„Haben Höhepunkt vielleicht schon gesehen“

Martin Lück
Martin Lück(c) Michele Pauty
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BlackRock-Experte Martin Lück hält US-Aktien für relativ attraktiv. Eine Rezession sollte es nicht vor 2020 geben.

Wien. Der Handelskonflikt ist dieser Tage auch an den Börsen das dominierende Thema. Zu Recht? Martin Lück, Chef-Investmentstratege für Deutschland, Österreich und Mittel- und Osteuropa beim Vermögensverwalter BlackRock, rechnet nicht mit einem ausgewachsenen Handelskrieg. Es handle sich eher um Wahlkampfgetöse, das bis zu den US-Kongresswahlen im November anhalten werde.

Für gefährlicher hält Lück das Überhitzungsrisiko durch die US-Steuerreform und die Gefahr, dass die Zentralbank die Zinsen schneller anheben muss als geplant. In Europa drohe ein Konflikt mit der italienischen Regierung, auch das Risiko eines harten Brexits sei nicht vom Tisch. Dass Europas Wirtschaft der US-Wirtschaft vier Jahre hinterherhinke, bedeute nicht, dass sie auch vier Jahre später in eine Rezession schlittern würde.

Vor diesem Hintergrund hält Lück US-Aktien derzeit für attraktiver als europäische. „Ihre Gewinne werden von der Steuerreform angetrieben, die Kurse profitieren von Aktienrückkäufen.“ Dieser Effekt sollte bis 2019 wirken. In Europa hingegen habe sich das Wachstum in der ersten Jahreshälfte etwas abgeschwächt. Hinzu komme, dass die europäischen Unternehmen stärker im Welthandel exponiert sind und daher mehr unter dem Handelskonflikt leiden.

Doch könnten sich die Europäer nicht rächen, indem sie den großen US-Technologiekonzernen mit Regulierung und Steuern zusetzen? Lück glaubt das nicht. Die Technologiefirmen seien überwiegend im eher Trump-kritischen Silicon Valley angesiedelt, die EU würde damit die Falschen treffen.

Gute Aussicht für Tech-Firmen

Der Kapitalmarkt-Experte erwartet, dass die FAANG-Unternehmen (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google-Mutter Alphabet) nach ihren jüngsten Höhenflügen weiter steigen. Insgesamt herrsche unter den Anlegern eine risikofreundliche Stimmung, die sie zu diesen Wachstumsunternehmen greifen lasse. Die neuen Regeln der US-Regierung erlaubten es den Unternehmen, ihre Auslandsgewinne heimzuholen und für Aktienrückkäufe oder Dividendenausschüttungen zu nutzen.

Wenn keines der Risiken schlagend wird, sollten die USA nicht vor 2020 in eine Rezession schlittern. Da die Börsen eine Rezession normalerweise sechs bis neun Monate vorwegnehmen, müsste man sich frühestens in einem Jahr Sorgen wegen eines Endes des Bullenmarkts machen. Die Anleger seien aber schon vorsichtiger geworden, die Aktienbewertungen niedriger als zu Jahresbeginn. Lück sieht gute Chancen, dass die Aktienkurse bis Jahresende steigen. „Es ist aber durchaus denkbar, dass wir den Höhepunkt schon gesehen haben.“

ZUR PERSON

Martin Lück ist seit 2015 Chef-Investment-Stratege für Deutschland, Österreich und Mittel- und Osteuropa beim US-Vermögensverwalter BlackRock. Die Fondsgesellschaft verwaltet mehr sechs Billionen US-Dollar Vermögen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2018)

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