Weniger AMS-Geld nach 90 Tagen

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AMS-Chef Kopf findet, dass man nach drei Monaten Jobsuche Kompromisse machen muss. Die Regierung verschiebt die Reform.

Wien. Eigentlich wollte sich AMS-Chef Johannes Kopf ja nicht zur Reform des Arbeitslosengeldes äußern, solange der Regierungsvorschlag nicht auf dem Tisch liegt. Aber Türkis-Blau hat die Reform auf 2019 verschoben. Gut möglich, dass er sich deshalb zu einem Kommentar hinreißen ließ: „Ich halte eine Stufe nach drei Monaten für sinnvoll“, sagte Kopf am Dienstagabend bei einem Vortrag beim Thinktank Agenda Austria. Nach drei Monaten sollte das Arbeitslosengeld abgesenkt werden. So lange sollte sich jeder Zeit nehmen, den idealen Job zu finden. Danach müsse die Bereitschaft steigen, auch schlechtere Arbeitszeiten, längere Wege oder einen Branchenwechsel in Kauf zu nehmen.

Dafür müsste das Arbeitslosengeld am Anfang höher sein, fordert Kopf. Im internationalen Vergleich ist das österreichische Arbeitslosengeld niedrig: In Dänemark erhält man fast 80 Prozent des Letzteinkommens, bei uns lediglich 55 Prozent. Es wird 30 bis 52 Wochen ausbezahlt, danach kann praktisch unbegrenzt Notstandshilfe bezogen werden. Sie ist etwa zehn Prozent niedriger als das Arbeitslosengeld. Diese Stufe sei „nicht sehr wirkungsvoll“. Sprich: Der Anreiz, eine Arbeit anzunehmen, steigt damit nicht deutlich.

Die Regierung plant eine Reform des Arbeitslosengeldes. Wer länger einbezahlt hat, soll länger Arbeitslosengeld bekommen, die Notstandshilfe soll abgeschafft werden. Wer keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hat, würde in die Mindestsicherung rutschen und müsste davor sein Vermögen bis auf 4000 Euro aufbrauchen. Dagegen wehrt sich die FPÖ. Eigentlich war die Reform für dieses Jahr geplant. Nun wurde sie auf 2019 verschoben. Das Thema sei heikel, und man müsse alles genau durchrechnen, so die Begründung aus dem von Beate Hartinger-Klein (FPÖ) geführten Sozialministerium. Dem Vernehmen nach dürfte auch die angekündigte Abschaffung der Notstandshilfe noch nicht ganz fix sein.

Junge sind begehrt

Österreich, das Land mit der einst niedrigsten Arbeitslosigkeit in der EU, hat mittlerweile ein ausgewachsenes Arbeitsmarktproblem: die gering Qualifizierten. Die Arbeitslosigkeit unter jenen, die maximal einen Pflichtschulabschluss haben, stieg in den vergangenen drei Jahrzehnten von neun auf 25 Prozent. „Und das, obwohl wir das Land mit einer Ausbildungsgarantie sind“, sagt Kopf. Ausbildungsgarantie heißt, dass für jene, die keine Lehrstelle im Betrieb finden, vom Arbeitsmarktservice eine „überbetriebliche“ geschaffen wird.

Ende September gab es 345.000 Arbeitslose. Gleichzeitig klagen die Betriebe über Fachkräftemangel. Kopf appelliert an die Arbeitgeber: „Viele Unternehmen, teilweise auch unbewusst, selektieren zu stark.“ Gesucht werde viel zu oft jung, männlich, nicht langzeitarbeitslos, perfektes Deutsch, keine gesundheitlichen Einschränkungen. Das treffe auf acht Prozent der Arbeitslosen zu. „Es ist wirklich ein Fehler, gewisse Gruppen, zum Beispiel Ältere, auszuschließen“, so Kopf. Die begehrteste Gruppe auf dem Arbeitsmarkt sind die Jungen. Die sind aber oft nicht bereit, für eine Lehrstelle in eine andere Stadt zu ziehen. Da würden auch Sanktionen nichts nützen. „Wir brauchen mehr Mobilität. Aber Sanktionen führen in der Regel nicht zu mehr Mobilität, sondern zu mehr Sanktionen“, so Kopf.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2018)

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