Machtwechsel bei Raiffeisen: Wer folgt Konrad nach?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Raiffeisen-Boss will in ein bis zwei Jahren abtreten. Seine Macht soll auf mehrere Personen aufgeteilt werden. Der 66-Jährige herrscht über ein Reich aus Banken und Lebensmittelkonzernen, aus Medien und Bauriesen.

Wien. Christian Konrad ist einer der mächtigsten Manager Österreichs. Nun bereitet der oberste Raiffeisen-Boss seinen Rückzug vor. Nur „ein, zwei Jahre“ werde er den Job noch machen, kündigte Konrad vor Kurzem an. Die Nachfolger stehen schon fest. „Den Betroffenen habe ich es gesagt“, so Konrad im ORF-Report. Namen verrät er nicht. Nicht nur im Raiffeisensektor wird seitdem spekuliert, wer Konrad beerben wird.

Eines steht jedenfalls schon fest. Eine so geballte Machtfülle, wie sie Konrad derzeit innehat, soll es künftig nicht mehr geben. Der 66-Jährige herrscht über ein Reich aus Banken und Lebensmittelkonzernen, aus Medien und Bauriesen. Bei ihm laufen die Fäden von Österreichs Wirtschaft und Politik zusammen. Dem Vernehmen nach will Konrad seine Macht auf mehrere Männer aufteilen. Denn Raiffeisen sei in den vergangenen Jahren stark gewachsen, sodass eine Kontrolle über das Imperium immer schwieriger werde, heißt es. Im Bankenbereich dürfte Raiffeisen-Osteuropa-Chef Herbert Stepic als Gewinner aus den jüngsten Umbauplänen hervorgehen. Stepic soll Chef der neuen Raiffeisen-Superbank (fusionierte Raiffeisen Zentralbank und deren Osteuropa-Tochter) werden. Er ist zwar schon 63 Jahre alt, doch ihm wird am ehesten zugetraut, dass er internationalen Analysten erklären kann, warum neben Raiffeisen International auch die RZB Zugang zum Kapitalmarkt braucht.

Zwei Millionen Mitglieder

Bei den Industriebeteiligungen wird aller Voraussicht nach Erwin Hameseder, Chef der Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien, das Sagen haben. Hameseder dürfte die Nachfolge von Konrad als Obmann der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien antreten. Dort haben die Giebelkreuzer ihre Firmenbeteiligungen gebündelt. Das Netzwerk umfasst 680 Anteile an Unternehmen. Rund 165.000 Mitarbeiter stehen damit direkt und indirekt auf der Lohnliste der Gruppe. Nur die öffentliche Hand ist in Österreich mit 400.000 Beschäftigten noch größer. Die bekanntesten Nichtfinanzfirmen sind Strabag, Agrana, Leipnik-Lundenburger Invest, NÖM, Sat1-Österreich, „Kurier“, „Profil“ und „Format“.

RZB-Chef Walter Rothensteiner soll künftig für sektorinterne Angelegenheiten (in erster Linie für die Kooperation mit den Landesbanken) zuständig sein. Dieser Bereich wird aus der RZB herausgelöst und in eine Holding übertragen.

Um Konrads Nachfolge an der Spitze des österreichischen Raiffeisenverbands gibt es noch ein Tauziehen. Für diesen Posten sind drei Männer im Gespräch: Hameseder, Rothensteiner und Jakob Auer, Koordinator der oberösterreichischen Raiffeisenkassen und ein Verbündeter von Ludwig Scharinger, Chef der Landesbank Oberösterreich. Vor allem Scharinger würde es gern sehen, wenn ein Oberösterreicher den prestigeträchtigen Posten übernimmt.

Die Bedeutung des Verbands lässt sich daran ablesen, dass jeder vierte Österreicher Mitglied einer Raiffeisen-Organisation ist. Zum Vergleich: Auf Platz eins liegt die katholische Kirche mit 5,8 Millionen Mitgliedern, gefolgt von der Arbeiterkammer mit 2,6 Millionen. Dann kommen schon die Giebelkreuzer mit 2,05 Mitgliedern.

Konrads Vertrag beim Raiffeisenverband läuft Mitte 2010 aus. Seine Nachfolge muss bei der nächsten Generalversammlung am 14. Juni geregelt werden.

Querschüsse aus Oberösterreich

Aus Konrads Umfeld ist zu hören, dass er zunächst eine Vertragsverlängerung anstrebt. Ein Machtwechsel heuer würde angesichts der jüngsten Umstrukturierungen zu einer Verunsicherung führen, heißt es. Geht die Fusion von RZB und Raiffeisen International reibungslos über die Bühne, will Konrad Mitte 2011 oder 2012 alle Funktionen zurücklegen. So hat es der Raiffeisen-Boss zumindest geplant.

Querschüsse kommen aus Oberösterreich. Scharinger soll sich weigern, für gewisse Dienstleistungen der RZB wie zum Beispiel beim Zahlungsverkehr und bei der IT in vollem Umfang mitzuzahlen. Auch Konrads Bemerkung, er habe sich seine Nachfolger schon ausgesucht, sorgen bei manchen für Verstimmung. In der Öffentlichkeit will sich dazu aber niemand äußern. Laut Statuten ist der Raiffeisenverband demokratisch organisiert. Er besteht aus über 60 Mitgliedsorganisationen – wie den Landesbanken, den Lagerhäusern, Molkereigenossenschaften und Gruppierungen wie der „Friedhofsgärtnergenossenschaft für Dauergrabpflege“. Unabhängig von der Größe hat jede Organisation in der Generalversammlung ein Stimmrecht. Doch Demokratie muss dort erst gelebt werden. In der mehr als 100-jährigen Raiffeisen-Geschichte war es stets üblich, dass der Generalanwalt seinen Nachfolger vorgeschlagen hat – und dem Wunsch wurde anstandslos entsprochen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2010)

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