Wie Briten spanische Hoteliers übers Ohr hauen

Hotels an der Costa Brava
Hotels an der Costa Brava(c) imago/Westend61 (imago stock&people)
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Falsche Reklamationen sind zum Riesengeschäft geworden. Nun wehren sich die Opfer – mit kuriosen Mitteln.

Im Urlaub an einer Fischvergiftung zu laborieren ist keine schöne Sache. Das weiß jeder, der sich schon einmal fern der Heimat verdorbenen Meeresgetiers aus dem Bauch heraus entledigt hat. Eigentlich müssten Behörden weltweit Reisewarnungen für Spanien ausgeben, weil dort die Zahl der Reklamationen von Hoteltouristen im Vorjahr um den Faktor sieben gestiegen ist – die meisten davon wegen Infektionen des Verdauungstrakts. Aber seltsam: Von diesem dramatischen Anstieg sind ausschließlich britische Pauschaltouristen betroffen. Vertragen sie plötzlich keine Paella und keinen Sangria mehr? Weit gefehlt: Es handelt sich um gut organisierten Betrug in großem Stil. Der Schaden für die spanischen Hoteliers: fast 70 Mio. Euro.

Wie funktioniert der Schwindel? Windige Firmen von der Insel schleusen ihre Agenten in eine Pauschalreisegruppe ein. Sie verleiten möglichst viele Teilnehmer zu falschen Reklamationen, mit dem Versprechen, dass der Urlaub damit gratis wird. Die Fälle leiten sie an „Geieranwälte“ weiter, die sich auf Klagen gegen Reiseveranstalter spezialisiert haben. Die „Tour Operators“ wehren sich nicht. Sie holen sich das Geld von den Hotels zurück, indem sie die Gerichtskosten einfach von der Rechnung abziehen – im Schnitt 7000 Euro pro präsumtivem Durchfallopfer. Das große Geschäft machen die Anwälte und die Reklamationssammler. Die Touristen selbst freuen sich schon über ein Zehntel der Beute: die Kosten der Pauschalreise, mit einem kleinen Dankeschön obendrauf. Dass die iberischen Gastronomen dagegen so wehrlos sind, liegt am ungewöhnlich großzügigen britischen Konsumentenschutz. Seit 2013 muss dort der Beschuldigte nachweisen, dass eine Reklamation gegen ihn nicht berechtigt ist. Für den falschen Kranken reicht es, die Rechnung für ein Mittel gegen Brechreiz vorzuweisen. Kein Aufwand, denn Imodium & Co. sind in Spanien rezeptfrei. Weshalb der Hoteliersverband der Costa Blanca eine Rezeptpflicht exklusiv für britische Gäste vorschlug. Die Apothekerkammer bremste: Das sei wohl zu diskriminierend.

Also musste eine neue Idee her: Digitale Armbänder oder Chipkarten, die jeden Schritt des Gasts gnadenlos protokollieren. Die Logik: Wenn Jack aus Manchester sich den ganzen Tag am Strand vergnügte, konnte er nicht zugleich magenkrank im Bett liegen. Die Software ist in Arbeit. Zudem schaltete man den Botschafter in London ein, um das Gesetz zu Fall zu bringen – ohne Erfolg. Am Montag zitieren die Hoteliers die ruchlosen Reiseveranstalter zum Krisengipfeltreffen nach Madrid. Aber die leere Drohung, auf ihre Dienste künftig zu verzichten, dürfte den Umsatzbringern Nummer eins kaum den Magen verderben.

E-Mails an: karl.gaulhofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2017)

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