Experte: Bitcoin könnte Weltreservewährung werden

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"Der Tsunami der Blockchain-Revolution steht erst bevor", meint Max Tertinegg, Geschäftsführer des Grazer Bitcoin-Dienstleisters Coinfinity.

"Eine digitale Währung wird früher oder später eine nationale Währung als Weltreservewährung ablösen", sagt Max Tertinegg, Geschäftsführer und Mitbegründer des Grazer Bitcoin-Dienstleisters Coinfinity. In fünf bis zehn Jahren werde "eine Weltreservewährung auf Blockchain- bzw. Kryptowährungsbasis entstehen."

"Ich gehe mit einer mehr als 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit davon aus, dass es Bitcoin sein wird, es kann aber auch eine andere Kryptowährung sein. Es gibt nämlich neben Bitcoin noch hunderte andere Kryptowährungen", so Tertinegg. "Bis auf eine Handvoll davon - maximal 10 bis 15 Währungen - sind das aber Eintagsfliegen ohne Relevanz. 99 Prozent der digitalen Währungen, die wir jetzt sehen, werden in zehn Jahren wahrscheinlich nicht mehr existieren." Es sei also zwar richtig, dass die Gesamtmenge der verschiedenen digitalen Währungseinheiten inflationierbar sei, "aber wenn sie nicht im alltäglichen Wirtschaftsleben im Einsatz sind, ist das eigentlich irrelevant".

Der jüngste Neuzugang in der Fauna der Kryptowährungen ist erst wenige Tage alt: Am 1. August ist aus Bitcoin (BTC) durch eine Abspaltung ("Fork") Bitcoin Cash (BCH) entstanden - quasi ein kleiner Bruder, der sich mit Bitcoin den Großteil der DNA teilt.

Die Spaltung habe sich bereits seit vielen Monaten abgezeichnet, erklärt Tertinegg, denn Bitcoin habe von Anfang an einen Schwachpunkt gehabt. "Bitcoin ist in der ursprünglichen Variante technisch nicht darauf ausgelegt, viele Transaktionen abwickeln zu können." Jede Transaktion habe eine bestimmte Datengröße, und alle zehn Minuten werde nur ein Block mit einer Datengröße von einem Megabyte erzeugt. Fast zwei Jahre lang sei in der Bitcoin-Community darüber gestritten worden, ob man diese willkürlich festgelegte Blockgröße ändern sollte - bis sich schließlich eine kleine Gruppe von Entwicklern zu der Abspaltung entschlossen und eine neue Kryptowährung mit einer Blockgröße von 8 MB geschaffen habe.

"Die haben dann eine eigene Software geschrieben, die nicht mehr kompatibel ist mit der Bitcoin-Software." Allerdings werden die beiden Kryptowährungen für immer miteinander verbunden bleiben, weil die Blockchain - also die Datenbank, in der alle bisherigen Transaktionen verschlüsselt aufgezeichnet sind - bis zur Abspaltung am 1. August bei beiden Kryptowährungen gleich ist. Derzeit ist diese Blockchain knapp 150 Gigabyte groß.

"Es war so, dass jeder, der bis zum 1. August Bitcoins gehalten hat, wie durch Zauberhand auch den gleichen Betrag an Bitcoin Cash hat. Wenn Sie 10 Bitcoins vor dem 1. August hatten, dann haben Sie jetzt zusätzlich auch 10 Bitcoin Cash." Allerdings sind die Bitcoin-Besitzer dadurch nicht plötzlich reicher geworden, weil der Wert von Bitcoin durch die Verdoppelung der Einheiten gesunken ist. Er hat sich jedoch nicht halbiert, sondern verteilt sich nun ungleich auf die beiden Währungen. Ein Bitcoin war vor dem Split ungefähr 2.500 Euro wert, derzeit bekommt man für ein Bitcoin rund 2.400 Euro und ein Bitcoin Cash ist rund 240 Euro wert.

Bitcoin-Mining verbraucht Stromproduktion mehrerer Atomkraftwerke

Der Anreiz für die "Miners", mit enormer Computer-Rechenleistung und entsprechend hohem Energieverbrauch neue Einheiten von Bitcoin Cash zu erzeugen und Transaktionen zu verifizieren, ist entsprechend gering. Das weltweite Bitcoin-Mining verbraucht derzeit die Stromproduktion mehrerer Atomkraftwerke - Tendenz stark steigend. Der hohe Energieverbrauch ist einer der Kritikpunkte an Bitcoin, weil etwa in China das Mining sehr intensiv mit Kohlestrom betrieben wird.

Auch ist der Bitcoin-Kurs wegen der vergleichsweise geringen Marktkapitalisierung relativ leicht manipulierbar, wer also Bitcoins kauft, geht ein Hochrisiko-Investment ein. Der Gesamtwert aller existierenden Bitcoins beträgt derzeit 44,2 Mrd. Euro, 16,5 Millionen Bitcoins befinden sich in Umlauf. Allerdings kann es im Bitcoin-System keine Hyperinflation geben, weil die Gesamtmenge an Bitcoins mit 21 Millionen limitiert ist und die Erzeugung weiterer Einheiten immer aufwendiger wird. Schon in den nächsten Jahren werden 98 Prozent aller Bitcoins erzeugt sein, das Limit wird aber erst Mitte des nächsten Jahrhundert erreicht werden.

Durch Kryptowährungen wie Bitcoin hat sich in den letzten Jahren auch ein Hype um das Thema Blockchain entwickelt. "Jede Branche glaubt, unbedingt Blockchain verwenden zu müssen, um ihre Geschäftsprozesse zu verbessern."

Das Besondere daran: Die Blockchain ist eine lückenlose Transaktionsdatenbank, deren Datensätze kryptographisch miteinander verschränkt sind und nachträglich nicht mehr verändert werden können. Eine Manipulation ist ausgeschlossen, weil unzählige Kopien der Blockchain bei den Teilnehmern des Netzwerks liegen und jede Veränderung auffallen würde. Durch die Tatsache, dass in der Blockchain auch sämtliche Transaktionen gespeichert sind und auch wieder ausgelesen werden können, könnte sie auch zum Ausspionieren der Nutzer missbraucht werden.

Auch Tertinegg sieht in der Technik großes Potenzial. "Man könnte beispielsweise ein Grundbuch auf Blockchain-Basis machen oder Peer-to-Peer-Märkte für Energie oder auch Eigentumsrechte an Firmen darin aufzeichnen. Der Tsunami der Blockchain-Revolution steht erst bevor."

Tertineggs Unternehmen Coinfinity ist in erster Linie ein Händler von digitalen Währungen. "Sie können bei uns Bitcoin, Ethereum, Litecoin oder in Zukunft wahrscheinlich auch Bitcoin Cash über verschiedenste Kanäle kaufen und verkaufen." Das geht inzwischen auch in mehr als 3.000 Trafiken in Österreich, wo man Bitcoin-Bons erwerben kann. Darüber hinaus hat Coinfinity auch ein Dutzend Bitcoin-Automaten aufgestellt. Darüber hinaus berät das Unternehmen auch Unternehmen, die z.B. in ihren Online-Shops auch Bitcoin als Zahlungsmittel annehmen wollen.

(APA)

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