Wohlstand in Österreich: (K)ein Jammern auf hohem Niveau

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Es geht uns gut, sagen die Österreicher. Überraschenderweise kam die gleiche Antwort kurz nach der Krise. Nun zieht die Konjunktur dem Gefühl nach. Probleme gibt es dennoch: Die Ungleichheit bei den Einkommen klafft weiter auf, die Arbeitslosigkeit ist noch immer höher als 2009.

Wien. Wie geht es Österreich? Für die Antwort nach dem Bruttoinlandsprodukt zu schielen, greift zu kurz, meint Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfer. Also machte sich sein Hauses das fünfte Jahr daran, den Wohlstand Österreichs in 30 Schlüsselindikatoren aufzudröseln. „Die Presse“ hat sich einige hervorstechende Erkenntnisse des Reports angesehen.

► Die Haushalte haben mehr Geld, waren aber auch mit weniger zufrieden.
Die Österreicher sudern gerne, heißt es. Wenn das Statistikbüro anruft, hält sich der Ärger aber in Grenzen. Mit einer Lebenszufriedenheit von 7,9 Punkten liegen wir auf der 10er-Skala über dem EU-Schnitt von 7,1. 2016 waren die Österreich damit durchschnittlich gleich zufrieden wie in den Vorjahren. Das ist interessant, denn: Während die verfügbaren realen Haushaltseinkommen von 2009 bis 2015 kontinuierlich sanken, stiegen sie 2016 angeschoben von der Steuerreform um 1,4 Prozent. Das Gefühl, im Wohlstand zu leben, ist zu solide, als dass es ein paar schlechtere Jahre zum Einsturz bringen könnten, analysiert Pesendorfer. Mit einer Wirtschaftsleistung von 37.100 Euro pro Kopf liegt Österreich nach wie vor auf dem viertbesten Platz in der EU. Da konnte der Wert sinken oder stagnieren, einen dramatischen Niederschlag im Gefühl des Einzelnen fand das nicht.

Für 2017 und 2018 prognostizieren Wifo und IHS eine deutliche Aufhellung der Konjunktur. Das ist gut, denn die vergangenen Jahre hätten laut Pesendorfer Grund zur Sorge gegeben, ob wir unser hohes Niveau bewahren können. Und mit weiter sinkender Kaufkraft wäre sonst womöglich doch irgendwann die Zufriedenheit gekippt.

Wie passen Statistik und Umfragen, die ein Bild von glücklichen Österreichern zeichnen, zu den jüngsten Wahlergebnissen, bei denen sich viele an die Opposition hielten? Hier klafften die Werte auch bei ihnen auseinander, sagt Pesendorfer. Wohl weil die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben und die mit dem politischen System stark entkoppelt seien. Die jüngste Umfrage sei allerdings aus 2013. An ihr ist nach wie vor interessant: Vertrauen in die Politik und Einkommen hängen nicht zusammen, der Mittelwert lag bei Best- und Schlechtverdienern zwischen 4,2 und 4,6 von 10 Punkten.

► Beschäftigungsverhältnisse werden instabiler.
Während die Einkommen der Reichen inflationsbereinigt von 1998 bis 2015 um 2,9 Prozent stiegen, sanken sie bei Geringstverdiener im selben Zeitraum um fast 20 Prozent. Das hat nicht nur, aber vorrangig strukturelle Gründe: Saisonarbeit, öftere Jobwechsel, die steigende Teilzeitquote und der Eintritt billiger Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt. Beschäftigungsverhältnisse werden instabiler. Blieben 2006 54 Prozent der Unselbstständigen ein Jahr lang im selben Beruf, war es 2015 weniger als 50 Prozent.

► Es gibt mehr Arbeitslose, aber weniger Armutsgefahr.
Mit einer Arbeitslosenquote von sechs Prozent habe sich Österreich 2016 in der EU (Mittel 8,6 Prozent) nicht verstecken müssen, heißt es in der Statistik Austria. Fakt ist aber: Die Quote lag immer noch 0,7 Prozent über dem Wert aus 2009. (Mittlerweile ist die Arbeitslosenrate nach Eurostat mit 5,6 Prozent niedriger, Österreich aber auch weiter zurückgerutscht, da überall Jobs geschaffen wurden.) Trotzdem schafften es 157.000 Personen seit 2008, der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung zu entkommen. Das ist besser als die EU-Vorgabe. Will Österreich bis 2018 aber sein Soll erreichen, muss es in zwei Jahren noch 78.000 Menschen vom Rand der Armut abholen. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2017)

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