Industrielle sehen Licht und Schatten bei Kern-Ideen

Die Presse (Clemens Fabry)
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Die IV freut sich über Kerns Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken und pocht weiterhin auf ein Industriepaket.

Vertreter der Industriellenvereinigung (IV) sehen in den Ankündigungen von Kanzler Christian Kern (SPÖ) Licht und Schatten. "Positiv ist, dass Kern die Lohnnebenkosten senken will", sagte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Die Arbeitsmarktbeschränkung sei eher ein "politisches Signal". Die IV, die noch auf ein Industriepaket wartet, pocht auch weiter auf eine Senkung der Firmensteuern.

Bei der Senkung der Lohnnebenkosten im Gesamtvolumen von drei Milliarden Euro, wie sie Kern in seinem gestern vorgestellten Grundsatzpapier "Plan A" andenkt, zeigte sich Neumayer im APA-Gespräch am Donnerstag in Sachen der Gegenfinanzierung "skeptisch". Dass Kern dass Thema angesprochen habe, sei aber "wirklich ganz entscheidend, das steht außer Frage".

Rund 1,5 Milliarden Euro, also die Hälfte, will Kern über Großkonzerne gegenfinanzieren, die bisher wenig Steuern zahlen. "Ich frage mich, welches Volumen da möglich ist", sagte Neumayer mit Verweis auf Konzerne "wie vielleicht Starbucks oder Apple". Denn weitere Weltkonzerne, die in Österreich tätig sind, wie etwa Siemens, würden ganz normal Steuern bezahlen. "Die andere Hälfte aus Bürokratie und Verwaltungseinsparungen zu lukrieren, ist nachvollziehbar", sagte der IV-Generalsekretär. "Wir haben schließlich ein Ausgaben- nicht Einnahmenthema."

Zweifel an Arbeitsmarktbeschränkung

Dass eine Arbeitsmarktbeschränkung, wie vom Kanzler angedeutet, umsetzbar sei, bezweifelte Neumayer. Da müsse noch viel diskutiert werden. Der Industrie-Vertreter mutmaßte, dass Kern ein Regime vorschwebe, wie derzeit bei Arbeitnehmern aus Drittstaaten - Stichwort: Mangelberufe, die per Verordnung festgelegt werden. Damit sei die IV aber auch nicht ganz glücklich, da tendenziell zu wenige Berufe abgebildet würden und auch keine Rücksicht auf regionale Bedürfnisse genommen werde.

Die IV pocht auch weiter auf ein Industriepaket. Dieses bleib beim Wirtschafts- und Arbeitspaket der Bundesregierung für Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern übrig. Hier geht es um eine Arbeitszeitflexibilisierung. Diese soll aus Sicht Kerns bei Gleitzeit bis zu zwölf Stunden möglich sein, wenn im Gegenzug längere zusammenhängende Freizeitblöcke ermöglicht werden. Arbeitnehmern will der SPÖ-Chef ein Recht auf Arbeitszeit-Wechsel, also zwischen Teil- und Vollzeit einräumen. Hierzu begrüßte der IV-Präsident Georg Kapsch die Offenheit des Kanzlers gegenüber "einer dringend erforderlichen Modernisierung der Arbeitszeit in Richtung eines möglichen 12-Stunden-Tages". Kapsch lehnt aber den Vorschlag mit einer generellen freien Wählbarkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Teilzeit bzw. Vollzeit. "Dies ist in der Praxis nicht zu administrieren und würde in bereits schwierigen Zeiten bürokratischen Mehraufwand und Kosten für die heimischen Betriebe bedeuten. Wir müssen uns von der ständigen Abtauschmentalität bei Maßnahmen verabschieden", so Kapsch in einer Aussendung.

Forderung nach KÖSt-Senkung

Neumayer zufolge müsse über die Arbeitszeitflexibilisierung hinaus im Industriepaket auch über die Unternehmenssteuern - konkret über die Körperschaftssteuer KÖSt - nachgedacht werden. Hier bekräftigte Neumayer den Ruf der IV, die KÖSt entweder auf 20 Prozent zu senken oder noch besser den Steuersatz für nicht-entnommene Gewinne auf 12,5 Prozent abzusenken.

Weiterer Punkt für Industriepaket nach IV-Fasson ist, der Investitionszuwachsprämie für Firmen bis 250 Mitarbeiter folgende eine ähnliche Regel für die größeren Unternehmen zu treffen. Oder man könnte beispielsweise einen auf zwei Jahre befristeten Investitionsfreibetrag von 30 Prozent auf inländische Realinvestitionen gewähren. Die IV sei offen und gesprächsbereit zu einer konkrete Ausformung, betonte Neumayer.

"Des Pudels Kern liegt jedoch in der konkreten Umsetzung, wo der Kanzler in mehreren Bereichen konkrete Maßnahmen und entscheidende Details noch vermissen ließ und bedauerlicherweise sogar auf doch standortschädigende Forderungen zurückgegriffen hat", hieß es von Kapsch weiters Richtung Kern.

Das KÖSt-Aufkommen liegt bei rund 6 Mrd. Euro pro Jahr. Jede Senkung um einen Prozentpunkt kostet rund 250 Mio. Euro. Bei der Senkung auf 12,5 Prozent für nicht ausgeschüttete Gewinne ist laut IV mit einem Steuerentfall von 2 Mrd. Euro pro Jahr zu rechnen. Dies, wenn man davon ausgeht, dass rund ein Drittel der Gewinne ausgeschüttet und rund zwei Drittel einbehalten werden - was ein jahrelanger Trend sei.

Eine KÖSt-Senkung um eine Milliarde Euro würde das BIP um 0,44 Prozent steigern, um 0,87 Prozent mehr Investitionen und um 0,16 Prozent mehr Beschäftigung bringen, argumentiert die IV gegenüber der APA mit Verweis auf eine Studie von Eco Austria. Im Endeffekt würde sich eine solche Senkung zu 54 Prozent selbst finanzieren, heißt es von der Industrie.

"Signal der Fairness"

Das Senken der Unternehmenssteuern ist europaweites Thema und ist zuletzt auch in Deutschland groß geworden. Mit Ungarn will ein weiteres Nachbarland die Firmensteuern senken. Neumayer bezweifelt aber eine EU-weite Lösung, die gegenüber Volkswirtschaften, die noch aufholen müssten, auch nicht fair sei. Er spricht sich klar gegen ein "race to the bottom" beim Unternehmenssteueraufkommen aus, es gebe hier aber einen Wettbewerb.

Vor allem sei aber das Gesamtbild der Abgabenlast wichtig, dieses müsse zusammenpassen. Jeder müsse einen fairen Anteil leisten - zuletzt sei aber das KÖSt-Aufkommen gestiegen während das Lohnsteueraufkommen gesunken sei, fordert der IV-Generalsekretär "ein Signal der Fairness".

Die IV ist auch freilich weiterhin gegen eine Erbschafts- und Schenkungssteuer, die der Bundeskanzler gestern auch thematisierte.

(APA)

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