Rot-blau-grüne Horrornacht für die Wirtschaft

Peter Buchmüller.
Peter Buchmüller. (C) WKÖ Leithner
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Parlament. In der letzten Sitzung vor der Wahl beschlossen SPÖ, FPÖ und Grüne mehrere Gesetze. Die Neuregelungen zur Bankomatgebühr und die Angleichung von Arbeitern und Angestellten sorgen für großen Ärger bei Wirtschaftsvertretern.

Wien. Die letzten Parlamentssitzungen vor Nationalratswahlen sorgen häufig für erhöhte Aufregung. Schließlich sind Koalitionsvereinbarungen aufgekündigt, und freie Mehrheiten können gefunden werden. So auch bei der Sitzung, die in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zu Ende ging. Mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen wurden zwei Themen beschlossen, die am Freitag die Wirtschaftsvertreter auf die Barrikaden brachten.

Banken müssen Bankomatgebühren Dritter zahlen.

Bankomatgebühren sind seit dem Frühsommer 2016 in Österreich ein Thema. Damals preschte das US-Unternehmen Euronet vor und verlangte als erster Betreiber von Bankomaten zwei Euro pro Abhebung. Heimische Banken beeilten sich zwar zu versichern, keine Gebühren zu planen. Dennoch brachte Sozialminister Alois Stöger einen Gesetzesvorschlag ein.

Darin sind zwei Punkte enthalten. Der erste sieht vor, dass Bankomatgebühren nur dann eingeführt werden dürfen, wenn es auch ein Kontomodell mit einem Pauschalentgelt gibt. Dieser Teil sorgt kaum für Aufregung. Wesentlich problematischer aus Sicht der Banken ist aber der zweite Punkt. Demnach müssen sie ihren Kunden auch Gebühren ersetzen, die von Drittanbietern verlangt werden. Behebt ein Kunde also ab Inkrafttreten des Gesetzes (Mitte Jänner 2018) bei einem Euronet-Bankomaten Geld, zahlt die Gebühr von knapp zwei Euro nicht mehr er selbst, sondern seine Bank.

„Wir sind den Drittanbietern damit voll ausgeliefert“, sagt Michael Ernegger vom Bankenverband. So könne die Bank weder beeinflussen, wie hoch die Gebühren sind, noch, wie oft es zu einer Abhebung kommt. Kunde und Drittanbieter würden einen „Vertrag zulasten Dritter“ abschließen. Theoretisch könnten die Drittanbieter die Gebühren deutlich anheben. So seien fünf Euro je Abhebung in Deutschland schon heute nichts Ungewöhnliches.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass dieses Gesetz verfassungswidrig ist“, meint Franz Rudorfer von der Bundessparte Banken. Ein juristisches Vorgehen der Branche gegen das Gesetz sei wahrscheinlich. Die Drittanbieter seien ja vor allem in guten Lagen mit hoher Frequenz aktiv. Und sobald sie die Vorgaben erfüllen und eine Lizenz haben, können die Banken nicht verhindern, dass sie Bankomaten dort aufstellen.

In Summe gibt es in Österreich laut Nationalbank 8700 Bankomaten, 7500 davon werden von den Banken selbst betrieben, der Rest von Drittanbietern. Größter Drittanbieter ist die Firma First Data, die mehr als 1000 Bankomaten betreibt, bisher aber keine Gebühren verlangt. Euronet verlangt bei rund 80 Bankomaten bereits Gebühren.

Wie hoch die Gebühren in Summe sind, die derzeit anfallen, darüber gibt es keine Statistiken. Allerdings wurden laut Nationalbank bei allen Bankomaten im Jahr 2016 etwa 300 Mio. Transaktionen getätigt. Pro Bankomat wären das im Schnitt etwa 35.000 Transaktionen pro Jahr. Bei einer Gebühr von zwei Euro je Transaktion würden bei den 80 Euronet-Bankomaten in Summe Gebühren von 5,6 Mio. Euro anfallen. Entscheiden sich aber auch andere Drittanbieter für Gebühren, könnte dieser Betrag schnell auf das Zehnfache oder mehr steigen.

Arbeiter werden bei Kündigung deutlich bessergestellt.

In der Wirtschaftskammer war man noch selten so branchenübergreifend geeint – im Zorn. „Was verhandeln wir, wenn wir von der Politik sowieso überrollt werden?“, fragt Handelsobmann Peter Buchmüller. Er, dessen Branche 150.000 Arbeiter zählt, beteuert wie die anderen Arbeitgebervertreter: Er sei für gleiche Rechte bei Fragen wie Kündigungsfristen und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, aber „nicht in dieser Hauruckaktion.“

Ähnlich reagiert Christian Knill, Chef der metalltechnischen Industrie, in der 60 Prozent der 129.000 Beschäftigten Arbeiter sind und gerade die richtungsweisende KV-Runde läuft. „Das wird die Verhandlungen massiv beeinflussen“, sagt Knill zur „Presse“. Die Kosten könne er noch nicht abschätzen. Anders als sein Widerpart Rainer Wimmer (Gewerkschaft Pro-GE) glaubt er, dass der Abschluss entsprechend niedrig ausfallen müsse. Wimmer meint indes, „wir müssten unsere Forderung nach vier Prozent plus noch erhöhen“. Denn in der Metallindustrie sei die Angleichung in vielen Punkten schon vollzogen, die Kosten also relativ niedrig.

In Österreich stehen 1,4 Millionen Arbeiter 2,1 Millionen Angestellten gegenüber. Die Sozialdemokratie forderte seit Jahrzehnten die Auflösung bestehender Unterschiede. „Einmal musste der Tag kommen“, sagt Berend Tusch von der Gewerkschaft Vida. Im Tourismus habe man nun nach 13 Monaten Stillschweigen über einen neuen Anstoß zu reden.

Dabei kommt der Tourismus noch ungeschoren davon. Ebenso wie die Bauwirtschaft und Branchen mit starker Saisonbeschäftigung. Ab 1. Jänner 2021 können Betriebe ihre Arbeiter wie die Angestellten frühestens sechs Wochen vor Quartalsende kündigen. Zuvor waren es zwei, egal wann. Für den Tourismus mit einem Arbeiteranteil von fast 80 Prozent gilt hingegen weiter: Kollektivvertrag sticht Gesetz. Noch seien alle Details offen, sagt Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher, auch die Kosten. „Das wird in den Koalitionsverhandlungen noch eine Rolle spielen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2017)

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