Nach Kontroverse: Gleitzeitzuschläge bleiben bestehen

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Laut Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministerin wird es auch mit der Arbeitszeitflexibilisierung die Zuschläge bei Gleitzeit weiter geben, sofern die Mehrarbeit angeordnet war.

Unklarheit herrschte um Details der geplanten Arbeitszeitflexibilisierung der Regierung. So hatte sich der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Kapsch, am Rande einer Pressekonferenz zum möglichen Entfall von Gleitzeitzuschlägen durch die geplanten neuen, flexibleren Arbeitszeiten geäußert. Wenn die Gleitzeitzuschläge tatsächlich wegfielen, "dann wollen wir das nicht und werden mit der Bundesregierung reden", sagte Kapsch.

Aufklärung brachten in der Folge deutliche Ansagen von Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und von der Wirtschaftskammer. Laut Schramböck bleiben bei angeordneten Überstunden die Zuschläge auch bei Gleitzeit erhalten. "Bei einer elften und zwölften Stunde, falls die vom Vorgesetzten angeordnet wurden, bleiben die Zuschläge erhalten", betonte die Ministerin. Das gelte dann für die Zuschläge für die 9., 10., 11. und 12. Stunde, "weil wir an der Normalarbeitszeit nichts geändert haben", so Schramböck.

WK: Zuschläge bei Gleitzeit bleiben erhalten

Auch für Rolf Gleißner, stv. Leiter der Abteilung für Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer Österreich, stellt sich die Frage nach einem Wegfall der Zuschläge nicht. Er stellt klar: "Die Zuschläge bleiben auch bei Gleitzeit erhalten". Bei der Gleitzeit bestimmt der Arbeitnehmer selbst in einem Rahmen Beginn und Ende seiner Arbeitszeit. Er kann somit auch relativ frei bestimmen, ob er heute acht oder zehn Stunden arbeitet und dafür an einem anderen Tag früher Schluss macht. Dieser Spielraum wird nun auf zwölf Stunden erweitert, was den Aufbau von Zeitguthaben und in weiterer Folge die Nutzung größerer Freizeitblöcke - Stichwort: Vier-Tage -Woche - erleichtert.

"Bei Gleitzeit fallen derzeit dann Überstundenzuschläge an, wenn auf Anweisung des Arbeitgebers mehr als acht Stunden gearbeitet wird. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn in Zukunft statt höchstens zehn bis zu 12 Stunden am Tag gearbeitet werden kann. Da es hier um angeordnete, nicht um selbstbestimmte Arbeitszeit geht, liegt eine Überstunde mit Zuschlag vor", stellt Gleißner klar.

AK befürchtet Wegfall

Die Arbeiterkammer rückte vorerst noch nicht von ihrer Sichtweise ab. In einer Aussendung vom Montag teilte die AK mit, dass bei einer gesetzlichen Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden die Zuschläge für die 11. und 12. Stunde bei Gleitzeit komplett wegfallen. Denn bisher habe es spätestens ab der 11. Stunde einen Überstundenzuschlag in Geld oder Zeit gegeben, so die AK.

Die Klubobleute der Koalition, August Wöginger (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) gingen mit einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme an die Öffentlichkeit. "Die SPÖ-Gewerkschaft führt einmal mehr eine Scheindebatte und schürt unberechtigt Ängste, was die Flexibilisierung der Arbeitszeit betrifft", hieß es darin: "Abschläge bei der Gleitzeit gibt es nicht und wird es nicht geben. Überstundenzuschläge bei der Gleitzeit werden ausbezahlt oder mit Zuschlag in Freizeit ausgeglichen. Das war immer so geplant und so wird es auch beschlossen."

Eine Studie von der Arbeiterkammer und Forba zeigt, dass derzeit 31 Prozent aller ArbeitnehmerInnen in Gleitzeit arbeiten. Das sind hochgerechnet rund eine Million ArbeitnehmerInnen in Österreich.

Ärzte warnen

Indessen mahnen Ärzte zur Vorsicht. Man müsse darauf achten, dass die Stundenbelastung für die Arbeitnehmer nicht wesentlich mehr werde, so Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres am Montag gegenüber der APA. Studien zeigten, dass mehr Arbeitsstunden Nachteile für die Gesundheit bedeuteten. Welche Auswirkungen es geben könne, zeige ein Blick in die Fachliteratur, sagte Szekeres. Sie reichen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, insbesondere Schlaganfälle, bis zu häufigeren Diabetesfällen: "Insgesamt kann man aber sagen: Je mehr, umso nachteiliger." Bei den Spitalsärzten sei die Wochenstundenreduktion von 60 auf höchstens 48 jedenfalls sehr positiv angenommen worden.

Dennoch habe die Ärztekammer "keine Position" zu dem Regierungsvorhaben bezüglich Zwölf-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche. "Punktuell wird es verschmerzbar sei", so der Kammerpräsident: "Es hängt davon ab, wie das umgesetzt wird."

Arbeitsmediziner: Art der Tätigkeit entscheidend

Der Sport- und Arbeitsmediziner Piero Lercher plädierte gegenüber der APA zur Differenzierung. Es gebe Menschen, vor allem junge, die gerne länger arbeiten wollten und dazu auch in der Lage seien. "Schlecht ist es tatsächlich, wenn ich dazu gezwungen werde und die Leistung nicht bringen kann", meinte er.

Neben dem Alter hänge es von der Tätigkeit ab, also ob es sich um monotone bzw. schwere körperliche Arbeit handle oder nicht. Sein Fazit: "Es muss auf jeden Fall eine Art Opt-in/Opt-out-Geschichte sein, kein Muss." Wer länger arbeite, solle jedenfalls regelmäßig ärztlich betreut werden, meinte Lercher. Mit der richtigen Lebensweise, vor allem durch gesunde Ernährung und ein moderates Ausdauertraining, könne die Leistungsfähigkeit auch im fortschreitenden Alter hoch bleiben.

(APA)

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