Letzter Akt für die europäische Finanzsteuer

Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) will eine Aktiensteuer für alle 27 EU-Staaten. Oder gar keine.
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) will eine Aktiensteuer für alle 27 EU-Staaten. Oder gar keine.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Finanzminister Hartwig Löger schlägt eine Aktiensteuer für die ganze EU vor. Dass es die je geben wird, ist unwahrscheinlich.

Wien. Das Drama zieht sich seit Jahren. Die Finanztransaktionssteuer, einst als politische Antwort auf die Finanzkrise gefeiert, vegetiert als Idee in einer von Österreich geführten Arbeitsgruppe von zehn EU-Staaten vor sich hin. Jetzt will Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) die Sache angehen. In Form der von Frankreich und Deutschland angeregten Aktiensteuer. Was könnte dabei rauskommen? Ist die Finanztransaktionssteuer wirklich noch zu retten? „Die Presse“ gibt die wichtigsten Antworten.

1 Was ist die Finanztransaktionssteuer? Wer hat sie erfunden?

Die Idee, Spekulanten durch eine Steuer auf jede einzige ihrer Transaktionen im Schach zu halten, ist uralt. Sie taucht wie das Amen im Gebet immer dann auf, wenn die Börsen in eine Krise schlittern und/oder die Staaten rasch Geld brauchen. Ihr erster prominenter Verfechter war der britische Ökonom John Maynard Keynes, der nach der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre eine Steuer auf den Aktienhandel vorschlug. Oft wird auch James Tobin genannt, der 1972 wiederum den Devisenhandel besteuern wollte. In Europa haben Italien und Frankreich bisher sehr eingeschränkte Formen einer solchen Steuer eingeführt.

2 Was schlägt Finanzminister Hartwig Löger konkret vor?

In einem Interview mit dem „Handelsblatt“ hat Löger angeregt, die eingeschlafene Debatte rund um eine Finanztransaktionssteuer auf eine neue Ebene zu heben. Konkret will er sich am „französischen Modell“ orientieren. Dort werden beim Aktienkauf 0,3 Prozent fällig. Betroffen sind aber nur die Titel von Aktiengesellschaften, die eine Marktkapitalisierung von mehr als einer Milliarde Euro haben, was in etwa den 100 größten Titeln auf dem Markt entspricht. Geld aus dieser „reinen Aktiensteuer“ könne den EU-Haushalt stärken und die Staaten entlasten, so Löger. Sinnvoll sei eine Steuer aber nur, wenn alle nach dem Brexit verbleibenden EU-Staaten mitmachen.

3 Ein Alleingang Österreichs ist also nicht zu befürchten?

Nein. Auf Nachfrage der „Presse“ heißt es dazu aus dem Ministerium: „Eine isolierte Einführung würde Österreich vom internationalen Finanz- und Kapitalmarkt abschotten, mit Folgen für das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt. Österreichs Ziel, ein möglichst großes Aufkommen zu generieren, ist die einzige Grundlage für eine erfolgreiche Umsetzung im europäischen Kontext, weil der damit eintretende Wettbewerbsnachteil nur dadurch argumentierbar wird.“

4 Was sind die Nachteile? Was sagen die Vertreter des Finanzmarkts?

Zusätzliche Steuern verteuern den Handel und machen europäische Aktien unattraktiv. Ein Problem, denn schon heute hinken die Europäer den Amerikanern gehörig hinterher, was den Aktienbesitz betrifft. Zudem können professionelle Anleger eine Aktiensteuer über Derivate und ausländische Handelsplätze leichter umgehen, was Kleinanleger benachteiligt. Die Vertreter des Finanzmarktes sind naturgemäß wenig begeistert. „Neue Regelungen sollten immer EU-weit gelten, um jede weitere Spaltung Europas zu vermeiden. Inhaltlich lehnen wir die Finanztransaktionssteuer klar ab. Sie kostet Arbeitsplätze, behindert Wachstum und schädigt das Vermögen der Bürger“, sagt Christoph Boschan, Chef der Wiener Börse.

5 Welche Chancen hat Löger mit seinem Vorstoß auf EU-Ebene?

Im Grunde orientiert sich Löger an der sogenannten Meseberger Erklärung, in der die deutsche und die französische Regierung im Sommer ihre Vorstellung von der zukünftigen EU-Finanzpolitik dargelegt haben. Eine Einigung von 27 Staaten ist aber sehr unwahrscheinlich. Der Brexit hilft nicht: Nach einer Abspaltung Londons ist eine Schwächung der kontinentalen Finanzmärkte kontraproduktiv. Gut möglich, dass Lögers Vorstoß also den allerletzten Akt des Dramas der Finanztransaktionssteuer eingeleitet hat: The End.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2018)

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