Vittel: Ein französisches Dorf und sein Kampf ums Wasser

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FILES-FRANCE-NESTLE-WATERAPA/AFP/SEBASTIEN BOZON
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Vittel ist den meisten wohl als Mineralwassermarke von Nestlé bekannt - es gibt aber auch eine gleichnamige Gemeinde. Und dort wird das Wasser immer knapper.

Wer Vittel hört, denkt an Wasser. Vittel ist aber nicht nur eine internationale Marke mit rotem Etikett, sondern eine 5000-Einwohner-Gemeinde in den französischen Vogesen. Deren Bürger liefern sich einen erbitterten Kampf mit dem Schweizer Konzern Nestlé Waters, nach eigenen Angaben weltweit die Nummer eins bei abgefülltem Wasser. Es geht darum, wem das immer knapper werdende Grundwasser von Vittel gehört: Den Menschen oder dem Unternehmen.

"Nestlé hat den Kampf ums Wasser gewonnen", titelten französische Medien vor einigen Wochen. Grund war eine Entscheidung der örtlichen Wasserkommission. Die Vertreter von Staat und Gemeinden votierten trotz des Protests von vier Umweltverbänden für den Bau einer Pipeline. Sie soll künftig die Vogesen-Orte Vittel, Contrexeville und Bulgneville mit Trinkwasser aus 15 Kilometern Entfernung versorgen.

Pipeline, von Nestlé mitfinanziert

Dabei haben Vittel und die beiden anderen Gemeinden eine eigene Quelle - doch die wird seit den 60er Jahren von Nestlé für seine Marke Vittel genutzt. Dadurch sinkt der Grundwasserspiegel seit Jahren stetig. Zum Ausgleich will Nestlé nun die Pipeline mitfinanzieren, deren Kosten auf 8 bis 17 Millionen Euro geschätzt werden. Im Gegenzug darf der einflussreiche Konzern weiter das Vittel-Wasser in Plastik- oder Glasflaschen abfüllen.

»Das ist ökologisch völlig unverantwortlich.«

Rene-Lise Rothiot vom Verband Eau 88

"Man kann es Nestlé nicht erlauben, eine Ressource zu kaufen, die allen gehört", empört sich Jean-François Fleck, der Vorsitzende des regionalen Umweltverbands Vosges Nature Environnement. "Man nimmt unseren Nachbarn das Wasser weg, damit wir hier trinken können", kritisiert auch Rene-Lise Rothiot vom Verband Eau 88 im Regionalsender France Bleu. "Das ist ökologisch völlig unverantwortlich."

Auch Kommunalpolitiker kritisieren das Pipeline-Votum: "Das ist eine Entscheidung, die unmittelbar nur Nestlé Waters nützt", sagte Christine Vauzelle, Bürgermeisterin des 600-Einwohner-Ortes Charmois-l'Orgueilleux, der Wasser für Vittel liefern soll. Den langfristigen Schaden hätten zukünftige Generationen. "Man sagt uns, dass es immer Wasser geben wird, aber wer garantiert uns das?", fragt die Bürgermeisterin.

»Wir bei Nestle sind der festen Überzeugung, dass der Zugang zu Wasser ein grundlegendes Menschenrecht ist«

Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke

"Wir bei Nestlé sind der festen Überzeugung, dass der Zugang zu Wasser ein grundlegendes Menschenrecht ist", wird Verwaltungsratspräsident Paul Bulcke auf der Konzern-Webseite zitiert. Die Gegner des Pipeline-Projekts zweifeln an den hehren Motiven des Konzerns - auch wenn Nestlé versprochen hat, dass die Wasserrechnung für die Bürger durch die neue Leitung nicht steigt.

Nestlé-Regionalchef Christophe Klotz verweist darauf, dass der Konzern 14 Millionen Euro Steuern für die Nutzung der Mineralwasser-Quelle zahlt. Zudem gebe er rund tausend Menschen in den Vogesen Arbeit. Die Produktion zurückzufahren, ist für das Unternehmen keine Option. Derzeit zapft Nestlé jährlich 750.000 Kubikmeter Wasser in den Vogesen ab.

Bürger hoffen auf die Justiz

"Unbeschwerten Geschmack" verspricht Nestlé den Konsumenten von Vittel. Die Bürger des gleichnamigen Ortes halten diesen Werbespruch für Hohn. Sie hoffen nun auf die Justiz: Diese ermittelt, weil die Behörden Nestlé womöglich zu Ungunsten der Bevölkerung bevorzugten.

Die frühere Vorsitzende der Wasserkommission, Claudie Provost, steht im Verdacht eines Interessenkonflikts, weil ihr Mann früher bei Nestle Waters arbeitete. Der Verband Eau 88 hofft, dass die Justiz alle Entscheidungen zugunsten von Nestlé seit 2016 nachträglich kippt.

(APA/AFP)

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