Tourismus an Politik: "Gejodelt wird erst beim Heimgehen"

(c) Clemens Fabry
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Die Hoteliers warten auf die Umsetzung ihrer Wunschliste. Für die Steuersenkung dürfte die Regierung länger brauchen. Die Branche will nicht zu zufrieden wirken und Resultate sehen.

Wien. Es war ein launiger Auftakt. Am Montagabend eröffnete der 65. Kongress der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) mit einem Scherz. Bundeskanzler Sebastian Kurz sei weniger vorhersehbar als seine Vorgänger, bemerkte Politikberater Thomas Hofer – „die früheren Bundesregierungen haben alle verlässlich abgesagt“.

Der Tourismus ist unter Türkis-Blau zum Liebkind der Regierung avanciert. Dass zeigten schon die Kongressbesuche von Kurz als auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger, die bei der Gelegenheit ihre Verbundenheit zur Branche ausdrückten. „Wir wollen den Standort Österreich stärken und da sind wir schon beim Tourismus – der hat in den vergangenen Jahren in der Politik nicht die Rolle gespielt, die er sollte“, entschuldigte sich der Kanzler bei gut 600 Spitzenhoteliers. Applaus gab es für beide mehrmals, als sie für weniger Regulierungen, mehr Arbeitszeitflexibilität und Mittel gegen den Fachkräftemangel warben.

„Es sind viele Punkte drin, die wir haben wollten“, sagt ÖHV–Präsidentin Michaela Reitterer. „Wir haben sogar ein eigenes Ministerium bekommen.“  Dass die Zusammenlegung mit Themen wie Umwelt oder Landwirtschaft für den Tourismussektor nachteilig sein könnte, wollten weder Kurz noch Köstinger stehen lassen. Aus der Branche heißt es zur „Presse“, man ist gespannt, ob es zu Reibungen im Haus kommt – etwa beiden Themen Seilbahnen und Naturschutz.

Bei der Forderung, die die Hoteliers am lautesten trommelten, müssen sie sich jedenfalls noch länger gedulden. Die Rücksetzung der Mehrwertsteuer im Tourismus von 13 auf zehn Prozent, für die ein Ministerratsbeschluss im Februar vorliegen hätte sollen, ist nach neuem Stand für November geplant. Vor den Mitgliedern betonte die Lobby, in Fragen wie dieser nicht locker zu lassen. „Die ÖHV steht für Kompromisslosigkeit“, so Generalsekretär Markus Gratzer. Nun wolle man Resultate sehen. Oder wie Reitterer es ausdrückte: "Gejodelt wird erst beim Heimgehen." 

Klage über hohe Lohnkosten

Die Distanz zur Regierung wollte man auch mit einer Studie bewahren, die das Wifo für den Kongress erstellte. Darin wurden die Personalkosten der Beherbergungsbetriebe analysiert. Das Ergebnis deckte sich mit der Klage der Branche, die Gewinne blieben hinter den Erlösen zurück. „Die Arbeitskosten haben sich seit der Finanzkrise 2008 sehr dynamisch entwickelt“, sagte Studienautor Oliver Fritz. Zwischen 2008 und 2016 stiegen sie jährlich um 5,6 Prozent. Im EU-Durchschnitt waren es nur 1,8 Prozent. Reitterer nahm die Zahlen zum Anlass, um eine Senkung der Lohnnebenkosten zu fordern. „Es versickert zu viel im System“, sagt sie. Schließlich hätten die gestiegenen Bruttolöhne nur vier der 5,6 Prozent ausgemacht.

Im internationalen Vergleich war Österreich laut Fritz schon 2008 ein „Hochlohnland“. Anders sieht es jedoch aus, wenn man sich am österreichischen Durchschnitt misst. Ein Blick in die Daten der Statistik Austria zeigt: Von 2008 bis 2016 stieg das Bruttogehalt eines vollzeitbeschäftigten Österreichers von 2850 auf 3388 Euro. Im Tourismus ging er zum Höhepunkt der Krise mit 1590 Euro brutto heim, heute sind es 2093 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.01.2018)

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