Regierung einigt sich auf neue Arbeitszeitregelung

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Die Koalitionsparteien orientieren sich bei der Lösung am Sozialpartner-Papier aus dem Vorjahr. Eine Vier-Tage-Woche wird gesetzlich ermöglicht.

ÖVP und FPÖ haben sich auf ein Modell zur umstrittenen Arbeitszeitflexibilisierung geeinigt. Die beiden Regierungsparteien haben sich dabei laut eigenen Angaben an einem Sozialpartner-Papier aus dem Jahr 2017 orientiert. Der 8 Stunden-Tag soll als gesetzliche Normalarbeitszeit bleiben, auf freiwilliger Basis soll ab Jänner 2019 aber auch länger, nämlich bis zu 12 Stunden, gearbeitet werden können.

Einen entsprechenden Gesetzestext haben die Koalitionsparteien am Nachmittag als Initiativantrag im Parlament eingebracht. Bei der geplanten Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 12 Stunden sowie der wöchentlichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 60 Stunden soll es Einschränkungen geben, heißt es in dem Papier. Für die 11. und 12. Stunde gibt es demnach bei überwiegenden persönlichen Interessen - etwa Kinderbetreuungspflichten - für jeden Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht. Der Beschluss im Nationalrat ist für Juli geplant.

Die Klubobleute von ÖVP und FPÖ, August Wöginger und Walter Rosenkranz, haben sich nach Einbringung des Antrags hochzufrieden gezeigt. Es sei darum gegangen, eine "Win-Win-Situation" für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schaffen, sagte Wöginger am Donnerstag vor Journalisten. Dass das Paket mittels Initiativantrag und nicht via Regierungsvorlage eingebracht wird, begründeten die Klubchefs damit, dass die Materie maßgeblich von Abgeordneten der beiden Parlamentsklubs ausgearbeitet worden sei. Das Paket bringe mehr Flexibilität, "auf der anderen Seite werden Überstunden wie bisher abgegolten", sagte Wöginger.

4-Tage-Woche gesetzlich möglich

Die weiteren Eckpunkte der von ÖVP und FPÖ ausverhandelten Arbeitszeitregelung: Der 8-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit soll gesichert bleiben, zugleich die 4-Tage Woche gesetzlich ermöglicht werden. Neben der täglichen (8 Stunden) soll auch die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden beibehalten werden, kollektivvertragliche Regelungen der Normalarbeitszeit blieben ebenfalls unberührt, heißt es. Das Modell der Sozialpartner, das von Gewerkschaftsseite am Ende freilich nicht akzeptiert wurde, sah ursprünglich eine Erhöhung der gesetzlichen Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden pro Tag vor.

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf laut den ÖVP-FPÖ-Plänen wie bisher 48 Stunden nicht überschreiten. Keine Änderungen soll es bei den Zuschlägen geben. Ein weiterer Punkt: Entkriminalisierung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei freiwilliger Gleitzeit auf 12 Stunden, fünfmal pro Woche bei gleichbleibendem Regelungsregime. Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag - Zeit oder Geld je nach Vereinbarung - vergütet. Ausnahmemöglichkeiten von der Wochenend- und Feiertagsruhe soll es maximal vier Mal im Jahr geben, allerdings nicht an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden. Die mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum soll durch Kollektivvertrag ermöglicht werden.

Keine Änderung bei Zuschlägen

Ziel der Flexibilisierung ist laut den Regierungsparteien die "Anpassung an die modernen Lebensverhältnisse und Lebenswelten". Für Pendler und Familien soll es demnach mehr Freiheit und Freizeit geben, auch von besseren Möglichkeiten zum verlängerten Wochenende ist die Rede. Für die Wirtschaft ergebe sich aus dem Maßnahmen eine "Auftragssicherheit durch die Abdeckung von Spitzenzeiten". Die Politik der Gewerkschaft, die bereits in den vergangenen Tagen gegen die Arbeitszeitflexibilisierungspläne der Regierung mobil gemacht hatte, sehen ÖVP und FPÖ im Gesetz verankert. Die Systematik der gewerkschaftlichen Betriebsvereinbarung, die jetzt gilt, werde zukünftig ins Gesetz geschrieben, heißt es in dem Papier.

Für das Gesetzesvorhaben soll es übrigens keine normale Begutachtungsphase geben, geplant ist laut ÖVP und FPÖ nur eine umfassende Ausschussbegutachtung im Parlament. Am 1. Jänner 2019 soll das Arbeitszeitflexibilisierungsmodell dann in Kraft treten.

Mahrer sieht Vorteil für alle

Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer begrüßt, dass "jetzt das dringende Thema 'flexiblere Arbeitszeiten' endlich gelöst werden soll". Die Vorschläge könnten helfen, "endlich zeitgemäße Arbeitsbedingungen umzusetzen, die Betrieben, Mitarbeitern und Kunden Vorteile bringen." Denn Firmen könnten flexibler auf Kundenaufträge reagieren, das werde Arbeitsplätze sichern. Die Arbeitnehmer wiederum könnten mehr Geld verdienen oder mehr Freizeitblöcke haben und angesichts ihres Rechts, lange Arbeitstage abzulehnen, "ist sichergestellt, dass niemand gegen seinen Willen und seine zeitlichen Möglichkeiten zu Überstunden verpflichtet werden kann."

Erfreut ist auch Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung. Damit sei die notwendige Modernisierung des Arbeitsrechts in Angriff genommen worden. Der Vorschlag zur flexibleren Arbeitszeit bedeute "die Anpassung des Arbeitsrechts an gesellschaftliche Wünsche und Notwendigkeiten". Er ist überzeugt, dass die längeren Arbeitszeiten nicht nur für die Unternehmen wichtig seien, sondern "dies wünschen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Hinblick auf längere Freizeitblöcke und mehr Zeit mit der Familie seit längerem", so Kapsch. Es gehe darum, "gemeinsame Flexibilitätsbedürfnisse von Beschäftigten und Unternehmen anzuerkennen". Künftig könne damit "gearbeitet werden, wenn Arbeit anfällt".

(APA)

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