Gabriel-Eklat wirkt nach: Deutsch-saudische Krise lähmt Wirtschaft

APA/AFP/FAYEZ NURELDINE
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Deutsche Firmen haben derzeit im Königreich Saudi-Arabien einen schweren Stand. Der Grund: politische Spannungen.

Besuche werden abgesagt, Firmen geschnitten: Seit einem halben Jahr zeigt Saudi-Arabien der Bundesrepublik Deutschland die kalte Schulter - und blockiert die deutsche Wirtschaft. Interne Berichte zeigen, wie groß Ärger und Sorge sind.

Detlef Daues hat ein Problem. Seit knapp 40 Jahren ist er in Saudi-Arabien im Geschäft. Seine Firma V-Line, die den Einkauf von Ersatzteilen von Industrieanlagen managt, sei mit dem Königreich gewachsen, erzählt der Mittelständler. Nun pumpt Saudi-Arabien hunderte Milliarden in den Umbau seiner Wirtschaft - aber Daues und viele weitere deutsche Firmen können davon momentan nicht profitieren. Die Saudis schneiden Deutschland wegen einer politischen Krise systematisch. Man spüre eine "Abneigung", sagt Daues.

Wann der Streit eskalierte, lässt sich genau sagen: Am 18. November. An diesem Tag, der am Freitag ein halbes Jahr zurückliegt, zog das Königreich seinen Botschafter Prinz Chalid bin Bandar bin Sultan bin Abdulasis Al Saud aus Berlin ab. Vorausgegangen waren ungewöhnlich undiplomatische Worte des damaligen deutschen Außenministers Sigmar Gabriel (SPD) in Richtung Saudi-Arabien.

Reizwort Gabriel

Zu dieser Zeit kursierten Berichte, dass der libanesische Ministerpräsident Saad Hariri gegen seinen Willen in Riad festgehalten werde. Gabriel bezeichnete die Politik der Saudis deshalb als "Abenteurertum", das man nicht mehr sprachlos hinnehmen könne. Das Königreich schäumte wegen dieser öffentlichen Demütigung. Der Name "Gabriel" wurde auf den Ministeriumsfluren in Saudi-Arabien zum Reizwort, das so manchen Amtsträger in Rage brachte.

Dass Gabriels Auftritt auch unter deutschen Diplomaten Unmut auslöste, zeigen interne Berichte aus dem November. Dort rät die deutsche Botschaft Riad in deutlichem Ton zur Mäßigung in Äußerungen über Saudi-Arabien: "Es ist aus hiesiger Sicht auch Zeit - gar mancher in Berlin mag das nicht gern hören - , dass wir das offene oder versteckte Saudi Bashing beenden (...)."

Saudi-Arabien müsse auch angesichts "der umfassendsten Reformen, die das Land je gesehen hat", differenziert wahrgenommen werden. Die deutschen Wirtschaftsinteressen in dem sich öffnenden Land seien "momentan erheblich gefährdet" - Deutschland exportierte 2017 Güter im Wert von mehr als 6,5 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien.

Die Saudis forderten den Berichten zufolge eine öffentliche Stellungnahme, "um zur Normalität zurückzufinden". Kurz vor Weihnachten schwächte Gabriel dann seinen Ton im Interview mit einer arabischen Zeitung auch deutlich ab. Normal wurde trotzdem nichts.

"Unsere saudischen Partner haben den Eindruck, dass Deutschland ihnen die Anerkennung für ihre historischen Reformen verweigert", sagt Oliver Oehms, Chef der Außenhandelskammer in Riad. Die deutschen Unternehmen vor Ort seien "zunehmend beunruhigt" und bangen um ihr Geschäft. Grund für Optimismus gibt es nicht: Es gibt sogar Hinweise, dass deutsche Firmen bei Ausschreibungen in Saudi-Arabien zurzeit nicht einmal berücksichtigt werden.

Reparaturarbeiten schwierig

Im Auswärtigen Amt hatte man gehofft, dass sich das Problem nach einem Wechsel an der Ministeriumsspitze von alleine löst. Ganz so einfach wurde es dann aber für den neuen Außenminister Heiko Maas nicht. Denn seine Partei, die SPD, verhandelte ein neues Problem mit Saudi-Arabien in den Koalitionsvertrag hinein: Neue Rüstungsgeschäfte mit den "unmittelbar" am Jemen-Krieg beteiligten Staaten sind nun untersagt. Saudi-Arabien ist zweifellos von der Klausel betroffen, weil es eine Allianz von acht Ländern anführt, die im Jemen gegen die schiitischen Huthi-Rebellen kämpft.

Riad kann sich seine Rüstungsgüter zwar auch woanders kaufen, trotzdem werden solche Verbote dort als unfreundlicher Akt gewertet. Denn Saudi-Arabien hält seinen Krieg im Jemen für vollkommen legitim und zwingend notwendig.

Deutschland liefere ja auch an Länder Waffen, die am Kampf gegen den IS in Syrien und im Irak oder gegen die Taliban in Afghanistan beteiligt seien, sagte der saudische Außenminister Adel al-Dschubair noch während der Koalitionsverhandlungen im Februar in einem dpa-Interview. "Es sieht also so aus, als ob die deutsche Regierung bei den Entscheidungen darüber, was bei legitimen Kriegen verkauft werden kann und was nicht, selektiv vorgeht. Das kommt mir seltsam vor und trägt nicht zur Glaubwürdigkeit der deutschen Regierung bei."

Die Reparaturarbeiten am deutsch-saudischen Verhältnis gestalten sich also schwierig - trotz des Abgangs Gabriels. Maas schickte im März kurz nach seinem Amtsantritt zwar sofort seine Abteilungsleiter Nahost nach Riad. Ein zweiter Besuch von Staatsminister Niels Annen, der Ende April im Nahen Osten unterwegs war, kam nach dpa-Informationen aber wegen des Desinteresses der saudischen Seite nicht zustande.

Maas selbst saß zwar vor zwei Wochen bei einem Treffen zur Syrien-Krise in Paris mit seinem Amtskollegen al-Dschubair an einem Tisch. Zu einem klärenden Gespräch der beiden über die bilaterale Probleme kam es bisher allerdings noch nicht. Beim G-20-Außenministertreffen im argentinischen Buenos Aires am kommenden Pfingstwochenende könnte sich eine neue Chance ergeben. Es ist aber noch nicht klar, ob al-Dschubair überhaupt teilnimmt.

Von oben gesteuert

Die saudische Blockade soll von ganz oben gesteuert werden, von Kronprinz Mohammed bin Salman, dem starken Mann im Land. Schon 2015 warnte der Bundesnachrichtendienst vor dessen Impulsivität und den Auswirkungen auf die künftige Politik Saudi-Arabiens. Nun lässt sich der Monarch bitten.

"Wir haben ein ganz klares Problem. So schlecht war das politische Verhältnis von Deutschland und Saudi-Arabien noch nie", sagt Unternehmer Daues, der 140 Mitarbeiter in Deutschland und weitere 110 im Ausland beschäftigt. Er investierte Millionen, um am riesigen saudischen Wirtschaftsumbau "Vision 2030", der das Land unabhängiger vom Öl machen soll, zu profitieren. Stattdessen dozieren Partner in Gesprächen nun, wie schlecht es um die Beziehungen der Länder stehe.

Ein Kunde, der pro Monat für einen Umsatz von einer Million Euro sorgt, habe die Zusammenarbeit zuletzt sogar für einige Wochen ausgesetzt, sagt Daues. Er höre immer wieder, dass jetzt nur noch die Kanzlerin helfen könne. "Ich hoffe, dass Merkel das Problem löst".

(APA/dpa)

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