Strafprozess lässt Ölbranche zittern

Manager der Erdölkonzerne von Shell und Eni stehen wegen Korruption vor Gericht. Offiziell waschen sie ihre Hände jedoch in Unschuld.
Manager der Erdölkonzerne von Shell und Eni stehen wegen Korruption vor Gericht. Offiziell waschen sie ihre Hände jedoch in Unschuld.(c) APA/EPA/GEORGE ESIRI
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Manager der Erdölkonzerne Eni und Shell müssen sich seit gestern wegen Korruption vor einem Mailänder Gericht verantworten. Die Ölbranche verfolgt den Prozess mit Sorge.

Wien. In Mailand begann gestern ein Prozess, den die gesamte Erdölbranche mit Argusaugen verfolgen wird. Kurz gesagt: Es geht um Korruption, zweifelhafte Geschäftspraktiken und vor allem um viel Geld. Konkret wirft die Mailänder Staatsanwaltschaft früheren und gegenwärtigen Managern des italienischen Erdölkonzerns Eni und des britischen-niederländischen Unternehmens Royal Dutch Shell vor, für lukrative Förderlizenzen auf dem riesigen Erdölfeld OPL 245 in Nigeria Bestechungsgelder in Milliardenhöhe gezahlt zu haben. Praktiken, die in der Branche vor allem in korrupten Ländern keineswegs die Ausnahme sein sollen, behaupten Insider.

1,1 Mrd. Dollar Schmiergeld

2011 erwarben Shell und Eni nach langwierigen Rechtsstreitigkeiten für 1,3 Milliarden Dollar das Erdölvorkommen OPL 245 von der nigerianischen Regierung. Davon blieb jedoch nur ein kleiner Teil in der Staatskasse. 1,1 Mrd. Dollar flossen an die Malabu Oil & Gas, ein Unternehmen, das nicht gerade für seine Seriosität bekannt ist. Beide Ölkonzerne hätten gewusst, dass der Löwenanteil der 1,3 Mrd. Euro als Schmiergeld verteilt würde, so der Hauptvorwurf der Anklage.

Hinter Malabu Oil & Gas stand damals ein gewisser Dan Etete. Kein Unbekannter. Unter Nigerias ehemaligem Diktator Sani Abache war er in den 1990er-Jahren Ölminister. Seine Funktion nützte er, um 1998 Förderlizenzen zu erwerben und sie postwendend an seine eigene Firma Malabu zu übertragen. Etete hätte gestern auch auf der Anklagebank in Mailand Platz nehmen sollen. Er tat es nicht, seit einiger Zeit ist der Nigerianer nämlich untergetaucht.

Eni und Shell fühlen sich wenig überraschend völlig zu Unrecht attackiert. Sie verweisen auf Untersuchungen, die ergeben hätten, dass alle Zahlungen ausnahmslos an die nigerianische Regierung erfolgt seien. Mit Malabu oder anderen Personen hätte es keinerlei Abkommen gegeben, sagte der Eni-Pressesprecher gestern. Auch bei Shell kann man sich nicht vorstellen, dass der Strafprozess in Mailand mit einer Verurteilung ihrer Manager enden könnte: Sollten Beweise am Ende zeigen, dass Malabu oder andere Personen vorschriftswidrige Zahlungen an damalige Regierungsmitglieder geleistet und dafür Gegenleistungen erhalten haben, sei dies ohne Wissen oder Anweisung von Shell geschehen, sagt die Sprecherin des Konzerns der Deutschen Welle auf Nachfrage.

Alles korrekt und legal?

Dass die Konzerne nie mit Dan Etete, der wegen Geldwäsche verurteilt worden ist, in Berührung gekommen sein sollen, daran haben viele Beobachter ihre Zweifel. Der britischen Umweltorganisation Global Witness wurden vertrauliche E-Mails zugespielt, die eine direkte Verbindung zwischen den Führungskräften von Shell und Etete belegen sollen. Die „New York Times“ konfrontierte Shell mit diesen E-Mails. Man habe keine andere Wahl gehabt, als sich mit Etete und seinem Unternehmen Malabu auseinanderzusetzen, räumte Shell ein. Dennoch sei alles korrekt und legal abgelaufen.

Allein die Tatsache, dass dieser Strafprozess nun stattfindet, hat für viel Aufregung gesorgt. „Noch nie standen Firmen dieser Größenordnung wegen Korruption vor Gericht. Manager von anderen Ölkonzernen sollten echt besorgt sein, dass sie mit korrupten Geschäften im Gefängnis landen können“, sagt Barnaby Pace, Leiter der Ermittlungen bei Gobal Witness.

Den Managern von Eni und Shell wird derzeit nicht nur in Mailand der Prozess gemacht. Auch vor dem nigerianischen Bundesgerichtshof in Laos findet ein Verfahren gegen die Erdölkonzerne statt. Die Menschenrechtsgruppe Human & Environmental Development Agenda (Heda) verlangt, dass Shell und Eni die Förderlizenzen entzogen werden.

Die Chancen sind nicht schlecht, sagte der Heda-Sprecher in einem Interview mit der Deutschen Welle. „Schließlich hat sogar die nigerianische Regierung erklärt, dass der Kauf der Förderlizenzen unrechtmäßig abgelaufen sei.“ (hec/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2018)

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