Die zwei Leben des Ruben Vardanyan

Vardanyan kritisiert Europas (fehlende) Entwicklungshilfe.
Vardanyan kritisiert Europas (fehlende) Entwicklungshilfe.(c) Katharina Roßboth
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Nach der Öffnung Russlands gründete er die erste Investmentbank des Landes und wurde reich. Mit Ansage folgte der Wandel vom Banker zum Stifter.

Als die Sowjetunion 1991 in ihren letzten Zügen lag, studierte Ruben Vardanyan in Moskau Wirtschaft. Er sah zwei Optionen: „Entweder kommt die Sowjetunion zurück, es wird ein Desaster und ich wandere nach Neuseeland aus. Oder Russland wird sich langsam integrieren.“ Als alles auf Letzteres deutete, gründete er im „wilden Russland“ der Öffnungsjahre die erste Investmentbank des Landes, Troika Dialog.

Vardanyan bezeichnete sich selbst einmal als einen murrenden Optimisten. Und so begegnet er Fragen nach Problemen in seinem Land, nach Rubelschwäche, Wirtschaftskrisen und Sanktionen, Jahr für Jahr stoisch: „Heute ist es viel besser als 1991. Russland ist nicht schwarz und weiß.“ Der Mann, der von Forbes noch 2014 auf umgerechnet 718 Mio. Euro geschätzt wurde, wählte mit dem Verkauf seiner Investmentbank an den Riesen Sberbank 2012 einen guten Zeitpunkt, um sich Geld und Stoizismus zu erhalten.

Es war ein Ausstieg mit Ansage, den der gebürtige Armenier vollführte. Wie er in den frühen Neunzigern den Kapitalismus umarmt hatte, stürzte er sich als Privatier mit derselben Energie in die Wohltätigkeit. Das beginnt damit, dass er den Russen beibringen will, ihr Privatvermögen zu verwalten, zu vererben und guten Zwecken zuzuführen. „1917 wurde alles verstaatlicht, die erste Generation, die nach hundert Jahren Geld hat, weiß nicht, wie sie damit umgehen soll.“ Vardanyan ist überzeugt, dass es in Russland das private Spendernetzwerk braucht, besser heute als morgen. Öffentliche Institutionen steckten wie überall in einer Krise. Es hänge an den reichen Familien, langfristig und ohne öffentlichen Druck in wirtschaftliche und soziale Projekte zu investieren.

Als der Ex-Banker, der heute mit 550 Mitarbeitern in diversen Charity-Programmen aktiv ist, seiner Heimat Armenien diese Art von Entwicklungshilfe angedeihen ließ, stieß das zuerst auf wenig Gegenliebe.


Langzeitinvestition ohne Bank.
Dort verstand man nicht, warum dieser Mann lieber eine Schule für die zukünftige Bildungselite Armeniens baute, als 150 andere zu renovieren. Sein Lieblingsprojekt ist eine Seilbahn, die das Kloster Tatev im Südosten dem Tourismus erschloss. Seitdem sei die Besucherzahl explodiert, die Region profitiere wie erhofft. Langsam würden auch die Menschen erkennen, dass die halbe Milliarde US-Dollar, die er und sein Netzwerk bisher in Langzeitprojekte steckten, nicht umsonst sei. Dank für eine gespendete Straße nimmt er am Telefon wie jüngst während des Europäischen Forums Alpbach mit sichtlicher Freude entgegen.

In Tirol trat er als Philantrop auf. Er warnte Europa im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ davor, die Augen vor der Krise zu verschließen. „Das Römische Reich zerfiel, obwohl sie Mauern bauten, aber die Migrationswellen kamen und kamen. Ohne deutliche Investitionen in der Dritten Welt können wir die Migration nach Europa nicht stoppen.“ Damals hätte er sich nicht ohne Weiteres nach Neuseeland verabschieden können. Heute sei es in der globalen Welt noch schwieriger, Krisen zu entkommen. Immer mehr Reiche würden das erkennen. Wohltätigkeit, die wirklich etwas verändert, klingt bei Vardanyan nach etwas, das man sich leisten können muss. „Ja, stimmt“, antwortet er, wieder der ruppige Optimist, „aber jemand muss den Anstoß geben, damit andere dem Beispiel folgen.“

Zur Person

Ruben Vardanyan, geboren 1968 in Jerewan, versuchte nach dem Zerfall der Sowjetunion als einer der Ersten sein Glück im Investmentbanking. Nach zwei Jahrzehnten bei der Troika Gruppe ging diese an die Sberbank und Vardanyan setzte Zeit und Geld verstärkt für Entwicklungsprogramme in Russland und Armenien ein. Er gründete u. a. die erste internationale Schule Armeniens in Dilijan mit und holte George Clooney und andere Stars an Bord der Aurora-Initiative, die der Überlebenden des armenischen Genozids gedenkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2017)

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