Im sechsten Anlauf haben sich die Metaller doch geeinigt. Die Kollektivvertrags-verhandlungen endeten mit einer Lohnerhöhung von drei Prozent. Beachtlich. Das ist aber noch kein Argument für die Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern.
Wien. Plus vier Prozent wollte die Gewerkschaft, plus drei Prozent sind es geworden. Für die 130.000 Metaller in Österreich bedeutet das Ergebnis der gestrigen Kollektivvertragsverhandlung somit eine Steigerung des Reallohns. Das war in den vergangenen Jahren nicht immer selbstverständlich. Im sechsten Anlauf haben sich also die Sozialpartner mit Ach und Weh über die Ziellinie geschleppt. Und wie das Amen im Gebet hieß es am Ende, dass wir Österreicher dies alles nur der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern zu verdanken haben.
Nicht alles sehen das so. Der liberale Thinktank Agenda Austria verweist auf Länder wie die Schweiz, Deutschland oder Italien. Dort erzielen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auch jedes Jahr solide Abschlüsse - ganz ohne Pflichtmitgliedschaft. Im Gegenteil: Nirgendwo seien die Lohnverhandlungen derart zentalisiert wie bei uns. Und das schaffe mitunter auch Probleme. Weil Betriebe, Regionen nicht überall die gleichen Rahmenbedingungen vorfinden.
Auch der künftige Wirtschaftskammerchef Harald Mahrer verteidigt die Pflichtmitgliedschaft mit dem Argument, dass die Sozialpartner sich im Gegenzug dazu verpflichten, flächendeckende Standards zu setzen. Tatsächlich gilt in Österreich für 98 Prozent der Arbeitnehmer ein von den Sozialpartnern ausverhandelter Kollektivvertrag. Nur ist eine ähnlich hohe Quote auch ohne Mitgliedspflicht möglich. Die Agenda Austria verweist auf das Beispiel Schweden, wo es immerhin für 88 Prozent der Löhne und Gehälter Kollektivverträge gibt. Doch die Mitgliedschaft bei den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen ist freiwillig.
Apropos freiwillig: Die Lohnverhandlungen sind in Österreich traditionell eine Sache zwischen Wirtschaftskammer und Gewerkschaft. Und der ÖGB ist bekanntlich der einzige Sozialpartner, der auf freiwillige Mitgliedschaft zählt. Im Gegensatz zu Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer.
800 KV-Verträge in Österreich
Und von einheitlich kann bei den Kollektivverträgen trotz des strengen Sozialpartner-Regimes keine Rede sein. In Österreich gibt es sage und schreibe knapp 800 Kollektivverträge. Denn während jene für die Industrie - wie etwa der Metaller-KV - bundesweit gelten, werden die Gewerbekollektivverträge in der Regel für jedes Land gesondert verhandelt. Es gibt also einen Metaller-KV, jener für Maler und Anstreicher etwa ist aber von Bundesland zu Bundesland verschieden.
Der Grund für diesen Kollektivvertrags-Dschungel, so meinen Kritiker, liegt in der Struktur der Wirtschaftskammer. Bei so vielen Organisationen, Innungen und Sparten ist es nicht verwunderlich, dass die Kollektivvertragsverhandlungen zu einem Bürokratie-Monster mutieren. Im Gegenzug zur Wirtschaftskammer ist die Struktur des ÖGB gertenschlank. Dort kennt man nämlich nur sieben kollektivvertragsfähige Körperschaften.
Es liegt also eher der Schluss nahe, dass Pflichtmitgliedschaften weniger zu unüberschaubaren Strukturen bei den Kollektivverträgen, sondern vielmehr zu unüberschaubaren Strukturen in den Kammern führen.