Gerade hat Josef Bauer in zehn Zeitungen auf der Suche nach einer neuen Mitarbeiterin inserieren lassen. Dass er erst nach drei Monaten fündig geworden ist, wundert ihn nicht sonderlich. Ebenso wenig, dass heute nur noch geschätzte 40 bis 50 selbstständige Fleischhauer mit etwa 80 Filialen in Wien übrig sind. Er selbst habe mit dem Wildverkauf und den Tagestellern seine Nische und seine treue Stammkundschaft. „Aber die drei Kinder haben alle andere Berufe. Wir werden es irgendwann verkaufen – wenn es überhaupt jemand kauft.“

Vor dem Problem stand kürzlich auch der Wiener Traditionsfleischer Trünkel. Für einen Nischenanbieter war er zu groß. Für einen Branchenführer zu klein. Die Umsätze wurden laut Geschäftsführer Hans Trünkel im harten Mittelfeld durch den Preisdruck vonseiten der Supermarktketten, den stagnierenden Fleischkonsum und die öffentlichen Auflagen und Vorschriften aufgerieben. Mit April sind die neun verbliebenen Filialen abzugeben. Der Familienbetrieb mit 98 Mitarbeitern tritt nach 111 Jahren den geordneten Rückzug an. Symptomatisch für den Zustand der Fleischerbranche: Nur zwei Geschäfte gehen an den Wursterzeuger Wiesbauer. Die übrigen fanden keinen Abnehmer.

Radatz: „Leichter wird es nicht“

„Wir kommen durch. Leichter wird es nicht“, sagt Franz Radatz junior. Keine allzu euphorische Haltung für den Chef des nach eigenen Angaben größten privaten Fleischverarbeiters des Landes. Erst Ende Dezember vermeldete er wachsende Umsätze – allerdings bei sinkenden Gewinnen. Radatz relativiert: Die Spitzen von 2013 erreiche man aufgrund der niedrigen Schweinefleischpreise nicht. Der wichtigste Indikator für ihn sei jedoch seine Absatzmenge. Und die steige im schrumpfenden Markt weiter. Mit 890 Mitarbeitern, 22 kleinen Verkaufs- und elf großen Abholmärkten in Wien und Niederösterreich fiele er außerdem nicht in die „problematische Größenklasse“ eines Trünkel.

80 Prozent seiner Waren liefert Radatz an die Handelsketten Rewe (Billa, Merkur, Adeg) und Lidl. Generell werden 70 Prozent des heimischen Frischfleisches bei Spar und Rewe verkauft. „Da kann es sich auch ein Radatz oder Wiesbauer nicht leisten, nicht zu liefern“, sagt der Mostviertler Fleischer Rudolf Menzl, Chef der Bundesinnung in der Wirtschaftskammer Österreich. Schließlich seien die Zeiten nicht rosig. „Wenn wir eine Umsatzmarge von einem Prozent lukrieren, ist es gut.“ So lautet auch das Überlebensmotto von Radatz: „Man muss schauen, dass man wirklich überall vertreten ist“. Zu Spar habe man zwar „irgendwie den Draht verloren“, freue sich aber über jede neue Kooperation, auch mit Diskonter Hofer.

Der Anteil der Fleisch- und Wurstwaren, der heute noch über die Theken der 1320 kleinen Fleischer Österreichs zu den Kunden findet, ist auf zwölf Prozent gesunken. Und der Markt wird auf absehbare Zeit nicht größer: Mit einem Fleisch- und Wurstkonsum von 65 Kilo im Jahr liegen die Österreicher schon weit vorn. Jetzt könne man nur qualitativ weiterwachsen, sagt Radatz. Am besten mit einer zündenden Idee, wie sie seine Mutter in den 1980er-Jahren hatte. Sie überbrückte das Mittagsloch mit Tagestellern und Menüs. Eine Strategie, die sich bis heute nicht nur Menzl, Bauer und sonstige kleine Fleischer, sondern auch die großen Händler abgeschaut haben.

Gut, günstig und essfertig

Der starke Trend zu frischen Fertiggerichten bereitet aber nicht nur Freude: „Ganz wenige Kunden kaufen heute einfach nur ein Stück Fleisch. Es muss gut und günstig und fertig gebraten sein“, sagt Bauer vom Gersthofer Markt. Da klaffe ein Loch zwischen seiner zusätzlichen Arbeitszeit und dem Preis.

Und auch die Großen schlafen nicht. Eigenmarken wie die Rewe-Linie Hofstädter machten die Zuliefererbetriebe immer austauschbarer, sagt Bundesinnungsmeister Menzl. Spar ist mit seinen sechs Tann-Werken außerdem bereits der größte Fleisch- und Wurstproduzent Österreichs. Rewe baut seinerseits gerade ein modernes Werk im oberösterreichischen Eberstalzell und kommt durch die Adeg-Übernahme ebenfalls auf fünf eigene Produktionsstätten.

„Alles, was sie hier auf dem engen Markt dazugewinnen, nehmen sie scheibchenweise Radatz und Co. weg“, sagt Menzl mit einem besorgten Blick auf die Branche. Der Mostviertler Fleischer, der kommendes Jahr in Pension geht, hat zumindest selbst ein Problem weniger als Kollegen wie Josef Bauer. „Ich bin in der glücklichen Lage, dass der Junior nächstes Jahr die Firma weiterführt. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2017)

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