Davos: Wie Trump das Wintermärchen stört

So viel Schnee fiel in Davos seit zwanzig Jahren nicht.
So viel Schnee fiel in Davos seit zwanzig Jahren nicht.(c) APA/AFP/FABRICE COFFRINI
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Beim Weltwirtschaftsforum in Davos herrscht allseits gute Stimmung. Wenn da nicht in jeder Hinsicht US-Präsident Donald Trump vor der Tür stehen würde.

Davos. Vielleicht ist das alles nicht wahr, sondern nur ein gut inszeniertes Wintermärchen: Seit mehr als zwanzig Jahren lag nicht mehr so viel Schnee in und um Davos. Die Teilnehmer des Weltwirtschaftsforums bekommen vorsorglich Steigeisen-ähnliche Gehbehelfe, um auf den Schneefahrbahnen einigermaßen sicher gehen zu können. Wobei gehen trotz dichtem Schneefall die beste Option ist: Dank des Winterwetters und der umfassenden Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Delegierten – unter ihnen ein paar Dutzend Regierungschefs – steht der Autoverkehr still, selbst die tapferen Schweizer Bahnen mussten immer wieder aufgeben und Züge canceln.

Aber noch schöner an diesem romantischen Wintermärchen ist die eigentliche Währung des Forums, der Schweiz und wohl der gesamten Welt: Die Weltwirtschaft legt zu, sogar Europa entdeckt das Plus wieder, und der Optimismus hier ist so groß wie seit Jahren nicht mehr. Das spürt man in vielen Gesprächen, in einer leichten Euphorie, die die Eröffnungsreden kennzeichnet, und in einer Umfrage, die pünktlich zu Beginn des Forums in Davos präsentiert wurde.

„Wir haben keinen Plan A“

Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) ließ weltweit Vorstände von Unternehmen und Konzernen befragen. Ergebnis: 57 Prozent der Führungskräfte gehen davon aus, dass sich das globale wirtschaftliche Wachstum in den nächsten zwölf Monaten weiter verbessern wird. Für die jährliche Studie wurden rund 1300 CEOs auf der ganzen Welt befragt. Zum Vergleich: Der 57-Prozent-Wert ist fast doppelt so hoch wie im Vorjahr (29 Prozent) und die größte Steigerung seit Beginn der Befragung zu globalem Wachstum im Jahr 2012. In den USA hat sich die Zuversicht unter den Firmenchefs mehr als verdoppelt (59 Prozent), nachdem 2017 aufgrund der US-Wahlen Unsicherheit geherrscht hatte (2017: 24 Prozent).

„Der Optimismus der CEOs beruht auf starken wirtschaftlichen Indikatoren. Die ökonomischen Rahmenbedingungen sind gut, und das BIP wird laut Schätzungen in den meisten großen Märkten steigen. Somit ist es keine Überraschung, dass sich CEOs ihrer Sache so sicher sind“, so Aslan Milla, Senior Partner bei PwC Österreich.
Allein Großbritannien bleibt eine Insel der Pessimisten, dort verschlechterten sich die Werte.

Nach den grauen Krisenjahren wagen sich sogar Banker mit positiven Wortmeldungen vor. Tidjane Thiam, CEO der Credit Suisse, meinte: „Es schaut so aus, als würde 2018 ein großartiges Jahr.“ Und fast schon begeistert: „Es gibt starke Hinweise, dass für jeden Job, den wir durch neue Technologien verlieren, 2,4 geschaffen werden.“ Das hatte in höchsten Finanzkreisen bisher anders geklungen.

Aber es gibt auch skeptische Stimmen in Davos: Für eine Bloomberg-TV-Session fühlt sich etwa Barclays-CEO Jes Staley ein bisschen an 2006 zurückerinnert, „als wir in Davos alle in der Stimmung waren und so sprachen, als hätten wir das Rätsel der Wirtschaftskrisen gelöst“. Und Harvard-University-Professor Kenneth Rogoff warnte gar, „wenn wir wieder eine Finanzkrise bekommen, haben wir keinen Plan A“.

IWF: US-Steuerpolitik hilft allen

Die ökonomische Aufbruchsstimmung – vor allem jene in den USA – hat auch ganz andere Gründe, über die man in europäischen Zeitungen bis zu diesem Montag nicht las: Die von Donald Trump beschlossene Steuerreform befeuert die US-Konjunktur – und das hilft weltweit, wie der IWF am Montag verkündete: „Die Änderungen in der US-Steuerpolitik stimulieren die wirtschaftlichen Aktivitäten.“ Also die Weltwirtschaft.

Ganz geheuer ist der erstmalige Besuch des US-Präsidenten – dessen Stab zum Teil vor Ort keine Zimmer mehr bekam und leicht verärgert in entferntere Orte ausweichen muss – den WEF-Teilnehmern natürlich nicht. Zu schrill, laut und bedrohlich tönt der Twitter-Krawall-Präsident für die großen Unternehmer und Eliten der Welt. Die „New York Times“ mutmaßte sinngemäß, dass der Besuch Trumps wohl ein gutes Ablenkungsmanöver des Populisten darstelle. Aber wie der Princeton-Professor Jan-Werner Müller in einem hochkarätig besetzten Panel formulierte: „Vor genau einem Jahr haben wir den Populismus-Tsunami gesehen und gefürchtet.“ 2018 sei die Angst davor weit weniger groß. Dennoch wird sich Trump am Freitag auf kühleres Klima als Mitte der Woche einstellen müssen. Grund dafür sind weniger seine (innen)politischen Kapriolen, sondern Handfestes: Die Rückkehr der Schutzzölle gegen Import aus Asien, speziell aus China, sorgt dort für gewaltigen Ärger. Den wird sich Trump am Freitag auch anhören müssen. . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2018)

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