Fünf bis acht Prozent der Österreicher sind kaufsüchtig - auch Männer

Frau mit Einkaufstaschen
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Zwei Stereoanlagen sind bereits gekauft, eine dritte muss sein. Oft werden die Waren gar nicht ausgepackt. Das Problem: Eine klassische Abstinenz ist kaum möglich.

Fünf bis acht Prozent der Österreicher sind stark gefährdet, kaufsüchtig zu werden oder leiden bereits an dieser Sucht. Dabei sind Männer ähnlich häufig betroffen wie Frauen, sagte Michael Musalek, Ärztlicher Leiter des Anton Proksch Instituts, bei den Österreichischen Ärztetagen in Grado. Das besonders Schwierige an dieser Sucht? Es handelt sich um eine "besonders tabuisierte Form der Abhängigkeit. 'Ich kann nicht einmal mehr mein Kaufverhalten steuern' wirft sich der Betroffene vor. Psychische Krankheiten werden an sich schon tabuisiert, noch mehr die Suchtkrankheit. Und dann auch noch 'Kaufsucht'", so der Experte. Umgekehrt gebe es kaum eine Möglichkeit zur klassischen "Abstinenz". "Ohne Kaufen kann man kaum überleben."

Allerdings: "Es geht nicht darum, Güter zu haben. Es geht um den Vorgang des Kaufens", betonte der Wiener Suchtexperte Michael Musalek. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen betreffe in dieser Hinsicht am ehesten die Gattung der gekauften Güter: "Männer sieht man halt eher in Elektroläden. (...) Entscheidend ist der Kontrollverlust." Alle Kriterien der Entwicklung von normalen Gebrauch einer Substanz oder eines "normalen" Verhaltens bis hin zur Suchtkrankheit gelten demnach auch für die Kaufsucht samt Kontrollverlust im betroffenen Konsumverhalten und des Verlierens aller anderen Interessen.

Auch Musalek betonte, dass das Vorurteil, nur Frauen leiden an Kaufsucht, schlichtweg nicht stimme. So ergab eine Studie der Arbeiterkammer aus dem Jahr 2005 bei den Frauen in der Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen einen Anteil von 11,9 Prozent, bei den Männern einen Anteil von 6,1 Prozent. Bei den 25-bis 44-Jährigen waren es 11,8 Prozent (Frauen) bzw. 6,9 Prozent unter den Männern.

Aufgabenstellung: Kaufen Sie Unterhosen

Es gibt allerdings durchaus geschlechtsspezifische Verhaltensweisen beim Kaufverhalten: In einer US-Studie wurde männlichen und weiblichen Probanden aufgetragen, in einen bestimmten Bekleidungssupermarkt zu gehen und dort Unterhosen zu kaufen. Die Männer steuerten in dem Einkaufszentrum ganz gezielt dieses Großgeschäft an. Die Frauen flanierten vor dem Kauf bei dieser Marke auch gleich noch zwei andere Großmärkte in unmittelbarer Umgebung.

Alle von Kaufsucht Betroffenen sprächen von einem massiven Drang zu diesem Verhalten. Spezifisch sei auch die Ausrichtung des Einzelnen auf spezielle Güterklassen. "Ein Mann hat beispielsweise bereits zwei Stereoanlagen und kauft noch drei dazu. (...) Oft werden die Güter nicht einmal mehr ausgepackt. Es gibt häufig versuchte Rückgaben. Oft werden Waren massenhaft im Ausverkauf erstanden", sagte der Experte. Zum Schein würden die Güter dann auch oft verschenkt, was eine Rechtfertigung bedeuten könne ("Nur für die Anderen gekauft").

Bei echter Kaufsucht ist die Therapie jedenfalls schwierig, weil eine Abstinenz eben kaum erreicht werden kann. Doch das Konzept der Abhängigkeit als primäre psychiatrische Erkrankung wird laut Musalek im Grunde immer zweifelhafter: "Die Kaufsucht kommt praktisch nie alleine vor. Die Suchterkrankung ist die Komorbidität (Begleiterkrankung; Anm.) von anderen psychischen Erkrankungen." Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen und Persönlichkeitsstörungen stünden in den meisten Fällen hinter der Entwicklung eines substanzabhängigen oder substanzunabhängigen Suchtverhaltens.

(APA)

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