Das Comeback des Reisebüros

Die Österreicher meiden gewisse Krisenregionen. Aber den Urlaub lassen sie sich nicht nehmen – und geben dafür mehr aus als für jede andere Beschäftigung.
Die Österreicher meiden gewisse Krisenregionen. Aber den Urlaub lassen sie sich nicht nehmen – und geben dafür mehr aus als für jede andere Beschäftigung.REUTERS
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Der Abgesang kam zu früh: Das Reisebürogeschäft wächst dank Krisen, Terror und dem Wunsch nach Beratung. Die echte Krise bleibt zurzeit aus – alles hofft auf einen guten Sommer.

Wien. Martin Winkler hatte es im November immer wieder betont: Das Reisebüro ist nicht tot. Da war er gerade als neuer Vorstand des Verkehrsbüros angetreten. Die Zahlen des größten österreichischen Tourismuskonzerns (Ruefa, Eurotours) für 2017 lagen noch nicht vor. Jetzt schon. Und sie geben Winkler recht: Die Österreicher gehen wieder ins Reisebüro. Was viele als Auslaufmodell sahen, erfreut sich neuer Popularität.

Woran das liegt? Es sind viele Gründe und Trends, die den gut hundert Filialen der Ruefa-Kette und ihren großen Konkurrenten wie TUI in die Hände spielen. Einer, und der wohl wichtigste Grund: Die Krisen der jüngsten Vergangenheit entpuppten sich für die Reisebürobranche im Nachhinein als Glücksfall. Terroranschläge in Hauptreiseländern und geopolitische Unruhen an Europas Grenzen sensibilisierten die Österreicher für die – auch wirtschaftlichen – Risken, die eine Hotelbuchung mit sich bringen kann. Dazu kam Ende des Vorjahrs das Aus der Fluglinie Air Berlin, die ihre Österreich-Tochter Niki mit sich riss.

Das alles machte drei Dinge attraktiver: Pauschalreisen, Heimaturlaube und Reisebüros. In Zahlen bedeutete das für die Verkehrsbüro Gruppe, die alle drei anbietet, 2017 ein Plus beim Vorsteuergewinn von 31 Prozent auf 20,2 Mio. Euro. Einen guten Teil trugen die fünf Prozent Neukunden in den Reisebüros bei. Der Geschäftsbereich trägt schließlich mit 307 Mio. Euro Umsatz knapp ein Drittel der gesamten Gruppe.

Beim Urlaub wird nicht gespart

Eine andere Antwort, wieso es für die Branche gerade gut läuft, liefert eine erst diesen Dienstag publizierte Studie des Handelsverbands: Die Österreicher geben für keine andere Beschäftigung so viel Geld aus wie für Reisen und Urlaube. Mit 28,8 Mrd. Euro übertrafen die Ausgaben 2017 sogar jene für Lebensmittel und stiegen im Vergleich zum Jahr davor nochmals um 1,6 Mrd. Euro.

Das deckt sich mit der Beobachtung der Reisekonzerne: Die Touristen meiden zwar nach wie vor gewisse Regionen. Aber das hält sie nicht vom Urlauben per se ab. 81 Prozent wollen heuer bis zu drei Mal verreisen, die Wirtschaftskrise scheint im Tourismussektor endgültig überwunden. Diese Diagnose traute sich Ruefa nach einer Umfrage schon im Jänner zu. Zu dem Zeitpunkt war bereits ein Drittel der Buchungskontingente für 2018 vergriffen. Dabei laufen drei Trends parallel: Die Österreicher buchen mehr, früher – und sie wollen dabei das Rundum-Sorglos-Paket aus dem Reisebüro zusammengestellt haben, statt sich durch Tausende Angebote im Internet zu klicken.

Die zunehmende Präsenz und Dominanz von digitalen Buchungsplattformen wie Booking.com ist dennoch nicht von der Hand zu weisen. Und auch wenn Winkler betont, dass sein Konzern gezeigt habe, „dass ein Reisebüro zukunftsfit agieren kann“, weiß er, dass er sich lieber nicht ausruhen sollte. Also werden seine 500 Reisebüromitarbeiter nicht nur in Chats und ähnlichen Kanälen geschult, über die sie mit den Kunden kommunizieren sollen. Ruefa arbeitet auch mit Universitäten an Konzepten, wie man dem Reisebüro das Image eines reinen Verkaufsplatzes austreiben kann.

Die Jungen wollen sich beim Betreten des Geschäfts nicht sofort in einem Kaufgespräch wiederfinden, in dem sie sich zu etwas genötigt fühlen, sagt Winklers Vorstandskollegin Helga Freund. Stattdessen will man sie mit Erlebnissen locken – wie genau diese aussehen werden, scheint aber noch nicht völlig klar.

Was den Buchungs- und Umsatzzahlen 2017 und – so hofft Winkler – auch das ganze Jahr 2018 hilft, ist das Ausbleiben weiterer Krisen. Zurzeit ist es ruhig. Griechenland, das 2015 und 2016 die Bilder von der Flüchtlingsroute spürte, ist mit neuen Zugewinnen die deutliche Nummer eins des Sommers. Dahinter folgen die üblichen Reiseziele wie Spanien, Italien und Kroatien. Und auch die Türkei, die im Zuge der Anschläge und des Putschversuchs deutlich verloren hat, ist wieder gefragt – allerdings kommt das Land nicht an das Niveau von 2014 heran.

Neue Häuser gesucht

Wo es wirklich gut läuft, ist in Wien – der Wunsch nach Sicherheit, aber auch Kongresse und Großveranstaltungen füllen die Häuser. Das spürten die 28 Austria Trend Hotels des Verkehrsbüros, die großteils in der Hauptstadt stehen. In den vergangenen Jahren flossen 15 Mio. Euro in die teils angegraute Substanz. Jetzt will Winkler gleich nochmals 40 Mio. Euro in den nächsten fünf Jahren nachschießen – und auch durch Übernahmen von Hotels „in Österreich und dem benachbarten Ausland“ wachsen. Zwei, drei Projekte sind im Gespräch, spruchreif ist nichts. Es habe keine Eile, sagt Winkler. Für Eile sei man mit 101 Unternehmensjahren zu alt. (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2018)

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