Metaller: Reallöhne steigen erstmals seit 2013 kräftig

Rainer Wimmer, Boss der Gewerkschaft Pro-Ge (l.).
Rainer Wimmer, Boss der Gewerkschaft Pro-Ge (l.).(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Das Lohnplus von drei Prozent kostet die Unternehmen der Branche 180 Millionen Euro. Wirtschaftsforscher Leoni hält das dennoch für vertretbar, weil die Konjunktur auch im nächsten Jahr sehr gut laufen wird.

Wien. Wer riskiert gern einen Streik? Schon gar in Österreich? Und noch dazu mitten in schwierigen Regierungsverhandlungen? Da will man als – zuletzt ohnedies massiv kritisierter Sozialpartner – doch nicht mit dem Feuer spielen. So gesehen kommt die Einigung in den Kollektivvertragsverhandlungen der Metaller am Donnerstagabend nicht überraschend. Ein neuerlicher Abbruch der Gespräche hätte den von der Gewerkschaft angedrohten Streik ausgelöst.

Die Kampfmaßnahmen sind vom Tisch – was bleibt, ist die dreiprozentige Lohnerhöhung, die die 130.000 Beschäftigten der Metalltechnischen Industrie rückwirkend ab 1. November erhalten („Die Presse“ berichtete in einem Teil der Freitagsausgabe). Dieser Abschluss liegt deutlich über jenen der Vorjahre. Drei Prozent mehr im Geldbörsel wurden zuletzt vor fünf Jahren erzielt.

Dementsprechend differenziert fielen die Reaktionen aus: „Wir haben vier Prozent gefordert, damit wir drei Prozent bekommen“, legte Rainer Wimmer (Boss der Gewerkschaft Pro-Ge) die Strategie klar. Sie ist aufgegangen – bei einer Inflationsrate von 1,9 Prozent und einem für 2018 prognostizierten Wachstum von 2,7 Prozent bedeutet das einen echten Reallohnzuwachs für die Beschäftigten. Zumal sich die Arbeitnehmer auch bei anderen Forderungspunkten durchsetzen konnten:

► Die Lehrlingsentschädigung steigt ebenfalls um drei Prozent.

► Die Aufwandsentschädigung für Reisen ins europäische Ausland wird schrittweise jährlich um die KV-Erhöhung plus drei Euro angehoben.

► Generell steigen Aufwandsentschädigungen um 1,9 Prozent.

► Bei Vorrückungen werden künftig 22 Monate Elternkarenz statt bisher 16 Monate (pro Kind) angerechnet.
Auf der Haben-Seite der Arbeitgeber, die ihr Angebot von 1,9 auf zuletzt 2,5 Prozent erhöht haben, steht:

► Das Zeitkontenmodell, bei dem in guten Zeiten Mehrstunden gesammelt und bei Auftragsflaute abgebaut werden, wird bis 2020 verlängert. Damit ersparen sich Firmen Überstundenzuschläge.

► Viermal im Jahr kann bei Auftragsspitzen auch am Sonntag gearbeitet werden, auch wenn die Wochenhöchstarbeitszeit überschritten wird. Der Zuschlag beträgt allerdings 150 Prozent.

Die 1200 Unternehmen der Branche kostet der Abschluss 180 Mio. Euro. Fachverbands-Chef Christian Knill reagierte denn auch „desillusioniert“. Vor allem aber kritisierte er die „rüde Tonalität“ der Gewerkschafter, die die Gespräche an den Rand des Scheiterns gebracht hätten. Dies ließ Karl Dürtscher (GPA) nicht auf sich sitzen: „Wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück.“

„Das deutliche Plus auf dem Lohnzettel sei zwar eine Herausforderung, aber durchaus vertretbar“, lautete das erste Urteil von Thomas Leoni, Experte für Lohnpolitik beim Wirtschaftsforschungsinstitut im ORF. Die guten Rahmenbedingungen sprächen für die erste höhere Steigerung seit Langem.

Vorbild für andere Branchen

„Die Abschlüsse berücksichtigen meist die Vergangenheit, vor allem, was die Inflation betrifft“, sagte Leoni zur „Presse“. „Jetzt ist auch die Perspektive sehr positiv, wie die jüngsten Prognosen zeigen. Die Auftragslage der Unternehmen ist gut und beim wichtigsten Exportpartner, Deutschland, läuft die Konjunktur ohnedies blendend.“ Andere Branchen würden sicher nachziehen, verweist Leoni auf die Vorbildwirkung der Metallerabschlüsse. Diese gebe es nach wie vor. Mit einem nunmehrigen monatlichen Mindestlohn von 1848 Euro lägen die Metaller ganz vorn.

Apropos Deutschland: Dort geht die IG Metall gerade mit einer Forderung nach einem sechsprozentigen Lohnplus für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie in den Verhandlungsring. Die IG Metall beruft sich dabei auch auf die Europäische Zentralbank, die kräftige Lohnsteigerungen einfordert, um so die Inflation auf die von ihr gewünschte Zwei-Prozent-Marke zu treiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2017)

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