Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stark

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Symbolbild. (c) APA/dpa/Daniel Bockwoldt (Daniel Bockwoldt)
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Die Ausgaben für die Pflege werden in den nächsten Jahren explodieren. Bemerkenswert ist, dass in Österreich bei den Pflegekosten erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern feststellbar sind.

Die Zahl der alten Menschen, die nicht mehr allein leben können, nimmt in Österreich stetig zu. Technische Lösungen wie Exoskelette könnten hier deutliche Erleichterung bringen – für die Betroffenen, aber auch für das Sozialbudget des Staates. Denn die Kosten für die Pflege werden in den kommenden Jahrzehnten ein wichtiges Thema für die Politik werden.

Im Jahr 2015 lagen die Sozialausgaben (für 2016 stehen erst vorläufige Werte zur Verfügung) bei 99,94 Milliarden Euro. Das entsprach damals 29,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Von den 99,94 Milliarden entfielen 5,6 Milliarden Euro auf den Pflegebereich. Diese 5,6 Milliarden Euro setzen sich aus folgenden Komponenten zusammen: 3,4 Milliarden Euro gaben die Länder und Gemeinden für stationäre und mobile Pflegedienste aus. Das Bundespflegegeld lag bei zwei Milliarden Euro. Hinzu kamen noch Pflegekarenzgeld, Fördermittel für die 24-Stunden–Betreuung und andere Ausgaben.

Tatsächlich dürften die Gesamtkosten aber viel höher sein als die genannten 5,6 Milliarden Euro. Experten kritisieren seit Jahren, dass in Österreich keine detaillierte Erhebung über sämtliche Kostenfaktoren im Pflegewesen gemacht wird.

Derzeit werden viele Gelder aus dem Pflegebereich der Gesundheitssparte zugerechnet. Laut Statistik Austria lagen 2015 die Ausgaben für die Gesundheit (wie für Krankenhäuser, Medikamente, Ärzte, Heilbehelfe) bei 25,42 Milliarden Euro.

Wie komplex die Situation im Pflegewesen ist, zeigt sich bei den 900 Pflege- und Altenheimen, die österreichweit rund 78.000 Betreuungsplätze anbieten. 500 Heime stammen von privaten Trägern wie Caritas, Hilfswerk, Volkshilfe und Samariterbund. 400 haben einen staatlichen Träger. Die Situation sieht in jedem Bundesland anders aus. In Niederösterreich betreibt das Land die Hälfte aller Altersheime selbst. In Oberösterreich wird der Bedarf vor allem von den Sozialhilfeverbänden der Gemeinden und Städte abgedeckt. Im Burgenland und in der Steiermark werden ältere und pflegebedürftige Menschen meist in privaten Heimen betreut.


Warnung des Fiskalrats. Derzeit beziehen rund 450.000 Personen Pflegegeld. Laut Schätzung des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) wird die Zahl bis 2050 auf bis zu 750.000 Personen steigen. Damit werden sich die jährlichen Kosten für das Pflegegeld von derzeit zwei Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden erhöhen. Auch der bei der Nationalbank angesiedelte Fiskalrat, der sich unter anderem mit der Entwicklung der Staatsschulden beschäftigt, warnt vor einem dramatischen Anstieg der Pflegekosten.

Schuld daran ist die demografische Entwicklung. 2015 lag in Österreich der Anteil der über 80-Jährigen gemessen an der Gesamtbevölkerung bei fünf Prozent. Bis 2030 wird sich der Anteil auf 6,6 Prozent und bis 2060 auf elf Prozent erhöhen. Der Fiskalrat geht davon aus, dass die gesamtstaatlichen Pflegekosten für Altersleistungen bis 2030 jedes Jahr um 4,4 Prozent bis 6,2 Prozent steigen werden.


Boom bei 24-Stunden-Pflege. Überdurchschnittlich stark wird die 24-Stunden-Betreuung wachsen. In den vergangenen Jahren schoss die Zahl der Agenturen, die 24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa an österreichische Privathaushalte vermitteln, in die Höhe. „Es herrscht Goldgräberstimmung“, heißt es in der Branche. Die Zahl der Menschen, die diese Form der Pflege in Anspruch nehmen, dürfte sich in den nächsten Jahren auf 50.000 verdoppeln.

Doch mittlerweile wird es immer schwieriger, geeignetes Personal zu finden. Daher sehen sich die Agenturen nicht nur in der Slowakei und in Rumänien, sondern auch in Moldawien und in der Ukraine um. Ein Altersheimplatz kostet rund 3500 Euro monatlich. Die 24-Stunden-Pflege ist für die Betroffenen um die Hälfte billiger, wenn man auch die staatliche Förderung berücksichtigt.

Der Pflegebereich ist ein Beispiel für die Komplexität der föderalen Staatsarchitektur. Denn im Bundesländervergleich werden bei den mobilen und stationären Pflegekosten massive Unterschiede deutlich. Dies könne aus dem öffentlich verfügbaren Datenmaterial nur vereinzelt erklärt werden, kritisieren die Experten des Fiskalrats. Konkret lag 2015 die Bandbreite des Bruttoaufwands pro Bewohntag (unter Berücksichtigung des relativen Grads der Pflegebedürftigkeit) zwischen 74 Euro in Tirol und 238 Euro in Wien. Der Fiskalrat empfiehlt, dass dazu detaillierte Vergleichsstudien zwischen den Bundesländern gemacht werden. ?

Zahlen

450Tausend Menschen bekommen derzeit in Österreich Pflegegeld.

750Tausend Menschen
werden laut Wifo-Schätzung bis 2050 Pflegegeld beziehen. Die Steigerung hängt in erster Linie mit der demografischen Entwicklung zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2017)

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