Mit dem Autobus zur 50-Stunden-Woche

Neuer Kollektivvertrag für Buslenker.
Neuer Kollektivvertrag für Buslenker.APA
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Im Vergleich mit dem neuen Kollektivvertrag für Busfahrer ist der 12-Stunden-Tag der Regierung sozialromantisch.

Robert Wurm ist als temperamentvoller Gewerkschaftler bekannt und wird schnell zum Kugelblitz, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Nun schlägt der Zentralbetriebsratschef des ÖBB-Postbus Funken wie schon lange nicht. Schuld daran ist nicht die Regierung oder der Arbeitgeber. Ausgerechnet die Kollegen der Verkehrsgewerkschaft Vida bringen ihn zur Weißglut. Die haben am Mittwoch einen Kollektivvertrag für 8000 Buslenker in Österreich ausverhandelt. Der sieht vor, dass die wöchentliche Arbeitszeit von 40 auf 50 Stunden erhöht wird. In einer Zeit, da Gewerkschaftler massiv gegen den von der Regierung beschlossenen Zwölf-Stunden-Tag protestieren, setzen die Vida-Gewerkschafter einen drauf. „Verkauft und verraten“ habe man die Lenker, wettert Wurm. „Unterm Strich bekommt jeder zweite Buschauffeur pro Monat um 70 Euro netto weniger, weil die Überstundenzuschläge wegfallen“, sagt er.

Was ist da geschehen? Bei der Gewerkschaft Vida hingegen spricht man von einem guten Abschluss. Zwar gibt es nun die Möglichkeit einer 50-Stunden-Woche, aber das Gesamtpaket sei positiv. Die Busfahrer würden nun um 1,30 Euro pro Stunde mehr verdienen, und beim 13. und 14. Monatsgehalt würden sogar unterm Strich 500 Euro mehr rauskommen.

Der neue Tarif gilt aber nur für 1900 der insgesamt 3300 ÖBB-Postbuslenker. Ein Gutteil der Busfahrer sind noch Beamte, also Postler oder Eisenbahner. Sie haben zwar ein anderes Gehaltsschema, profitierten in der Vergangenheit aber immer von den Zulagenerhöhungen ihrer privatwirtschaftlichen Kollegen. Die Zulage wurde auf alle umgemünzt. Diesmal nicht, weil statt höherer Zulagen andere Vergütungen ausverhandelt wurden. Wurm muss also erstmals seinen beamteten Chauffeuren verklickern, dass sie durch die Finger schaun.

Der neue Kollektivvertrag ist auch dem wachsenden Wettbewerb in der Branche geschuldet. Immer öfter kommt es vor, dass kleine private Anbieter bei Ausschreibungen die Nase vorn haben. „Die betreiben Preisdumping und zahlen oft keine Zulagen“, ärgert sich Wurm – und gerät gleich wieder in Rage.

E-Mails an: gerhard.hofer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2018)

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