Der tiefe Fall von Kroatiens Tycoon

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Ein Lebenswerk in Trümmern: Der von Ivica Todorić aufgebaute Großkonzern Agrokor steht vor der Pleite und unter staatlicher Kuratel. Auch österreichische Banken sind betroffen.

Wien. Das Schicksal hat zugeschlagen, mit voller Wucht. Noch zu Beginn des Jahres galt Ivica Todorić als reichster Kroate, einer der größten Familienunternehmer Europas und „Tycoon mit Herz“. Der 66-Jährige war Alleinherrscher über den Handels- und Lebensmittelkonzern Agrokor, das wichtigste private Unternehmen des Landes. Heute steht der Patriarch, der als kleiner Blumenhändler zu Tito-Zeiten begann, vor den Trümmern seines Lebenswerks. „40 Jahre habe ich mich für den Aufbau von Kroatien und der ganzen Region eingesetzt“, verkündete er am Freitagabend von seinem Schloss hoch über Zagreb. „Mit meiner Unterschrift habe ich heute alles dem kroatischen Staat übergeben.“

Alles: Das ist ein fast zahlungsunfähiges Firmenimperium mit sechs Mrd. Euro Schulden bei Banken, Anleihekäufern und Lieferanten. Im Zentrum steht die Supermarktkette Konzum. Ihre Zulieferer drohten damit, ab Samstag außer Brot nichts mehr zu liefern. Das zwang Todorić, die Reißleine zu ziehen. Tags zuvor hatte das Parlament ein Gesetz beschlossen, das systemrelevante Firmen in Liquiditätsnöten unter Kuratel stellt. Am Montag folgte die Entmachtung: Statt Familie Todorić hat der staatliche Sanierer Ante Ramljak das Sagen, ein Berater und früherer Bank-Austria-Manager.

Sanierungsfall als Politikum

Systemrelevant ist Agrokor für Kroatien allemal: Zwei Drittel der 60.000 Beschäftigten arbeiten im Inland. Die Wertschöpfung des Konzerns macht rund drei Prozent der kroatischen Wirtschaftsleistung aus. Tausende Lieferanten mit offenen Rechnungen hängen mit drin. Ein Politikum ist die Krise des einstigen Paradeunternehmens noch aus einem anderen Grund: dem Einfluss Russlands.

Vor einer Woche hatten die sechs größten Gläubigerbanken ein Stillhalteabkommen beschlossen, auch mit dem Ziel, Todorić auszuschalten und mit einem eigenen Sanierer den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Zur Gruppe gehören auch Raiffeisen, die Erste und UniCredit, die zusammen 200 bis 300 Mio. Euro an Krediten im Feuer haben. Genauere Angaben machen die Institute nicht, unter Berufung auf das Bankgeheimnis. Mehr weiß man von den größten Gläubigern: Sberbank und VTB haben dem maroden Moloch in Summe 1,3 Mrd. Euro geliehen. Bei beiden Geldhäusern hält der russische Staat die Mehrheit. Anders als ihre serbischen Nachbarn haben sich die Kroaten dem Einfluss Russlands stets widersetzt. Reibt sich Putin nun die Hände? Schon im Februar äußerte sich der russische Botschafter ungewöhnlich undiplomatisch: „Wir haben Interesse, Firmen zu helfen, die kooperieren. Agrokor zählt nicht dazu.“ Doch die Banken unterschätzten die Macht der Lieferanten, die sich vom Stillhalteabkommen nicht geschützt fühlten. Sie erzwangen das Gesetz, das sie besserstellt. Und der von den Banken gewählte Sanierer kann gleich wieder seinen Schreibtisch räumen.

Der Keim zum tiefen Fall des Tycoons liegt schon in seinem Aufstieg. Die Blumenzucht des Ivica Todorić gehörte zu den ersten zarten Pflänzchen der Marktwirtschaft im kommunistischen Jugoslawien. Zur Zucht kam der Handel, auch mit Obst und Gemüse. Nach dem Zerfall Jugoslawiens nutzte Todorić die neue wirtschaftliche Freiheit und seine guten Kontakte zum Tudjman-Regime für den Ausbau seines Imperiums. Er kaufte die Konzum-Kette und die größten kroatischen Anbieter von Minerwalwasser, Margarine und Tiefkühlprodukten.

Zu rasch und teuer gewachsen

Eine zweite Welle an Zukäufen folgte im Boom Mitte der Nullerjahre: der größte landwirtschaftliche Betrieb des Landes, der größte Fleischproduzent, Weingüter, aber auch Tabaktrafiken und Werbefirmen. Die Führung des zunehmend unübersichtlichen Konglomerats verblieb ganz in der Familie: Die Gattin, beide Söhne und die Tochter mischten mit. Die aggressive Expansion war zum größten Teil fremdfinanziert. Heikler noch: Weil sich Todorić nicht in die Zahlen schauen lassen wollte, veröffentlichte er nie geprüfte Finanzberichte. Damit konnte er nur Junk-Bonds mit hohen Zinsen emittieren. Westliche Banken hielten sich mit neuen Krediten zunehmend zurück. Die russischen Staatsbanken sprangen ein, mit auffallend sanften Konditionen.

Die Krönung der Erfolgsgeschichte markierte zugleich die Wende: Mit dem Kauf der slowenischen Supermarktkette Mercator vor vier Jahren hat sich der Geschäftsmann übernommen. Der größte Konkurrent im Handel war schon selbst finanziell angeschlagen. Mit dem EU-Beitritt Kroatiens machten sich viel besser geführte Handelsketten, wie Lidl aus Deutschland, am Westbalkan breit. Konzum und Mercator verloren laufend Marktanteile, die Margen wurden immer schmaler, die Schulden waren kaum noch zu bedienen. Im Jänner dann konnte Agrokor eine neue Anleihe nicht mehr zu den geplanten Konditionen platzieren. Erst da bemerkten die Investoren die prekäre Lage.

Sie gerieten in Panik und warfen ihre Schuldtitel auf den Markt. Die Anleihenkurse stürzten ins Bodenlose, Lieferanten wurden nervös, die Banken mussten reagieren. Jetzt ermitteln auch noch Staatsanwälte gegen den stolzen Unternehmer Todorić, wegen des Verdachts auf „Unregelmäßigen“ in den Bilanzen von Agrokor. Das Schicksal hat zugeschlagen, wie in der griechischen Tragödie oder einem Königsdrama Shakespeares.

AUF EINEN BLICK

Agrokor ist das größte private Unternehmen Kroatiens. Zu ihm gehören die Supermarktketten Konzum und Mercator sowie zahlreiche Hersteller von Lebensmitteln. Ein Drittel der 60.000 Mitarbeiter ist in Serbien, Bosnien und Slowenien beschäftigt. Der Konzern ist in schweren Liquiditätsnöten. Nun ist der Staat eingesprungen und hat einen externen Sanierungsmanager bestellt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2017)

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