Die EU als Vorreiterin in Sachen Datenschutz?

Erste-Privatkunden-Vorstand Bosek.
Erste-Privatkunden-Vorstand Bosek.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Über den gläsernen Menschen, die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung und den jüngsten Facebook-Skandal wurde an der WU eifrig diskutiert. Erste-Vorstand Peter Bosek empfindet „Regulatorik erstmals als positiv“.

Wien. Für Ronald Hochreiter ist die Sache längst klar. Auf die Frage, ob unser Leben noch Privatsphäre hat, antwortet er mit einem klaren Nein. Der Leiter des Forschungsinstituts für rechenintensive Methoden an der Wirtschaftsuni Wien sagt: „Man glaubt gar nicht, was alles in Fotos versteckt ist.“

Willkommen bei „Wirtschaft Wissenschaft Unplugged“, dem Diskussionsformat von WU, Erste Bank und „Presse“, das dieser Tage wieder im Festsaal der WU Wien stattgefunden hat. Big Data war das Thema. Topaktuell nach der Datenaffäre um Facebook und Cambridge Analytica, jenem Institut, von dem behauptet wird, dass es mithilfe von Facebook-Daten die US-Präsidentschaftswahl entschieden habe. Nadia Abou Nabout hält die Annahme für übertrieben. Die Leiterin des Instituts für Interactive Marketing and Social Media an der WU meint: „Ich bezweifle, dass Cambridge Analytica dazu geführt hat, dass ein Land anders gewählt hat.“

Aber was nicht ist, kann ja noch werden. 68 Facebook-Likes seien notwendig, um Hautfarbe, sexuelle und politische Orientierung eines Users zu eruieren, sagt Hochreiter. Das Problem sei nicht, was das Internet alles weiß. Das Problem sei vielmehr, was die Konsumenten alles nicht wissen. Aus Desinteresse. Dass Facebook die Daten seiner Kunden weitergibt, sei von Anfang an klar gewesen, meint der Wissenschaftler.

Auch für Peter Bosek ist der Datenskandal keine Überraschung. In jüngster Zeit liest der Vorstand für das Privatkundengeschäft der Erste Group die Nutzungsbedingungen von Apple, Facebook und Co. noch sorgfältiger als früher. Denn in Europa tritt am 25. Mai die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen alle Internet-User darüber aufgeklärt werden, was mit ihren Daten passiert und ob sie damit einverstanden sind. Für viele Unternehmen bedeutet das Gesetz eine enorme Kraftanstrengung. Denn auf Wunsch eines Kunden müssen dessen Daten gelöscht werden. Und das geht nur, wenn man weiß, wo all die Daten sind. Bosek ist einer der wenigen Manager, der die neue Verordnung begrüßt. Sie werde das „Bewusstsein schärfen“, ist er überzeugt und sagt: „Das ist das erste Mal, dass ich Regulatorik als positiv empfinde.“

Facebook sieht das anders und hat am Donnerstag mitgeteilt, dass es nicht mehr all seine zwei Milliarden Nutzer über die internationale Zentrale in Irland abwickeln wird, sondern nur noch die 370 Millionen Europäer. So entzieht sich Facebook größtenteils dem strengen EU-Regelwerk. (gh)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2018)

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