Wie Fluglinien ihr Geld verdienen

Wer zahlt, kann viel einpacken: Airlines verrechnen für Koffer Extragebühren, außer man fliegt Business- oder First Class.
Wer zahlt, kann viel einpacken: Airlines verrechnen für Koffer Extragebühren, außer man fliegt Business- oder First Class.(c) REUTERS (Neil Hall)
  • Drucken

Airlines werden bei Zusatzeinnahmen immer erfinderischer: 2017 erlösten die Top Ten knapp 30 Milliarden Dollar.

Wien/Shorewood. Billig, billiger, gratis: Mit Flugtickets um einen Cent hat die Billigairline Level, die zur British-Airways-Holding IAG gehört, am Dienstag ihren Start in Wien beworben. Kann man mit solchen Dumpingpreisen Geld verdienen? Die Antwort auf diese Frage, die sich angesichts der in der Luftfahrt tobenden Preisschlacht immer mehr Passagiere stellen, ist klar: Nein. Aber ganz abgesehen davon, dass pro Flug meist nur wenige extrem günstige Tickets quasi als Lockmittel verkauft werden, haben sich die Airlines längst andere lukrative Einnahmequellen eröffnet.

Die Fluglinien werden laut einer Studie des US-Beraters IdeaWorksCompany im Auftrag des IT-Touristikdienstleisters Cartrawler immer erfinderischer, wenn es darum geht, Passagiere zur Kasse zu bitten. Das betrifft längst nicht mehr das zusätzliche Gepäck allein. Auch für andere Services wie (Wunsch-)Sitzreservierung oder Speis und Trank, die einst im Ticketpreis selbstverständlich inkludiert waren, muss bezahlt werden.

Weltweit erzielten die untersuchten 146 Airlines im Vorjahr mit Zusatzleistungen, die direkt das Fliegen betrugen, 57 Mrd. Dollar. Rechnet man weitere Services wie Hotel- oder Mietwagenbuchungen dazu, kommt man auf 83 Mrd. Dollar – bei einem Gesamtumsatz von 750 Mrd. Dollar.

Erfinder Billigairlines

Welche Bedeutung die À-la-carte-Strategie gewonnen hat, zeigen weitere Zahlen: Erlösten die Top Ten „Zusatz-Kaiser“ vor zehn Jahren noch 2,1 Mrd. Dollar, so waren es 2017 schon 29,7 Mrd. In Europa stammte schon jeder zehnte Umsatz-Euro aus dem Nicht-Flug-Geschäft. Das hat, so die Studie, damit zu tun, dass es in Europa besonders viele Billigairlines gibt. Die Low-Cost-Carrier haben dieses System, bei dem nur der reine Beförderungspreis fix ist und der Reisende alle anderen Leistungen dazu buchen muss, erst erfunden.

Bei manchen von ihnen, wie auch bei der seit Kurzem in Wien stationierten Wizz Air, machen die Nebeneinnahmen schon mehr als 40 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Aber auch bei der Nummer eins, Ryanair (die mit ihrer neuen Tochter, Laudamotion, jetzt ebenfalls in Österreich aktiv ist), entfallen 28,2 Prozent des Umsatzes von 6,65 Mrd. Euro auf Zusatzerlöse.

Die höchsten Pro-Kopf-Nebeneinnahmen von knapp 51 Dollar pro Flug erzielte die US-Airline Spirit. Sie verfolgt allerdings ein besonders radikales Preissystem und verrechnet sogar für Handgepäck Extragebühren.

Die „Billigen“ sind mit dem System inzwischen so erfolgreich, dass „klassische“ Fluglinien wie Lufthansa oder Air France/KLM das Konzept ganz oder zumindest in Teilen kopiert haben. So etwa gibt es bei der Lufthansa-Tochter AUA in der Economyclass drei Tarifklassen: Light, Classic und Flex. Nur bei Letzterer sind Snacks & Getränke, Handgepäck und ein Koffer, Sitzplatzreservierung und Priority Boarding inkludiert.

Zurück zu den Zusatzeinnahmen: Neben Vielfliegerprogrammen, die wiederum etwa den Zugang zur Lounge ermöglichen, bildet der Transport des Gepäcks die wichtigste Zusatzeinnahme. Bei manchen Airlines wie der isländischen WOW Air macht das 65 Prozent aus. Und weil gerade auf Langstrecken kaum ein Reisender ohne Koffer auskommt, wird inzwischen auch bei Fernflügen das Gepäck extra verrechnet. Es geht noch besser: Die US-Billiglinie Spirit und die mexikanische Volaris staffeln die Tarife für den Gepäcktransport – bei einer besonders guten Buchungslage wird es teurer. Übrigens nicht nur der Koffer: Auch für den Wunschsitz muss man tiefer in die Tasche greifen.

Riesiges Handgepäck

Einen völlig neuen Weg schlägt die britische Jet2.com ein: Sie bietet ihren Passagieren auch Dienstleistungen nach der Landung (im Feriengebiet) an: Die reichen vom Mietwagen bis zum Bus, und im Hotel werden dann Ausflüge und weitere Extras vermittelt. So auch die Möglichkeit, selbst (samt Gepäck) für den Rückflug schon im Hotel einzuchecken. Gegen Gebühr natürlich.

Die Sache mit dem Gepäck hat sich freilich als Bumerang erwiesen: Wegen der zum Teil erklecklichen Kosten für den Koffer haben viele Reisende ihr Handgepäck entsprechend „vergrößert“. Die Zahl schwerer, großer Trolleys, die nicht mehr in die Gepäckablagen passen, wuchs und wurde zum Ärgernis für Crews und Mitreisende. Die Reaktion kam bald: Handgepäck wird nun bei vielen Airlines gewichts- und umfangmäßig eingeschränkt, im Gegenzug wurden die Tarife für die Kofferaufgabe moderater.

Einmal mehr ging die Ryanair voran: Sie initiierte ein „Business Plus“-Produkt, das ein flexibles Ticket, schnelle Abfertigung, vorrangiges Boarding und zwei Stück Handgepäck ermöglicht. Wizz Air zog nach.

Und was sagen die Passagiere? Sie haben sich – wenigstens weitgehend – angepasst. In der Holzklasse bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, wollen sie nicht bei einem dreiwöchigen Urlaub mit Familie sich neu einkleiden bzw. auf einem Flug in die Karibik verhungern. Die Ryanair-Reisende, die vergaß, ihren Boardingpass auszudrucken, und zu 200 Pfund „Strafe“ verdonnert wurde, dürfte doch ein Einzelfall bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ryanair-Chef Michael O'Leary
Unternehmen

Ryanair steht vor dem ersten harten Streiksommer

Piloten und Flugbegleiter der Laudamotion-Mutter Ryanair begehren europaweit gegen die Arbeitsbedingungen auf.
Unternehmen

Europas Passagiere mussten heuer 47.000 Minuten auf Flüge warten

Die Verspätungen im europäischen Luftverkehr haben sich nach Angaben des Luftfahrtverbandes IATA heuer mehr als verdoppelt.
IAG-Chef Willie Walsh am Dienstag vor einem Flugzeug der Level-Airlines
Unternehmen

Neue Billig-Airline Level heizt in Wien den Preiskampf an

Der IAG-Konzern drängt unter dem Namen Level nach Österreich. 14 Ziele werden von Wien aus angeflogen, die Airline soll in den kommenden Jahren stark wachsen. Auch Langstreckenflüge sind eine Option.
PK LAUDAMOTION: GRUBER
Unternehmen

Lufthansa und Laudamotion streiten um Flieger

Laudamotion-Chef Andreas Gruber stellt den Vorwurf der Lufthansa, man habe Leasingraten nicht bezahlt, in Abrede und droht rechtliche Schritte an. Die Ferienfluglinie sei nicht gefährdet und wachse.
Wirtschaftskommentare

Schönen Sommer, liebe Airline-Opfer

Ryanair und Lufthansa streiten auf dem Rücken der Flugreisenden.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.