Junger Kopf für alte Kammer

PK OeSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND (OeWB) 'WEICHENSTELLUNG IM OeWB': MAHRER
PK OeSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND (OeWB) 'WEICHENSTELLUNG IM OeWB': MAHRERAPA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Harald Mahrer (ÖVP) wird der neue Präsident der Wirtschaftskammer. Die Sozialpartner stellt er nur bei Reformunfähigkeit infrage. Den Kammerzwang gar nicht.

Wien. Christoph Leitl war sichtlich gelöst, als er Donnerstagmittag endlich seine Nachfolgeregelung verkünden durfte: Im zweiten Anlauf wurde der bisherige Wirtschaftsminister Harald Mahrer von den Landesobmännern des ÖVP–Wirtschaftsbundes einstimmig zum neuen Obmann gewählt (in der ersten Abstimmung erhielt er sechs von neun Stimmen). Damit wird der 44jährige Rundum-Liberale und Kurz-Vertraute künftig nicht nur den wichtigen Wirtschaftsflügel der Volkspartei leiten, sondern Leitl wohl irgendwann 2018 auch an der Spitze der Wirtschaftskammer ablösen.

„Klar für die Pflichtmitgliedschaft“

„Wir kommen aus einer Zeit des Stillstands und der kleinsten Kompromisse“, sagte Harald Mahrer. Damit solle künftig Schluss sein. Den Unternehmen versprach er mehr Freiheit und weniger Belastungen.

Die Personalentscheidung ist besonders interessant, da sowohl die jahrelange Praxis der Sozialpartnerschaft als auch die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern im Wahlkampf und in den Koalitionsgesprächen unter Beschuss gekommen sind. Die 506.000 Mitgliedsbetriebe der Wirtschaftskammer bezahlen nämlich nicht aus freien Stücken rund eine halbe Milliarde Euro an Beiträgen jedes Jahr, sondern weil es das Gesetz so will. Bei anderen Kammern, etwa bei der Arbeiterkammer, ist es ähnlich. Die Freiheitlichen drängen daher auf eine Volksabstimmung über den gesetzlichen Kammerzwang. Und auch in der Volkspartei sind Sozialpartner und Kammern zumindest für den Kurz-Flügel nicht länger sakrosankt.

Alle 14 Kammern im Land müssten sich gefallen lassen, dass man hinterfrage, wie sie sich weiterentwickeln können, betonte auch Mahrer. An ein mögliches Ende der Pflichtmitgliedschaft wollte er deshalb aber nicht denken: „Da wird viel Schindluder mit Polemik getrieben“. Vorstellbar sei bestenfalls eine Befragung der Mitgliedsbetriebe über die Zufriedenheit mit der Kammer. Einer Volksabstimmung über den Kammerzwang stehe er „sehr, sehr skeptisch gegenüber“.

Er sei ein „klarer Befürworter der Pflichtmitgliedschaft“, so der PR-Fachmann. Sie sei im Grunde eine liberale, bürgerliche Idee. Mit dem ersten Handelskammergesetz 1848 hatten die Unternehmen erstmals die Möglichkeit zur Selbstverwaltung und konnten sich so „von der Kontrolle des Staates befreien“. Die Pflichtmitgliedschaft sei notwendig, um zu verhindern, dass der Staat die betroffenen Gruppen auseinanderdividiere.

Christoph Leitls Kalkül geht auf

Angriffiger zeigte sich der designierte Wirtschaftsbund-Obmann beim Thema Sozialpartnerschaft, dem Lebensthema seines Vorgängers Christoph Leitl. Mahrer bekannte zwar, dass die „Partnerschaft auf Augenhöhe“ viel Gutes geleistet habe – allerdings nur, solange beide Seiten das Wohl der Republik als gemeinsames Ziel hatten. Das sei in letzter Zeit „mit Sicherheit abhanden gekommen“. Mahrer hofft, die Sozialpartner in eine Standort- und Zukunftspartnerschaft umzubauen, die „weit über die Partikularinteressen hinaus“ denke. Gelingt das nicht, ist die Institution „sicher infrage zu stellen“.

Christoph Leitls Kalkül dürfte dennoch aufgehen. „Gerade in dieser Zeit ist es entscheidend, jemanden an der Spitze zu haben, der entsprechend politisch vernetzt ist“, betonte Leitl. Wer wäre besser geeignet, um die Querschüsse von der Regierungsbank gegen die Kammer zu parieren, als ein Mann, der eben noch dort saß?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kapsch trauert um die Grünen.
Österreich

Lange Wunschliste an Kurz

IV-Präsident Kapsch vermisst die Grünen, bemitleidet Harald Mahrer und erwartet rasche Förderkürzungen und Steuersenkungen.
PK OeSTERREICHISCHER WIRTSCHAFTSBUND (OeWB) 'WEICHENSTELLUNG IM OeWB' LEITL / MAHRER
Österreich

Mahrer wird WKÖ-Chef: "Bin klar für die Pflichtmitgliedschaft"

Der amtierende Wirtschaftsminister Mahrer wurde vom ÖVP-Wirtschaftsbund zum Nachfolger von Christoph Leitl gekürt. Damit wird er Leitl auch in der Wirtschaftskammer nachfolgen.
Innenpolitik

ÖVP: Bündeobleute fast komplett durchgewechselt

In nicht einmal zwei Jahren wurden die Obleute in fast allen Teilorganisationen ausgewechselt.
Kordikonomy

Wieso im ÖVP-Wirtschaftsflügel hochgradige Nervosität herrscht

Wirtschaftsminister Harald Mahrer soll am 18. Dezember zum Chef des ÖVP-Wirtschaftsbundes gewählt werden. Doch nicht alle sind mit seiner Nominierung glücklich.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.