Ein harter Start für Fed-Chef Nr. 16

Jerome Powell legte am Montag seinen Amtseid ab und schwört, für Wachstum und einen soliden Arbeitsmarkt zu sorgen.
Jerome Powell legte am Montag seinen Amtseid ab und schwört, für Wachstum und einen soliden Arbeitsmarkt zu sorgen.(c) REUTERS (JOSHUA ROBERTS)
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Die scheidende US-Notenbankchefin Janet Yellen warnt vor „erhöhten“ Preisen, die Märkte reagieren mit weiteren Verkäufen. Ihr Nachfolger, Jerome Powell, muss sich jetzt beweisen.

Wien/New York. Der größte Abverkauf an den Märkten seit 2016 hat sich am Anfang der Woche fortgesetzt. Asiatische, europäische und auch amerikanische Aktien gaben weiter nach. Der europäische Index Stoxx 600 fiel den sechsten Tag in Folge. Ebenso bergab ging es mit dem Ölpreis. Schon am Freitag war der Dow Jones um 666 Punkte runtergegangen. Der tiefste Fall seit Juni 2016. Der Dollar konnte sich zu Wochenbeginn vorerst stabilisieren. Aber nur Gold bewegte sich am Montag nach oben.

Es sieht wie ein klassisches Krisenszenario aus. Bis man ein paar Schritte zurückgeht und den Abverkauf aus der Entfernung betrachtet. So hat etwa der deutsche Aktienindex DAX seit seinem Hoch von rund 13.600 Punkten am 22. Jänner rund sieben Prozent nachgegeben. Aber das geschieht vor dem Hintergrund einer weltweiten Ausweitung des Wirtschaftswachstums. Die meisten Beobachter vermuten deshalb nur eine überfällige Korrektur hinter dem Abverkauf – keine tief gehende Krise.

Erste Warnungen vor Inflation

Aber dass die Märkte ausgerechnet am Tag der Angelobung von Jerome Powell, dem 16. Chef an der Spitze der US-Notenbank Federal Reserve, rot waren – das erzählt auch eine Geschichte. Es scheint so, als würden sich die Anleger an ein kleines Detail erinnern.

Daran nämlich, dass die Notenbanken (unter Führung der Fed) immer noch aus der lockersten Geldpolitik in der modernen Geschichte aussteigen müssen. Und daran, dass dieser Ausstieg umso schneller geschehen muss, wenn die Wirtschaft wieder anspringt. Noch sind etwa die Sorgen vor einer Überhitzung der Inflation nur sehr leise – aber es gibt erste Warner. Auch wird Jerome Powell, der kein Ökonom ist – sondern Jurist, möglicherweise beweisen wollen, dass er kein „Yellen light“ ist, wie er derzeit von manchen an der Wall Street spöttisch genannt wird. US-Präsident Donald Trump hatte mit der Nominierung des nicht gerade als Hardliner bekannten Powell überrascht, nachdem er als Präsidentschaftskandidat hart mit der Fed ins Gericht gegangen war.
Die Märkte erwarten von Powell deshalb etwas raschere Zinserhöhungen.

Zumindest am Anfang. Am Freitag sagte der Fed-Präsident von Dallas, Robert Kaplan, dass drei Zinsanhebungen heuer zu erwarten seien: „Es könnten aber mehr sein, wir müssen abwarten.“ Die Märkte stellen sich darauf ein, dass Powell im März den nächsten Schritt nach oben setzen wird. Die Fed hat zuletzt im Dezember die Zinsen um einen Viertelpunkt hochgesetzt – auf die Spanne von 1,25 bis 1,5 Prozent. Aber in Europa und Japan sind die Zügel noch immer sehr locker. Die Märkte müssen sich also keine Sorgen um die Liquidität machen.

Ist der harte Start für den neuen Fed-Chef also nur eine Korrektur? Ein Warnschuss? So sieht es derzeit aus. Aber es ist ein gut hörbarer Schuss. Erst recht, da seine eigene Vorgängerin Janet Yellen die Preise für amerikanische Aktien und Immobilien am Sonntag als „erhöht“ bezeichnet hatte.

Die UBS sagte am Montag dennoch, dass der Zeitpunkt zum Ausstieg aus dem Aktienmarkt noch nicht gekommen sei. Die Analysten der Großbank gehen davon aus, dass die Renditen auf US-Staatsanleihen sich in nächster Zeit nach einem deutlichen Anstieg wieder stabilisieren sollten – was den Aktienmärkten wieder Auftrieb verleihen sollte.
Die Renditen auf US-Schulden steigen, weil Anleger nervös sind ob der Refinanzierungsfähigkeit der USA. Erst recht, da US-Präsident Trump die Staatseinnahmen durch große Steuersenkungen weiter beschädigen könnte.

Zehn Prozent runter?

Dass mit China der größte Gläubiger Sorgen anmeldet und die Ratingagentur Dagong die USA sogar runtergestuft hat, kommt noch dazu. Auch UBS-Banker Mark Haefele schränkt ein: „Wenn die Renditen weiter steigen und die Inflation anzieht, müssen wir unsere Einstellung überdenken.“

An eine sofortige Trendwende ins Grüne glauben derzeit nur wenige Investoren. „Es ist wahrscheinlich, dass der Rückgang noch weitergehen wird, weil die Investoren sich auf die Straffung der Geldpolitik durch die Fed einstellen müssen“, sagte Shane Oliver von AMP Capital. Aber auch er sieht keinen Grund zur Angst vor einer Krise: „Der Rückgang ist wahrscheinlich aber nur eine notwendige Korrektur und kein schwerer Bärenmarkt.“ Er geht davon aus, dass der globale MSCI Index insgesamt zehn Prozent nachgeben wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2018)

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