Roman Hebenstreit schreibt Sebastian Kurz einen Brief

Roman Hebenstreit: Die Reichen wurden bereits genug unterstützt
Roman Hebenstreit: Die Reichen wurden bereits genug unterstütztDie Presse/Fabry
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Die Bundesregierung hat bislang ausschließlich in die Taschen weniger Menschen gearbeitet. Die Reichen wurden in diesem Jahr seitens der Regierung bereits genug unterstützt. Heisst es in einem offenen Brief an den Bundeskanzler.

Der Vorsitzender der Gewerkschaft vida, Roman Hebenstreit, fordert anlässlich des heutigen Tags der Armut Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem offenen Brief auf, „alle Maßnahmen, die Armut in Österreich weiter fördern oder begünstigen, zu unterlassen“. Der soziale Frieden dürfe nicht weiter gefährdet werden.  Die Gewerkschaftsbewegung wollen ein gutes Leben für alle. Bei der Bekämpfung von Armut müssen kräftige Lohnerhöhungen an oberster Stelle stehen, da die Lebenshaltungskosten in den letzten Jahren schneller als die Löhne gestiegen seien.

Der offene Brief im Wortlaut

„Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Kurz,

im vorigen Jahr haben die Gewerkschaften mit ihrer Kampagne für 1.500 Euro Bruttomindestlohn in allen Branchen einen wichtigen Schritt zur Armutsbekämpfung gesetzt. Unser nächstes Ziel, die flächendeckende Realisierung von 1.700 Euro Bruttomindestlohn in allen Kollektivverträgen, ist längst gesteckt und in einzelnen Branchen bereits erreicht.

Das alleine reicht aber nicht aus, wenn parallel dazu die Teuerungen bei den Lebenshaltungskosten viel schneller als die Einkommen steigen. Was wir deshalb brauchen, sind jährlich noch stärker wachsende Löhne und Gehälter, und das gerade in jenen Branchen, wo Armut bzw. Armutsgefährdung durch zu niedrige monatliche Verdienste manifest ist.

Dazu zähle ich beispielweise die Gastronomie, den Tourismus aber auch Dienstleistungen wie Reinigung oder Pflege. In diesen Bereichen werden die Gewerkschaften allein nicht erfolgreich sein können; vor allem dann nicht, wenn von der Regierung stetig Maßnahmen gesetzt werden, welche die Bekämpfung von drohender Verarmung und Armut konterkarieren.

Jegliche von der Bundesregierung ermöglichte neue Form der Zuwanderung von Arbeitskräften über die Mangelberufsliste und die „Rot-Weiß-Rot Card“ in Branchen mit bereits prekären Verhältnissen, stellt einen Rückschritt für stärkere Lohnerhöhungen und somit für die Armutsbekämpfung dar. Gerade Gastronomie und Tourismus sind Branchen, die Löhne zahlen, mit denen man in Österreich so gut wie nicht mehr über die Runden kommt.

Nicht zuletzt deswegen finden diese Branchen nicht ausreichend Arbeitskräfte am heimischen und offensichtlich auch nicht mehr am europäischen Arbeitsmarkt. Die Branche baut sich mit unattraktiven Arbeits- und Entlohnungsbedingungen ihren Fachkräftemangel seit Jahren selbst auf. Die Regierung trägt ihr Übriges dazu bei, indem Sie noch dazu die Arbeitszeiten per Gesetz ausweitet und gleichzeitig die Ruhezeiten für die Branchenbeschäftigten verkürzt. Noch absurder erscheint diese Situation dann, wenn sich die Wirtschaft den Arbeitskräftemangel von der Regierung durch Zuzug aus dem EU-Ausland ausgleichen lassen will.

Ja, es ist richtig, dass der Unterschied zwischen vielen Arbeitseinkommen und der Mindestsicherung zu gering ist. Allerdings liegt das nicht an der Höhe der Mindestsicherung, sondern an den viel zu niedrigen Schandlöhnen in einzelnen Branchen. Das darf nicht weiter gefördert und unterstützt werden. Insbesondere nicht von einer Partei wie der ÖVP, die sich die christlich-sozialen Werte auf die Fahnen geschrieben hat. Sonst ist das für von Armut betroffene Menschen nichts anderes als ein weiterer Tiefschlag.

Ich ersuche daher Sie und die Mitglieder der Bundesregierung eindringlich, alle Maßnahmen, die Armut in Österreich weiter fördern oder begünstigen, zu unterlassen. Die österreichische Gewerkschaftsbewegung will ein gutes Leben für alle Menschen in unserem Land. Die Bundesregierung hat bislang ausschließlich in die Taschen weniger Menschen gearbeitet. Die Reichen wurden in diesem Jahr seitens der Regierung bereits genug unterstützt. Es ist daher längst Zeit, auch auf jene zu schauen, die wirklich Hilfe brauchen, sich aber nicht so einfach selbst helfen können. Ich fordere Sie daher auf, Ihrer Verantwortung als Bundeskanzler nachzukommen und den sozialen Frieden nicht weiter zu gefährden.

Mit freundlichen Grüßen

Roman Hebenstreit

(red)

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