Die dritte Piste könnte schneller Realität werden als bisher gedacht. Nachdem der Verfassungsgerichtshof das negative Erkenntnis aufgehoben hat, will das Bundesverwaltungsgericht rasch entscheiden.
Wien. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am Donnerstag das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) zum Bau der dritten Piste auf dem Flughafen Wien aufgehoben. Das BVwG habe die Rechtslage grob verkannt und den Klimaschutz sowie den Bodenverbrauch falsch bewertet, sagte der Präsident des VfGH, Gerhart Holzinger. Der Vorstand des Flughafens Wien sowie die Vertreter des Landes Niederösterreich zeigten sich erleichtert. Sie hatten das BVwG-Erkenntnis sowohl beim VfGH also auch beim Verwaltungsgerichtshof bekämpft.
1 Wie geht es nach der VfGH-Entscheidung mit der dritten Piste weiter?
Zurück zum Start, besser gesagt, zurück zum BVwG, heißt es nun – und zwar sehr rasch. Schon in den nächsten zehn Tagen werde die bisher nur mündlich verkündete Entscheidung auch schriftlich ausgefertigt und den Verfahrensparteien zugestellt werden, sagte Holzinger. Dann ist das BVwG am Zug. Konkret müssen dieselben drei Richter, die für das gerade aufgehobene Erkenntnis verantwortlich sind, neuerlich über die dritte Piste entscheiden. Allerdings haben sie dabei nun die Rechtsauffassung des VfGH zu berücksichtigen. Wie lang das BVwG für seine neue Entscheidung braucht, ist nicht vorhersehbar. Die drei Richter sind an keine Fristen gebunden. „Ich gehe davon aus, dass die Kollegen, die dort zuständig sind, das so rasch wie möglich erledigen“, sagte Holzinger gestern.
2 Ist die dritte Piste mit der VfGH-Entscheidung beschlossene Sache?
Nach der Entscheidung des VfGH ist die Wahrscheinlichkeit, dass die dritte Piste vom BVwG genehmigt wird, sehr hoch. Möglich – wenn auch nicht wahrscheinlich – ist jedoch genauso, dass die drei Richter den Bau der Piste abermals untersagen. Wie auch immer das BVwG entscheiden wird, eines ist schon heute gewiss: Auch dieses Erkenntnis wird angefochten und der Verwaltungs- bzw. der Verfassungsgerichtshof angerufen werden. Wenn das Projekt genehmigt wird, von seinen Gegnern, wird es verboten, abermals vom Flughafen und dem Land Niederösterreich. Die Beschwerden haben aber keine aufschiebende Wirkung. Sollte das BVwG also die dritte Piste genehmigen, kann mit dem Bau gleich begonnen werden.
3 Weshalb hat der Verfassungsgerichtshof das Erkenntnis des BVwG aufgehoben?
Die drei Richter haben die Rechtslage „in mehrfacher Hinsicht grob verkannt“, deshalb sei „die Entscheidung mit Willkür belastet“, befand der VfGH. Die Parteien seien deshalb in ihrem Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt. Der Kardinalfehler des Dreiersenats bestand für den VfGH darin, die Staatszielbestimmung des umfassenden Umweltschutzes fehlerhaft angewendet zu haben. Zwar sei es verfassungsrechtlich geboten, den Umweltschutz bei der Abwägung von Interessen für und gegen das Projekt einzubeziehen. Das Luftfahrtgesetz sähe aber ausdrücklich vor, dass „sonstige öffentliche Interessen“ zu berücksichtigen sind. Was darunter zu verstehen ist, könne aber nicht irgendwoher abgeleitet werden, sondern müsse sich aus dem Luftfahrtgesetz selbst ergeben. Sich auf Staatszielbestimmungen zu berufen, so wie es das BVwG getan hat, sei unzulässig.
4 Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Umweltschutz zu viel Bedeutung beigemessen?
Umweltschutz ist bei der Interessenabwägung für und gegen ein Projekt prinzipiell einzubeziehen, betont der VfGH. Aber: Aus dem Bundesverfassungsgesetz über die Nachhaltigkeit ist kein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen abzuleiten. Freilich spielen auch die Emissionen, die ein neues Projekt verursachen, eine Rolle. Doch im konkreten Fall haben die Richter die mit dem Projekt verbundenen Kohlendioxid-Emissionen unrichtig berechnet. Statt nur die bei Start und Landung erfolgten Emissionen einzubeziehen, haben sie jene berücksichtigt, die während des gesamten Fluges ausgestoßen werden. Unverständlich ist für die Höchstrichter auch, weshalb sich das BVwG auf das Kyoto-Protokoll berufen hat. Zum einen habe es völkerrechtlich nur eine rechtliche Verpflichtung bis 2012 geschaffen, zum anderen sei es weder innerstaatlich unmittelbar anwendbar, noch sei die internationale Luftfahrt davon überhaupt erfasst.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2017)