Freiwillig zwölf Stunden lang arbeiten

Arbeitnehmer sollen unter bestimmten Voraussetzungen die Mehrarbeit ablehnen können, heißt es in dem Antrag der Koalition.
Arbeitnehmer sollen unter bestimmten Voraussetzungen die Mehrarbeit ablehnen können, heißt es in dem Antrag der Koalition.(c) Clemens Fabry
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Die Regierung hat im Parlament einen Antrag auf Flexibilisierung der Arbeitszeit eingebracht. Jeder soll zwölf Stunden lang arbeiten dürfen, die Vier-Tage-Woche wird möglich.

Wien. Es ist sicher kein Zufall: Just während die Gewerkschaft bei ihrem Bundeskongress im Wiener Austria Center Stimmung gegen längere Arbeitszeiten macht, legt die Regierung ein Modell für eine neue Arbeitszeitregelung vor. Demnach soll der Acht-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit bleiben. Auf freiwilliger Basis soll ab Jänner 2019 aber auch länger, nämlich bis zu zwölf Stunden, gearbeitet werden können. ÖVP und FPÖ haben sich bei ihrem Modell laut eigenen Angaben an einem Sozialpartner-Papier aus dem Jahr 2017 orientiert.

Das Vorhaben wurde als Initiativantrag am Donnerstagnachmittag im Parlament eingebracht. Wesentlichster Unterschied zu einem Gesetzesentwurf, der von der Regierung kommt: Man erspart sich eine Begutachtungsphase und kommt schneller zu einem Beschluss. Tatsächlich sollen die Änderungen des Arbeitszeitgesetzes bereits im Juli beschlossen werden, am 1. Jänner kommenden Jahres könnten sie in Kraft treten.

Bei der geplanten Anhebung der täglichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf zwölf Stunden sowie der wöchentlichen Höchstgrenze der Arbeitszeit auf 60 Stunden soll es Einschränkungen geben, heißt es in dem Papier. Für die elfte und zwölfte Stunde gibt es demnach bei überwiegenden persönlichen Interessen – etwa Kinderbetreuungspflichten – für jeden Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht.

Die weiteren Eckpunkte der von ÖVP und FPÖ ausverhandelten Arbeitszeitregelung: Der Acht-Stunden-Tag als gesetzliche Normalarbeitszeit soll gesichert bleiben, zugleich die Vier-Tage-Woche gesetzlich ermöglicht werden. Auch die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden wird beibehalten.

Das Modell der Sozialpartner, das von Gewerkschaftsseite am Ende freilich nicht akzeptiert wurde, sah ursprünglich eine Erhöhung der gesetzlichen Normalarbeitszeit von acht auf zehn Stunden pro Tag vor.

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit darf laut den ÖVP-FPÖ-Plänen wie bisher 48 Stunden nicht überschreiten. Keine Änderungen soll es bei den Zuschlägen geben.

Arbeiten am Feiertag

Ein weiterer Punkt: Entkriminalisierung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei freiwilliger Gleitzeit auf zwölf Stunden, fünfmal pro Woche bei gleichbleibendem Regelungsregime. Nicht übertragbare Gleitstunden werden am Ende der Gleitzeitperiode wie bisher mit Zuschlag – Zeit oder Geld, je nach Vereinbarung – vergütet.

Ausnahmemöglichkeiten von der Wochenend- und Feiertagsruhe soll es maximal viermal im Jahr geben, allerdings nicht an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden. Die mehrmalige Übertragungsmöglichkeit von Zeitguthaben und Zeitschulden in den jeweils nächsten Durchrechnungszeitraum soll durch Kollektivvertrag ermöglicht werden.

Ziel der Flexibilisierung ist laut den Regierungsparteien die „Anpassung an die modernen Lebensverhältnisse und Lebenswelten“. Für Pendler und Familien soll es demnach mehr Freiheit und Freizeit geben, auch von besseren Möglichkeiten zur Verlängerung eines Wochenendes ist die Rede. Für die Wirtschaft ergebe sich aus den Maßnahmen eine „Auftragssicherheit durch die Abdeckung von Spitzenzeiten“.

Die Politik der Gewerkschaft, die beim aktuellen Bundeskongress gegen die Arbeitszeitflexibilisierungspläne der Regierung mobil gemacht hat, sehen ÖVP und FPÖ im Gesetz verankert. Die Systematik der gewerkschaftlichen Betriebsvereinbarung, die jetzt gilt, werde zukünftig ins Gesetz geschrieben, heißt es in dem Papier der Regierung. (red./ag)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2018)

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