Libro: Jetzt wird Anklage gegen Rettberg erhoben

(c) AP (Ronald Zak)
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Pleite. Acht Jahre lang wurden die Hintergründe der Libro-Pleite ermittelt. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt Anklage gegen das frühere Management der Buchhandelskette erhoben.

Wien. Im Jahre 2001 schlitterte die Buchhandelskette Libro mit Schulden von 334 Mio. Euro in die Pleite. Jetzt, nach gut acht Jahre dauernden Ermittlungen, hat die Causa ein gerichtliches Nachspiel: „Wir haben mit heutigem Tag Anklage erhoben", sagte der Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, Erich Habitzl, gestern der „Presse". Die Anklageschrift wird dieser Tage an fünf Beklagte versandt.

Über den Inhalt der Anklageschrift wurde nichts verlautbart - auch die fünf Beklagten wurden namentlich nicht genannt. Wie die „Presse" allerdings aus Insiderkreisen erfuhr, wird gegen die früheren Libro-Vorstände André Rettberg und Johann Knöbl, die Aufsichtsräte Kurt Stiassny (Vorsitzender) und Christian Nowotny (stellvertretender Vorsitzender) sowie einen Wirtschaftsprüfer Anklage erhoben. Es gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Ausufernde Causa

Mit dem Prozessbeginn wird im Frühjahr 2010 gerechnet, da sich der zu ernennende Richter noch in den Akt einlesen muss. Und der ist außerordentlich umfangreich: Acht Jahre lang haben zwei Gutachter im Auftrag der Staatsanwaltschaft die Vorkommnisse bei Libro durchleuchtet.
Der zentrale Vorwurf betrifft den nach Ansicht der Ermittler „geschönten Jahresabschluss" der Handelskette zum 28. Februar 1999 - wenige Monate, bevor Libro an die Börse ging. Den Beklagten wird vorgeworfen, die wirtschaftliche Lage von Libro „verfälscht" dargestellt zu haben. Laut Gerichtsgutachten war Libro vor dem Börsengang „buchmäßig überschuldet", angeblich soll die Libro-Tochtergesellschaft in Deutschland zu hoch bewertet gewesen sein. Die Libro-Gesellschafter ließen sich aufgrund der Bilanz 1998/99 eine Sonderdividende in der Höhe von 440 Mio. Schilling (32 Mio. Euro) ausbezahlen. Diese sei gewährt worden, so das Gutachten, obwohl sie „in keiner Weise dem tatsächlichen Geschäftsverlauf der Libro AG entsprach". Im Gegenteil: Die Dividende habe zu einer „massiven Belastung" von Libro geführt, weil sie in Wahrheit mit Fremdkapital finanziert werden musste.

Im Börsenprospekt sei von den Problemen nichts erwähnt worden, heißt es weiter. Damit haben mit der Pleite im Jahre 2001 tausende Kleinanleger und Gläubiger viel Geld verloren.
Dass die Ermittlungen in der Causa so lange gedauert haben, führte in den vergangenen Jahren zu harscher Kritik. Juristen monierten wiederholt, dass dermaßen lang dauernde Ermittlungen „eine klare Botschaft für alle" hätten. Auch Justizministerin Claudia Bandion-Ortner meinte gestern in einem Interview: „Sieben, acht Jahre auf eine Entscheidung warten? Das kann es nicht sein."

Kritik an Dauer der Ermittlungen

Tatsächlich ist in Österreich kein Fall von mutmaßlicher Wirtschaftskriminalität bekannt, an dem so lange ermittelt wurde - abgesehen von der Pleite des Internetdienstleisters Yline, der ebenfalls 2001 in die Insolvenz schlitterte. Was allerlei Spekulationen Tür und Tor öffnet: Es habe in der Causa Libro offenbar Interventionen gegeben, mutmaßen die einen. Bei den Ermittlungen sei schlicht und einfach denkbar wenig gefunden worden, die anderen. Tatsache ist, dass die Vorwürfe, die jetzt in der Anklage subsumiert wurden, schon kurz nach der Libro-Pleite auftauchten.

Spektakulär wird der Prozess in jedem Fall - das hat schon die „Vorgeschichte" gezeigt: Im Jahre 2004 tauchte Ex-Libro-Chef André Rettberg im Ausland unter. Er kehrte mehr als ein Jahr später nach Österreich zurück, nachdem ihm „freies Geleit" zugesichert worden war.
Im Herbst 2008 wurde Rettberg an einer Nebenfront zur Libro-Pleite letztinstanzlich zu drei Jahren Haft, acht Monate davon unbedingt, verurteilt. Angetreten hat er die Haftstrafe aber noch nicht, es wurde Aufschub beantragt, aus „wirtschaftlichen und familiären Gründen", wie es heißt. Angeblich verdingt sich Rettberg als Konsulent für Handelsunternehmen.

Auf einen Blick

■ Die Buchhandelskette Libro schlitterte Mitte 2001 mit 334 Mio. Euro Schulden in die Insolvenz. Es war die viertgrößte Pleite in der Geschichte nach Konsum, Maculan und Steiner. Seitdem ist die Causa ein Fall für die Justiz: Acht Jahre lang wurde der Frage nachgegangen, ob die letzte Libro-Bilanz vor dem Börsengang Ende 1999 „geschönt" wurde.

■ Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt hat nun Anklage gegen fünf Personen erhoben. Unter anderem gegen den charismatischen Ex-Libro-Chef André Rettberg.

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