Die schützende Hand der Politik über der Autoindustrie

GERMANY IAA FRANKFURT MOTOR SHOW
GERMANY IAA FRANKFURT MOTOR SHOWAPA/EPA/UWE ANSPACH
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Europa fürchtet eine Wettbewerbsverzerrung, weil die USA Erleichterungen bei den Abgasvorschriften planen. Doch bei uns verhindert bereits Deutschland strengere Kontrollen.

Man war bei Volkswagen etwas nervös. Der deutsche Autohersteller wollte sich mit dem US-Justizministerium unbedingt bis Ende Jänner auf einen Vergleich im Dieselabgasskandal einigen, bevor Donald Trump als neuer Präsident angelobt wird. Er könnte, so die Befürchtung bei VW, vielleicht eine strengere Vorgehensweise wegen der Betrügereien anordnen.

Möglicherweise war man etwas voreilig. Denn die Umwelt, so viel ist mittlerweile klar, ist Trump kein besonderes Anliegen. Und hätte VW gewartet, wer weiß, wie die Verhandlungen wegen manipulierter Motoren ausgegangen wären. Trump jedenfalls hat kein großes Problem mit CO2- und Stickstoffabgasen. Im Gegenteil: Die derzeit gültigen Abgas- und Verbrauchsvorschriften in den USA seien „teuer für die Autohersteller und damit die amerikanische Bevölkerung“. Er habe die Umweltschutzbehörde EPA angewiesen, die unter seinem Vorgänger, Barack Obama, festgelegten Standards zu überprüfen, ließ Trump kürzlich bei einem Besuch in der Autostadt Detroit wissen.

Diese Ankündigung kann auch für Europa weitreichende Folgen haben. Denn die US-Autobauer können darauf hoffen, sich Milliardeninvestitionen in effizientere Motoren und in eine bessere Abgasreinigung ersparen zu können. Das würde ihnen einen deutlichen Vorteil gegenüber ihrer europäischen Konkurrenz geben, die bereits von einer drohenden Wettbewerbsverzerrung spricht.

Massive Strafen geplant

Doch auch in Europa hat die Politik ihre schützende Hand über der Autoindustrie, vor allem in Deutschland, Heim von Volkswagen, Mercedes und BMW. Laut eines Berichts der „Süddeutsche Zeitung“ blockiert Berlin schärfere EU-Kontrollen der Industrie.

Nach der Abgasaffäre um Volkswagen und andere Autohersteller hatte die EU-Kommission einen umfassenden Vorschlag für strengere Überprüfungen der Industrie sowie der nationalen Aufsichtsbehörden gemacht. Die Kraftfahrbehörden der Länder würden dadurch teilweise entmachtet werden und die EU würde stichprobenartig eigene Abgastests bei bereits genehmigten Fahrzeugen durchführen. Bei Verstößen gegen die Abgasvorschriften sind strengere Strafen geplant. Bis zu 30.000 Euro sollen möglich sein, notfalls will Brüssel das betroffene Modell ganz vom Markt nehmen können.

Dass die Bedenken der EU durchaus eine Grundlage haben, zeigte sich nach dem Auffliegen des VW-Abgasskandal. Die deutschen Behörden mussten nach Darstellung einiger Experten von den Überschreitungen gewusst haben, bevor sie in den USA aufgedeckt wurden. Auch die nationale Kompetenz für die Autozulassung in der EU sorgt für Diskussionen. So werden Fiat in Deutschland und von der EU deutliche Überschreitungen der Abgasvorschriften vorgeworfen. Italien will davon nichts wissen und sagt, die (italienische) Firma erfülle alle Vorgaben. Deutschland drohte zwar, den betroffenen Modellen die Genehmigung zu entziehen, hat dafür aber keine rechtliche Handhabe.

Dass die Abgastests im Labor nicht annähernd der Realität entsprechen, ist hinlänglich bekannt und wurde jetzt wieder vom Umweltbundesamt in Deutschland nachgewiesen. Demnach stoßen Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 6 auf der Straße im Schnitt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus. Der Grenzwert – der unter Laborbedingungen erreicht wird – liegt bei 80 Milligramm. Erst ab Herbst dieses Jahres werden die Tests schrittweise unter realen Bedingungen durchgeführt, dafür hat man den Autoherstellern aber höhere Grenzwerte zugestanden.

Ermittlungen gegen VW, Fiat, Renault, PSA

Dennoch mussten Autofirmen auch in Europa tricksen, um die Werte zu erreichen. In Frankreich ermitteln die Behörden wegen möglicher Täuschung bei den Dieselabgaswerten gegen VW, Renault und Fiat Chrysler (FCA), nun hat die Justiz auch offiziell Untersuchungen gegen PSA (Peugeot Citroen) angeordnet. Bei Opel hat man dagegen keine Hinweise auf Manipulationen gefunden.

Frankreich ist das einzige Land mit einer namhaften Autoindustrie, das sich nach bisherigen Informationen nicht gegen die aktuellen EU-Pläne ausspricht. Die schärferen Kontrollen werden nicht nur von Deutschland, sondern auch von Italien und Spanien abgelehnt. Damit scheint eine Verschärfung unwahrscheinlich – und es dürfte wieder (fast) Waffengleichheit mit den USA herrschen.

("Die Presse"; Printausgabe vom 26.4.2017)

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