„Ich will nicht hart regulieren“

Johannes Gungl
Johannes Gungl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Johannes Gungl, Chef der Telekom-Regulierungsbehörde RTR, wehrt Vorwürfe der Mobilfunker ab, den Kunden mit Überregulierung zu schaden. Er will das 5G-Netz günstig ausbauen.

Die Presse: Es gibt kaum ein Regierungsmitglied, das nicht von Digitalisierung spricht. Ins Arbeitsprogramm hat es nur der Ausbau des 5G-Netzes geschafft.

Johannes Gungl: Es war höchste Zeit, dass das Thema Digitalisierung eine stärkere Rolle in der Regierung spielt. 5G ist ein Schlüssel, aber nicht der einzige. Wenn wir uns nicht anstrengen, um bei der Digitalisierung vorn dabei zu sein, werden wir bei den Verlierern sein. Die Nachteile der Digitalisierung haben wir in jedem Fall. Wir müssen das mit Vorteilen kompensieren, da ist 5G eine große Chance.

Mit 5G wird es erstmals möglich sein, in Echtzeit auf neue Daten zu reagieren. Wer profitiert von dieser neuen Technologie?

Es gibt keine Industrie, die nicht profitieren wird. Darum ist es auch so wichtig, dass wir den Netzausbau so rasch als möglich vorantreiben. Wir starten die Frequenzvergabe im nächsten Jahr und werden das Netz so rechtzeitig zur Verfügung haben.

Die Mobilfunker klagen, dass sie die Kosten für den Ausbau tragen müssen, während alle anderen Branchen profitieren. Wird man ihnen da entgegenkommen?

Der Ausbau muss schneller und kostengünstiger werden. In Summe sind 10.000 neue Antennen notwendig. Dafür brauchen wir raschere Genehmigungen und die Möglichkeit für Betreiber, sich auch Antennen zu teilen. Das wird in jedem Fall kommen. Was Frequenzvergaben betrifft, ist jede Aussage über Erlöse reines Kaffeesudlesen.

Die Telekombranche hat Sie zuletzt persönlich hart kritisiert. „Der Regulator schadet den Kunden“, hieß es, als die RTR prüfte, ob sie bestimmte Dienste (z. B. Virenschutz) aus Gründen der Netzneutralität aus dem Verkehr zieht.

Es gibt klare europäische Vorgaben zur Netzneutralität. Grundsatz ist, dass alle Daten gleich behandelt werden müssen. Um nicht vorzupreschen, sehen wir uns genau an, was die Kollegen aus anderen Ländern machen, und bewegen uns im europäischen Mainstream. Wir wollen nicht schärfer sein als andere. Wir wollen aber auch nicht, dass ein Kunde über Nacht ein lieb gewonnenes Produkt verliert.

Es wird kein Dienst abgedreht?

Das kann ich nicht sagen. Aber wir suchen nach Lösungen, die für Kunden und Betreiber akzeptabel sind. Handeln wir überzogen, haben plötzlich viele Kunden ein außerordentliches Kündigungsrecht, weil sie ein Produkt verlieren. Das wäre problematisch und wettbewerbsverzerrend. Es wird daher lange Übergangsfristen geben.

Fragt man die Telekombetreiber, heißt es dennoch: Niemand reguliert so hart wie die RTR.

Das ist absolut unrichtig. Wir haben konkret Fälle in Schweden, Ungarn, in den Niederlanden, die genau auch unsere Meinung vertreten. Hier wird in Europa sehr einheitlich vorgegangen.

Was halten Sie von der strengen europäischen Auslegung der Netzneutralität? Und was bedeutet es, wenn in den USA Trumps neuer Chef der Regulierungskommission sagt, Netzneutralität soll man gleich abschaffen?

In den USA wird es aller Voraussicht nach Änderungen geben. Man muss sich ansehen, ob es Sinn hat nachzuziehen. Aber auch mit 5G wird es Konflikte geben: Ein selbstfahrendes Auto braucht das Internet im Zweifelsfall dringender als meine gestreamte Serie. Hier müssen wir uns in ein, zwei Jahren ansehen, ob wir die Netzneutralität lockern müssen. Gleichzeitig muss Platz für das freie Internet bleiben. Starke Netzneutralität kann ein Wettbewerbsvorteil sein. Das Tolle am Internet ist Innovation, ohne um Erlaubnis zu fragen. Wenn die Telekomfirmen bestimmen, was im Netz ist, ist es damit vorbei.

Kanzler Kern will Österreich zum 5G-Vorreiter machen. Die Telekombetreiber fordern für den teuren Ausbau weichere Regeln bei der Netzneutralität. Haben Sie einen Anruf aus dem Bundeskanzleramt erhalten?

Nein, wir sind eine unabhängige Behörde, und ich habe diesbezüglich noch keine Interventionen erlebt. Unsere Themen sind meist zu komplex und selten ein Politikum. Die Telekombranche eignet sich nicht für Politik in 140 Zeichen.

Auf EU-Ebene steht das Roamingende vor der Tür. Die AK warnt vor höheren Preisen im Inland.

Für die meisten Menschen heißt es einfach: Wer im Urlaub ist, zahlt beim Telefonieren nicht mehr als daheim. Mittelfristig müssen wir aufpassen, dass die Preise im Inland nicht steigen. Wir wissen, dass Betreiber Roamingzuschläge verrechnen wollen. Da wird einiges auf uns zukommen. In manchen Tarifen wird es einfach kein Roaming mehr geben. Das Problem ist, dass die Kunden praktisch nichts mehr dafür zahlen, die Betreiber aber noch Kosten haben.

Die Betreiber klagen schon, dass sich der Regulator nur um die Konsumenten kümmert.

Ja, wir kümmern uns um die Kunden. Ich will nicht, dass sich die Österreicher über ihre Telekombetreiber beschweren müssen. Früher war Regulierung oft Antwort auf Missstände. Ich will diese Missstände gar nicht aufkommen lassen. Ich will nicht hart regulieren. Stattdessen soll die Telekombranche von selbst den Wert einer guten Kundenbeziehung erkennen.

Die Regulierung der Telekombranche war nie als Dauereinrichtung geplant. Wann wird es Sie nicht mehr brauchen?

Ein paar Themen sind stark rückläufig. Wettbewerb zu schaffen ist etwa weniger wichtig als früher. Dafür sind neue Themen dazugekommen: Netzneutralität und Konsumentenschutz.

AUF EINEN BLICK

Netzneutralität. Telekom-Regulator Johannes Gungl sieht eine seiner Hauptaufgaben darin, die Gleichbehandlung aller Daten im Netz zu garantieren. Dass den Mobilfunkern im Austausch für den geplanten teuren Ausbau des 5G-Netzes eine Lockerung der Netzneutralität zugestanden wird, stehe nicht zur Debatte. Seine Regulierungsbehörde sei politisch unabhängig, betont Gungl. Interventionen habe er noch nie erlebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2017)

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